Empfehlungen für Säuglinge in Maserngebieten

Von Kinderdok

N.G. hat mir eine Anfrage per Mail geschrieben, die ich gerne in der aktuellen Debatte aufgreifen möchte. Da sie ihre Fragen von Kinderärzten in der Umgebung nicht beantwortet sieht, da diese “in Bezug auf Impfen und Co recht .. esoterische … Meinungen vertreten”, versuche ich mich einmal.

Ich darf keine gezielten Anfragen beantworten, insbesondere keine personenbezogenen Hilfestellungen geben, also bitte nicht jetzt anfangen, Mails zu schreiben. In diesem Fall ist es aber allgemein genug:

N.G. schreibt: Aktuelle Fragen von meinen Bekannten (die auch alle Babys und Kleinkinder haben) und mir:

+ Wenn man in einem Gebiet wohnt, wo eine aktuelle Masernepidemie
grassiert – soll man dann sein Baby vorzeitig (ab 9 Monaten) impfen?

Die Masernimpfung wird üblicherweise im 11. oder 12. Lebensmonat durchgeführt (z.B. bei der U6). In allen Fachinformationen der zur Verfügung stehenden Impfstoffe (Masern-Mumps-Röteln oder Masern-Mumps-Röteln-Windpocken) gibt es aber den Passus, dass bei Besuch einer Gemeinschaftseinrichtung vor dem 1.Geburtstag bzw. “wenn eine epidemiologische Situation” diese erfordert, auch früher geimpft werden kann, allerdings nicht vor dem 9. Lebensmonat. Es könnten also ab heute Säuglinge geimpft werden, die vor dem 26. Mai 2014 geboren wurden.

Das ist natürlich eine individuelle Entscheidung. Ist ein älteres Kind in der Familie, besteht dadurch mehr Kontakt zu Kita oder Kindergarten, ist eine frühere Impfung sicher zu erwägen. Erst recht, wenn das zu impfende Kind selbst in die Krippe soll.

Das RKI schreibt: “Nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) kann die MMR-Impfung auch schon vor dem 12. Lebensmonat, jedoch nicht vor dem 9. Lebensmonat erfolgen (vor dem 9. Lebensmonat ist die Wirksamkeit durch das Vorhandensein mütterlicher Antikörper und durch die Unreife des kindlichen Immunsystems häufig stark vermindert). Eine Impfung ab einem Alter von 9 Monaten kann unter Berücksichtigung der gegebenen epidemiologischen Situation insbesondere in folgenden Situationen erfolgen:
bevorstehende Aufnahme in eine Gemeinschaftseinrichtung
nach möglichem Kontakt zu Masernkranken
Sofern vor dem Alter von 11 Monaten geimpft wird, muss die 2. Impfung bereits zu Beginn des 2. Lebensjahrs erfolgen, da persistierende maternale Antikörper im 1. Lebensjahr die Impfviren neutralisieren können.
Für eine MMR-Impfung von Säuglingen unter 9 Monaten fehlen umfassende Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit, so dass diese Säuglinge z.B. in einem Ausbruchsgeschehen in erster Linie durch Impfungen der Kontaktpersonen in der Umgebung zu schützen sind. Individuelle Risiko-Nutzen-Abwägungen können eine Impfung mit 6 bis 8 Monaten ausnahmsweise begründen. Vor dem Alter von 9 Monaten geimpfte Säuglinge sollen zum Aufbau einer langfristigen Immunität 2 weitere Dosen MMR-Impfstoff im 2. Lebensjahr erhalten. Nach Kontakt zu Masernkranken können unter 9 Monate alte Säuglinge nach individueller Risiko-Nutzen-Abwägung alternativ Immunglobuline zum Schutz vor einer Erkrankung erhalten. Nach einer Immunglobulin-Gabe ist die MMR-Impfung für 5 bis 6 Monate nicht sicher wirksam. Dies sollte bei der Indikation zur Immunglobulin-Gabe berücksichtigt werden.”

+ Soll man während einer Masernepidemie “öffentliche Orte” mit
ungeimpften Babys vermeiden? Was tun, wenn das kaum machbar ist
(Einkaufen, Öffentl. Verkehrsmittel, etc)?

Ich halte das für überzogen und realitätsfern. Man kann sich nicht überall gegen alles schützen. Fernhalten würde ich mich allerdings aus Kindergärten und Schulen, wo es Masernfälle gab.
Ob ein Maserninfizierter im Ed.e.ka rumrennt oder die U-Bahn benutzt – auszuschließen ist das nicht. Ist er erkrankt, sind die Eltern hoffentlich vernünftig genug und lassen ihn daheim.

+ Soll man während einer Masernepidemie Kontakte zu anderen
Babys/Kleinkindern vermeiden (Krabbelgruppen, Babyschwimmen, etc.)?

Das gleiche wie oben. “Babys” sind per definitionem Kinder unter einem Jahr, die in der Regel ja eh noch nicht gegen Masern geimpft sind. In einer Krabbelgruppe mit “Babys” ist die Chance einer Maserinfektion eher gering. Da diese Gruppen aber überschaubar sind und man sich ja kennt, darf die Frage schon gestellt werden, ob es ungeimpfte Geschwisterkinder gibt.
Gibt es masernerkrankte Geschwisterkinder, ist das inkubierte Geschwisterbaby sowieso zu Hause zu lassen, es wird die Masern zu 99,9% ebenfalls bekommen (und auch weitergeben).

Nochmal, liebe Eltern: Kommunziert! Fragt in Euren Gruppen, Kitas und Kindergärten nach der “Impflage”, diskutiert und erhöht den Druck auf die Anbieter und Kita/Kiga-Träger, nur geimpfte Kinder aufzunehmen.

+ Welche Vorsichtsmaßnahmen können Eltern mit ungeimpften Babys während einer Masernepidemie treffen? Verwandtschaft nochmal extra auf Masern ansprechen und ggf. nachimpfen?

Ja! Die einzige Schutzchance für Säuglinge sind die anderen, die sich hoffentlich impfen lassen, also Oppa, Omma, Tagesmutter, jeder Kontakt.
Alle Erwachsenen, die nach 1970 geboren sind und keine oder nur eine Masernimpfung hatten, sollten sich einmalig gegen Masern impfen lassen. So empfiehlt es die STIKO.

Masern-Infoblatt aus Neukölln von 2015
Masern-Infoblatt aus Berlin von 2012, ausführlicher und radikaler im Verbot des Schulbesuches für Ungeimpfte


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