© Sony // Kruger (Sharlto Copley) jagt unerbitterlich nach Max (Matt Damon)
Es sind Zahlen, die für normal sterbliche Menschen unvorstellbar sind und bleiben. Dennoch galt es als Peanuts, als der südafrikanische Regisseur Neill Blomkamp 2009 mit gerade einmal 30 Millionen US Dollar den Science-Fiction Film „District 9“ hervorzauberte, basierend auf seinem eigenen Kurzfilm „Alive in Joburg“. Wie auch hier, wo eine ungerechte Zweiklassen-Gesellschaft angekreidet wurde, in der Aliens auf der Erde in verwahrlosten Ghettos leben mussten, findet sich auch in Blomkamps neuem und finanziell weitaus besser ausgestatteten „Elysium“ diese Gesellschaftskritik wieder. Und das ist nur einer der Gründe, weswegen sich sein Film so stark in einem Genre anfühlt, dass in den vergangenen Jahren immer wieder auf ein dystopisches Weltbild aus war.
Die Kulissen der Straßen von Los Angeles, wo der Film im Jahre 2154 spielt, scheinen direkt den Slums aus „District 9“ entnommen zu sein, nur dass hier die mittellosen Menschen leben, die sich einen Aufenthalt auf der über ihnen schwebenden Raumstation Elysium nur erträumen können. Wir folgen Max, erstaunlich hartkantig von Matt Damon gespielt, ein ehemaliger Autoschieber, nun im Ruhestand und ehrliche Arbeit in einer Waffenfertigungsfabrik verrichtend. Dort geschieht ihm jedoch ein Unfall, der ihn tödlichen radioaktiven Strahlen aussetzt und seine Lebensdauer auf fünf Tage minimiert. Sein Ziel ist klar. Er muss hoch nach Elysium, wo die Bewohner ewiges Leben erstreben, durch Med-Pods jede Krankheit oder körperliche Schwäche heilen können. Doch Verteidigungsministerin Delacourt, eine sinistere Jodie Foster, duldet keine illegalen Einwanderer auf Elysium, wo Reichtum, Sauberkeit, das schöne Leben gewahrt werden soll. Sie schickt ihren skrupellosen, psychopathisch anmutenden Henker Kruger (Sharlto Copley) los, um die vermeintliche Bedrohung für ihre Heimat aufzuhalten.
Matt Damon in “Elysium”
An „District 9“ reicht das zweite Langspielfilmprojekt Blomkamps zwar nicht heran, dennoch empfiehlt er sich als einer der besten Sci-Fi Regisseure seiner Zeit, sucht er doch den realen Bezug, der gar nicht so weit in der Zukunft liegen müsste. In „District 9“ noch waren es Abschiebung und Diskriminierung, hier nun ist es die Zweiklassengesellschaft, die Verwahrlosung der Erde und das muntere Treiben der ‘Großen’, die hier wortwörtlich von oben herab auf das mittellose Volk hinab blicken. Es sind die Politiker in Elysium die über das Leben urteilen und bestimmen, das sich unter ihnen abspielt, während sie mit vornehmen Dinner-Partys beschäftigt sind. Im Los Angeles der Zukunft hat sich spanisch als Zweitsprache verbreitet, ein real wirkendes Indiz auf Einwanderungsprobleme an der mexikanischen Grenze der Vereinigten Staaten. Bezeichnenderweise wurde in Iztapalapa, einem ärmlichen Stadtteil außerhalb von Mexico City gedreht. Auf Elysium (Drehort: Vancouver, Kanada) hat sich derweil die wohl klingende französische Sprache etabliert, ausgerechnet die Sprache also, die so viel Stolz und Ignoranz zugleich ausstrahlt.
Nebst Matt Damon und Jodie Foster, dem harten Arbeiter der nach einem gerechten Leben strebt und der eiskalten Politikerin, die sich die Kontrolle über Elysium erträumt, macht sich „District 9“-Hauptdarsteller und Neill Blomkamps engster Mitarbeiter Sharlto Copley zum Most Valuable Player dieses Spektakels. Als bärtiger Hüne, der mit etwas Witz, aber noch mehr Brutalität seine Beute jagt, erinnert er gar nicht mehr an den gutmütigen Wikus, der sich in „District 9“ für die Rechte der Außerirdischen einsetzte. Hier geht er ohne zu zögern seiner Mission nach, schießt ohne zu fragen, schlägt Frauen, hat einen Hang zu durchgedrehten Taten. Man kann diesen Mann nicht unter Kontrolle halten, er wird zum Amokläufer auf der Erde wie auch auf Elysium, macht sich zur weitaus größeren Bedrohung als Delacourt, die zumindest berechnend ihren Plan verfolgt. Sie will die illegalen Einwanderer außerhalb der Raumstation halten und selbst als Präsidentin die Kontrolle über Elysium erlangen. Kruger aber handelt nach Rachemotiven, mit der Lust zur Jagd und einer unnachgiebigen Vergeltungssucht. Blomkamp, auch für das Drehbuch verantwortlich, hat hier seinem Stammdarsteller einen erinnerungswürdigen Bösewicht auf den Leib geschrieben.
Jodie Foster in “Elysium”
Eine weitere Ähnlichkeit mit Blomkamps Erstlingswerk ist im Look zu finden, offenbar im selben Universum wie „District 9“ angesiedelt. Die futuristisch heruntergekommenen Landschaften, aber auch das sterile Utopia Elysium wurden von Philip Ivey erschaffen, nachdem dieser lange Zeit ältere Science-Fiction Filme studiert hat. Syd Mead soll laut Aussage von Ivey als größte Inspiration gedient haben. Er erschuf die Welten von „Blade Runner“, „Alien“ oder „Tron“. Mit diesem Mix wurde hier eine Gegenüberstellung von Dystopie (Erde) und Utopie (Elysium) geschaffen, die im Verlauf des Films jedoch als oberflächliche Betrachtungsweisen abgetan werden. Denn sowohl die Erde als auch Elysium haben gemein, dass sie nur aus der Ferne wirklich schön aussehen, befindet man sich aber auf dem Planeten oder auf der Raumstation, so bleiben die Probleme doch dieselben.
Es ist bezeichnend dass Blomkamp mit 30 Millionen US Dollar und kreativer Freiheit einen Film wie „District 9“ erschaffen konnte, nun mit „Elysium“ fast das Vierfache Budget zur Verfügung stand und doch nicht die Qualität des Vorgängers erreicht werden konnte. Ob nun aber mit Hollywoodstudio im Nacken oder ohne, Blomkamp holt den Science-Fiction bedrohlich nahe an die Realität, nutzt das Genre zur Vorführung von existenten Problemen, die eben nicht nur eine pure Zukunftsvision darstellen. Gerade das macht in diesem Fall seinen Film so spannend anzusehen.
“Elysium“
Originaltitel: Elysium
Altersfreigabe: ab 16 Jahren
Produktionsland, Jahr: USA, 2013
Länge: ca. 109 Minuten
Regie: Neill Blomkamp
Darsteller: Matt Damon, Jodie Foster, Sharlto Copley, Alice Braga, Diego Luna, William Fichtner
Deutschlandstart: 15. August 2013
Im Netz: elysium-film.de