Bittersüßer Nachtschatten.
Emily Jane White hat noch nie das kleine, bezaubernde Folkmädchen gegeben. Schon die ersten beiden Alben "Dark Undercoat" und "Victorian American" waren von solch tiefer Schwärze, dass einem angst und bange werden konnte.
"Ode To Sentience" macht da keine Ausnahme. Zehn Songs in stimmungsvollem Schwarz gehalten, die mal mehr mal weniger zurückhaltend zwischen innerem Monolog und kraftvollem Seelenstriptease hin und her changieren. Im Opener "Oh Katherine" sorgen schmeichelnde Streicher noch für einen Hauch von friedvoller Idylle, beim folgenden "The Cliff" werden schon andere Saiten aufgezogen und das im wahrsten Sinne des Wortes. Der für White eher untypisch kraftvoll, von rythmisierenden Gitarren gestaltete Song birgt textlich Abgründe, wird hier doch weniger der landschaftliche Aspekt, sondern eher der gezielte Sprung nach unten erwogen.
Ähnlich wie bereits früher im Jahr Nina Nastasia auf ihrem wunderbaren Album "Outlaster" gelingt White ein Spagat zwischen Düsterromantik und verklärtem Realismus, der jedoch weniger kratzbürstig daherkommt.
"Black Silk" mit seiner nervösen Gitarrenbegleitung und dem fast stoischen, unbeeindruckten Gesang breitet sich wie ein Teppich aus, sanft schimmernd, in weichen Wellen geschlagen. Noch behutsamer, wenn auch wieder wehmütiger pendelt "The Dark Oak" im 6/8-Takt daher, Walzer und seien sie noch so verstörend und unnahbar, scheinen ein großes Thema für die diesjährige Folkmode zu sein. "I Lay To Rest" fängt dann kurzweilig, fast wie Joanna Newsoms "Good Intention Paving Co." an, wiederum schwingen pendelnde Töne, streiten mit einschneidenden Streichern um die Vorherrschaft, bis dann dann das Klavier das Szepter ergreift und allem eine surreale Atmosphäre einhaucht.
Man mag Emily Jane White sicherlich ein gewisses Mal an Kalkül, vielleicht sogar Berechnung unterstellen, schließlich wandert "Ode To Sentience" nahezu über die gesamte Länge eher durch als über das Nebelmeer, ein wenig mehr einfallende Sonnenstrahlen, wie im Schlußteil zu "Clipped Wings", dürften es dann schon sein.
Während "The Preacher" und "The Law" fast schon eine Spur konventionell erscheinen, lässt es White in "Requiem Waltz" und "Broken Words" noch mal richtig krachen, zumindest immer im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Der namensgebenden Totenmesse gleich, oszilliert der Walzer zwischen Trost und Traurigkeit, bändelt mit osteuropäischer Folklore an, entschwebt aber dann doch in die Sphären des Überirdischen, nicht zuletzt weil White ihrer Stimme ansprechendes Feuer verleiht.
"Broken Words" wiederum erweist der Steel Guitar Referenz, lässt die aufgekommene Traurigkeit zumindest ein Stück hinter sich und fühlt sich dann doch eher verwurzelt als losgelöst an.
Dicht, dämmrig, durchdrungen, aber ein paar helle Strahlen kommen durch.