ELGA - Datenmissbrauch oder Patientenschutz

Erstellt am 18. März 2014 von Groschenreiter
Seit Anfang dieses Jahres gibt es in Österreich ELGA - die elektronische Gesundheitsakte und obwohl der eigentliche Betrieb erst im Herbst diesen Jahres aufgenommen wird, herrscht Kriegszustand zwischen den Befürwortern und Kritikern des Patienteninformationssystems. Es sind Fragen zur Datensicherheit und zur generellen Sinnhaftigkeit des Systems, die aktuell so heiß diskutiert werden. In diesem Artikel möchte ich versuchen, ein wenig Übersicht in das Thema zu bekommen. 

Was ist ELGA?


Beginnen wir am Anfang und klären einmal was diese elektronische Gesundheitsakte eigentlich ist und wozu sie dienen soll. 
ELGA ist im Wesentlichen ein Informationssystem, das berechtigten Gesundheitsanbietern wie Ärzte, Spitäler, Pflegeeinrichtungen und Apotheken den Zugang zu Gesundheitsdaten der Patienten erleichtern soll. Dazu gehören unter anderem sogenannte "e-Befunde" und "e-Medikamente", wobei beide Funktionen frühestens erst im Herbst zur Verfügung stehen und damit verwendbar sind. 
In der elektronischen Gesundheitsakte sollen alle Patientendaten, die auf verschiedenen medizinischen Einrichtungen verteilt sind, zusammengeführt und vernetzt werden. Oder anders formuliert - Befunde, Krankenakten und Rezepte, die ohnehin bereits vorhanden sind, werden in ELGA zusammengefasst und dargestellt. 

Welche Vorteile?


Mit ELGA hat ein Arzt die Möglichkeit sich rasch und effizient ein Bild über die bisherige Krankengeschichte inklusive bereits gestellter Befunde und verordneter Medikamente, eines Patienten zu machen. Dadurch soll eine noch bessere medizinische Versorgung geboten werden. 
Als konkrete Beispiele wird an dieser Stelle das Unterbinden von unnötigen Mehrfachuntersuchungen und die damit verbundenen Belastungen, Warte- und Wegzeiten genannt, oder auch die Vermeidung von gefährlichen Wechselwirkungen von mehreren gleichzeitig verordneten Medikamenten. 
Mein Einwand: 
Der österreichische Hausärzteverband stellte in einer Befragung seiner Mitglieder fest, daß rund 65% der Ärzte nur "bis zu 10 Minuten" Zeit haben für jeden Ihrer Patienten. Nun frage ich mich, wie ein Arzt in dieser Zeit auch noch die gesamte elektronische Gesundheitsakte sichten soll und auf wie viele Minuten sich die eigentliche Untersuchung dann reduziert. 
Ähnlich verhält es sich in den Ambulanzen der Krankenhäusern, da der Zeitdruck unter den die dortigen Ärzte stehen, zumindest ähnlich hoch ist. 
Weiters sollte man betreffend der Wechselwirkungen erwähnen, daß das dafür eingerichtete Warnsystem bereits in der Pilotphase von ELGA wieder eliminiert wurde, weil es zu sensibel eingestellt war und somit keine Unterstützung für Ärzte oder Apotheker darstellte. 

Welche Nachteile?


Als einer der prominentesten und schärfsten Kritiker der elektronischen Gesundheitsakte hat sich in den letzten Monaten die Österreichische Ärztekammer hervorgetan. Besonders kritisiert wird die mangelnde Sicherheit der Patientendaten, die hohen Kosten und der komplizierte Ausstieg aus dem System für Patienten ( Opt out Variante) 
Mein Einwand
Im Zusammenhang mit der Sicherheit von Patientendaten möchte ich das Interview von Futurezone mit ITSV Gmbh, der als IT-Dienstleister der österreichischen Sozialversicherung zuständig für den Datenschutz ist., erwähnen. 
Sofern ich es als IT-Laie richtig verstanden habe, wird jedem Patienten ein sogenannter "Zentraler Patientenindex" zugeordnet. Das passiert, weil jeder Patient in den verschiedenen medizinischen Einrichtungen unterschiedlich erfasst wird, zum Beispiel unter Max Mustermann, M.Mustermann oder Mustermann Max. 
Die Gesundheitsdaten werden durch Eingabe des "Zentralen Patientenindex" aufgerufen, verbleiben aber am eigentlichen Speicherort. Damit ist ELGA vereinfacht gesagt nur eine verdammt lange Liste von verschiedenen "Zentralen Patientenindizes" 
Womit die Sicherheit der Patientendaten nach meinem Verständnis nur zu einem kleinen Teil bei ELGA liegt, sonder viel eher bei den medizinischen Einrichtungen und Gesundheitsanbietern, die diese Daten speichern bzw. aufrufen. 
So gesehen ist die Aufregung der Österreichische Ärztekammer durchaus verständlich, denn laut ELGA-Geschäftsführerin Susanne Herbek ist nämlich der datenschutzrechtliche Auftraggeber , also der Befundersteller und somit der Arzt für die Einhaltung der Datensicherheitsmaßnahmen nach §14 Datenschutzgesetz verantwortlich. 

Komplizierte ELGA - Abmeldung


Aufgrund der in den letzten Monaten heiß geführten Diskussionen sind viele Österreicher stark verunsichert und nutzen seit Anfang dieses Jahres die Möglichkeit zur Abmeldung aus dem Patienteninformationssystem. Mit Ende Februar meldeten sich bereits rund 140.000 BürgerInnen ab. 
Auch die Systemabmeldung (Opt out) wird heftig kritisiert, da sie laut der ELGA - Gegner viel zu kompliziert sei. Meines Erachtens wird dabei ein wenig übertrieben. Es gibt einerseits die Möglichkeit der elektronischen Abmeldung, wofür es auf Mytoday eine wunderbare Anleitung gibt. Andererseits wird auch die herkömmliche Abmeldung per Formular und auf dem Postweg angeboten. Ich habe mir beide Varianten angesehen und dabei keine großen Schwierigkeiten entdecken können. 

Fazit

ELGA ist ein Thema, das von Politikern, Medizinern und Datenschutzexperten bereits seit Monaten heftig diskutiert wird. Und daher maße ich mir als kleiner Bürger nicht an, die gesamte Thematik völlig zu überschauen und zu verstehen. Doch kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, daß hier schon lange nicht mehr um das Wohl des Patienten geht. 
Die elektronische Gesundheitsakte ist ein Prestigeprojekt des Gesundheitsministeriums, an dessen Sinnhaftigkeit durchaus gezweifelt werden darf. Immerhin sind die genannten Vorteile in der täglichen Praxis (im wahrsten Sinn des Wortes) nur eingeschränkt spürbar. Doch um einen schmerzhaften Gesichtsverlust zu vermeiden, muss das Projekt nun Wohl oder Übel weiter durchgezogen werden. 
Die Kritiker, allen voran die Ärzteschaft, geben vor sich besonders um die Sicherheit der Patientendaten zu sorgen. Doch vermute ich vielmehr, daß hier die Ärztekammer die Verantwortung für die Datensicherheit und die daraus resultierenden Investitionen an Zeit und Geld von Ihren Mitgliedern verständlicherweise abwenden möchte. 
Zwischen diesen beiden Stühlen sitzt der verunsicherte Bürger und Patient, der nicht weiß, was er nun tun soll. 
Ich für meinen Teil bleibe bei ELGA. Nicht etwa weil ich so wahnsinnig begeistert davon bin, sondern weil ich glaube, daß eine Abmeldung an der Abrufbarkeit und Verfügbarkeit meiner Gesundheitsdaten für staatliche und staatsnahe Einrichtungen nichts ändern würde. Wir alle sind bereits gläserne Menschen, unabhängig davon ob wir uns irgendwo an- oder abmelden.