EMA
“The Future’s Void”
(City Slang)
Es war auf die Schnelle nicht herauszufinden, ob Erika M. Anderson, kurz EMA, bei ihrer Vorliebe für die Cyberspace-Literatur von William Gibson auch schon über das Sci-Fi-Drama “Until The End Of The World” von Wim Wenders gestolpert ist – es würde ihr gefallen, darf man vermuten. In einer Nebenhandlung des Films versuchen Wissenschaftler zu ergründen, ob man die Träume des menschlichen Gehirns mittels modernster Technik in Bildimpulse übersetzen kann, gelänge dies, wäre der Träumende in der Lage, diese Hirngespinste quasi in der darauffolgenden Wachphase als Videostream zu konsumieren. Kurze Auflösung – es gelingt tatsächlich und endet im Wahnsinn. Eine zugleich reizvolle wie auch grauenhafte Vorstellung. Dass EMA solche Gedankenwelten nicht fremd sind, kann man zur Zeit wieder aus zahlreichen Interviews erfahren, man hört es natürlich auch aus den Texten des aktuellen Albums. Nun ist es nicht gerade ungewöhnlich, dass sich eine junge Frau kritisch mit ihrer virtuellen Umgebung, dem Internet also, auseinandersetzt, wenige Musikerinnen tun dies jedoch so nachhaltig und vehement wie sie.
Und dennoch ist der Nachfolger zu „Past Life Martyred Saints“, das betont sie gern, kein Konzeptalbum, sondern einfach „a kind of angry punk record“ (Under The Radar) geworden, schon der Titel ist ja nichts anderes als eine Variation des ewig trotzigen Verweigerungsslogans „No Future“. Und natürlich kennt EMA, die in Gesprächen mit Verweisen auf Isabel Fonseca, Herta Müller oder auch Wolfgang Beckers „Good Bye, Lenin!“ überrascht, nicht nur die großen Themen wie NSA, Überwachungsstaat und den Kalten Krieg. Sie versteht es vielmehr, diese und andere auf das Persönliche herunterzubrechen, auch wenn es nicht immer ihre eigenen Erfahrungen sind, von denen sie hier singt. Das schwermütige „3Jane“ – sie nennt es das lyrische Herzstück des Albums – ist so ein Beispiel, EMA erzählt vom schmerzhaften Kontrollverlust, von der Möglichkeit, wie einem die virtuelle Welt das Leben zur Hölle machen kann, ganz real, schon heute, jederzeit.
Das musikalische Kraftzentrum der Platte folgt gleich darauf mit den Stücken „Cthulu“, „Smoulder“ und „Neuromancer“, wie auch schon beim Vorgänger in der Tradition von PJ Harvey instrumentiert und vorgetragen, alles hier kratzt und beißt und kreischt ganz wunderbar, die Gibson-Hommage kommt noch dazu mit mächtigem, technoiden Gewummer daher. Die Texte dazu weiterhin in bewusster Zweideutigkeit, Menschen, Maschinen, Diesseits, Jenseits, Künstliche Intelligenz und gefährliche Willkür, EMA mischt all das zu einem Universum, dessen Grenzen, zumindest für die Dauer ihrer Songs, auf irritierende Weise verwischt scheinen. Gute Laune kann da natürlich nicht aufkommen, wenn man sich Gedanken darüber macht, ob alles, was wir in den letzten hundert Jahren zustandegebracht haben, wirklich so segensreich war („100 Years“), wenn einen nur noch das skandalversessene Promi-Spektakel von der eigenen Lebensleere abzulenken vermag („Dead Celebrity“). Ein in jeder Hinsicht anspruchsvolles, ambitioniertes, ein nachdenkliches Album über die Kollision zweier Welten und noch dazu eines, das rockt.
Der lesenswerte Blog zum Album: http://www.thefuturesvoid.net/blog/
21.05. Hamburg, Uebel und Gefährlich
22.05. Köln, Luxor
23.05. Berlin, Prince Charles
28.05. Zürich, Bogen
31.05. Mannheim, Maifeld Derby Festival
“The Future’s Void”
(City Slang)
Es war auf die Schnelle nicht herauszufinden, ob Erika M. Anderson, kurz EMA, bei ihrer Vorliebe für die Cyberspace-Literatur von William Gibson auch schon über das Sci-Fi-Drama “Until The End Of The World” von Wim Wenders gestolpert ist – es würde ihr gefallen, darf man vermuten. In einer Nebenhandlung des Films versuchen Wissenschaftler zu ergründen, ob man die Träume des menschlichen Gehirns mittels modernster Technik in Bildimpulse übersetzen kann, gelänge dies, wäre der Träumende in der Lage, diese Hirngespinste quasi in der darauffolgenden Wachphase als Videostream zu konsumieren. Kurze Auflösung – es gelingt tatsächlich und endet im Wahnsinn. Eine zugleich reizvolle wie auch grauenhafte Vorstellung. Dass EMA solche Gedankenwelten nicht fremd sind, kann man zur Zeit wieder aus zahlreichen Interviews erfahren, man hört es natürlich auch aus den Texten des aktuellen Albums. Nun ist es nicht gerade ungewöhnlich, dass sich eine junge Frau kritisch mit ihrer virtuellen Umgebung, dem Internet also, auseinandersetzt, wenige Musikerinnen tun dies jedoch so nachhaltig und vehement wie sie.
Und dennoch ist der Nachfolger zu „Past Life Martyred Saints“, das betont sie gern, kein Konzeptalbum, sondern einfach „a kind of angry punk record“ (Under The Radar) geworden, schon der Titel ist ja nichts anderes als eine Variation des ewig trotzigen Verweigerungsslogans „No Future“. Und natürlich kennt EMA, die in Gesprächen mit Verweisen auf Isabel Fonseca, Herta Müller oder auch Wolfgang Beckers „Good Bye, Lenin!“ überrascht, nicht nur die großen Themen wie NSA, Überwachungsstaat und den Kalten Krieg. Sie versteht es vielmehr, diese und andere auf das Persönliche herunterzubrechen, auch wenn es nicht immer ihre eigenen Erfahrungen sind, von denen sie hier singt. Das schwermütige „3Jane“ – sie nennt es das lyrische Herzstück des Albums – ist so ein Beispiel, EMA erzählt vom schmerzhaften Kontrollverlust, von der Möglichkeit, wie einem die virtuelle Welt das Leben zur Hölle machen kann, ganz real, schon heute, jederzeit.
Das musikalische Kraftzentrum der Platte folgt gleich darauf mit den Stücken „Cthulu“, „Smoulder“ und „Neuromancer“, wie auch schon beim Vorgänger in der Tradition von PJ Harvey instrumentiert und vorgetragen, alles hier kratzt und beißt und kreischt ganz wunderbar, die Gibson-Hommage kommt noch dazu mit mächtigem, technoiden Gewummer daher. Die Texte dazu weiterhin in bewusster Zweideutigkeit, Menschen, Maschinen, Diesseits, Jenseits, Künstliche Intelligenz und gefährliche Willkür, EMA mischt all das zu einem Universum, dessen Grenzen, zumindest für die Dauer ihrer Songs, auf irritierende Weise verwischt scheinen. Gute Laune kann da natürlich nicht aufkommen, wenn man sich Gedanken darüber macht, ob alles, was wir in den letzten hundert Jahren zustandegebracht haben, wirklich so segensreich war („100 Years“), wenn einen nur noch das skandalversessene Promi-Spektakel von der eigenen Lebensleere abzulenken vermag („Dead Celebrity“). Ein in jeder Hinsicht anspruchsvolles, ambitioniertes, ein nachdenkliches Album über die Kollision zweier Welten und noch dazu eines, das rockt.
Der lesenswerte Blog zum Album: http://www.thefuturesvoid.net/blog/
21.05. Hamburg, Uebel und Gefährlich
22.05. Köln, Luxor
23.05. Berlin, Prince Charles
28.05. Zürich, Bogen
31.05. Mannheim, Maifeld Derby Festival