Bert Papenfuß, Elf Strahlen des Werdens und Verderbens der sogenannten Hansestadt Greifswald, aus den kubo-futuristischen Tafeln des Schicksals destilliert*
1394 läßt sich Greifswald zur Beteiligung am Feldzug gegen die Vitalienbrüder hinreißen. 317 Jahre später wird die Stadt 1711 im Verlaufe des Nordischen Krieges von Dänen, Russen, Polen und sogar Sachsen besetzt. Weitere 317 Jahre später, im Jahre 2028 wird das post-wendische Hansekaff von interbaltischen Piraten überfallen, eingenommen, kolonisiert und mit Geduld und Spucke der Likedeelerei unterworfen.
1254 erfolgt aus geschichtlichen Gründen die Stiftung des Dominikanerklosters im nordwestlichen Altstadtbereich. 413 – 2 Jahre später beginnt der Abbruch der Klostergebäude in Eldena. Demzufolge werden weitere 413 Jahre später, nämlich 2078 die pseudo-anarcho-kommunistischen Administrationsreste hinweggefegt und die Verwaltung eingestellt.
1264 erfolgt die Vereinigung der Alt- und Neustadt unter einem Rat und mit einem Markt. 413 + 1 Jahr später, im Jahre 1678 erduldet Greifswald Belagerung und Beschuß durch den Großen Kurfürsten und gedungene Brandenburger. Mit der nächsten Welle erfolgt 2091 die Einstellung des intergalaktischen Jihads, der nach zähen Verhandlungen einen allzu jähen Friedensschluß nach sich zieht.
1173 macht der nivellierende Hobel der Christianisierung in Form dänischer Zisterziensermönche das Saisonpiratendorf an den Salzquellen des Rosenthals dem Erdboden gleich. Konsequenterweise wird 317 Jahre später, also 1490 der Eldenaer Abt Gregorius von Groper wegen Ausschweifung und Schatzvergeudung abgesetzt. Mit der nächsten Welle wird Greifswald 1807 von französischen Truppen besetzt. Weitere 317 Jahre später, im Jahre 2124 löst eine Invasion außerirdischer mikrobionischer Invasoren eine etwas andere Epidemie aus, die zwar nahezu die Population dahinrafft, aber von der Reserve erfolgreich niedergerungen wird.
1322 erfolgt die Gründung des St.Georg-Hospitals. Infolgedessen beschädigt 413 + 1 Jahr später 1736 eine Feuersbrunst das Rathaus schwer und vernichtet 28 Häuser im Stadtzentrum. Die nächste Welle führt 2149 zur Aufnahme erneuter Friedensverhandlungen mit den intergalaktischen mikrobionischen Horden.
932 belagern schiffbrüchige Svea den Unort im Rosenthal und werden wegen schlechten Wetters reingelassen, was gravierende Spuren im Erbkörper hinterläßt. 413 Jahre später erfolgt die Grundsteinlegung des Rathauses. Die nächste Welle führt 1758 zur Explosion eines Pulvermagazines im Kuhstraßentor. Dies zieht 2171 die Errichtung eines regenerativen Pfahlbautenkomplexes im Großraum Vorpommern nach sich.
1250 erfolgt die Verleihung des zweifelhaften Lübischen Rechts an Greifswald. 317 – 1 Jahr später gelangt 1566 das inzwischen aufgegebene Dominikanerkloster in den Besitz der Universität, die ihre Tätigkeit jetzt auch noch auf diese Gebäude ausdehnt. Mit dem nächsten Schwappen beginnt 1883 nach Fertigstellung der Universitätsbibliothek die Errichtung des Auditorium maximum, und führt folgerichtig 317 Jahre später, im Jahre 2200 zum Einsturz des Pfahlbautenkomplexes Salina.
1254 wird der Greifswalder Hafen vom Gellen und Ruden bis zur Stadt zum Freihafen erklärt, das führt 317 + 1 Jahr später, im Jahre 1572 zum Zusammenbruch des Bankhauses Loitz und Greifswalds gänzlichem Verschwinden vom hansischen Parkett. Zwei Jahre zu früh wird dann 1887 die Wiecker Klappbrücke errichtet, was allerdings bewirkt, daß 2204 die Besiedelung des Trümmerhaufens Vorpommern vorübergehend eingestellt wird, teils wegen Baufälligkeit, teils aber auch wegen des Anblicks.
1309 erhält Greifswald die Handelsfreiheit in Jütland, woraufhin ein Jahr verschleppt 1627 die Verarmung und Verödung der Stadt desto mächtiger einsetzt. In ausgleichender Gerechtigkeit bleibt Greifswald weitere 317 Jahre später, also 1944, weitgehend von Bombenangriffen verschont. Im Zuge dieser positiven Entwicklung obsiegt 2261 ein Großhirngeschwader der baltischen Anrainer der künstlichen Intelligenz, und die übrigen Fischköppe beginnen zaghaft, wieder selbst zu denken.
1064 schleifen Lutizen und Söldner aus Zirpanien den Wall um Uena im nachmaligen Rosenthal und besetzen den Flecken. 413 Jahres später erfolgt 1459 die Stiftung der Universitätsbibliothek durch Hinrich Rubenow, der mancher Ämter waltet und blutig dafür bezahlt. Die nächste Welle ist eine sogenannte „Neunte Woge“ und fordert 413 Jahre später, im Jahre 1872 als Sturmflut zahlreiche Opfer und verursacht Schäden an Gebäuden und Verkehrswegen. Im Gegenzug halten dafür 2285 die Dämmwerke dem Eise stand.
1138 entsenden Ranen, Pomoranen und Ukranen ihre Helfer zu einem Kongreß über die lindernde Wirkung des Salzes nach Uena. 413 Jahre später gründet Franciscus Joel, Herzoglicher Leibarzt in Wolgast, 1551 die Ratsapotheke zu Greifswald, woraufhin 1964 die Militärmedizinische Sektion der NVA in die Ernst-Moritz-Arndt-Universität eingegliedert wird, was 2377 zum endgültigen Triumph über Krankheit und Tod führt, was wiederum, wie sich herausstellt, nicht jedermanns Sache ist.
*) Dieser Text kursierte als Flugblatt bei alternativen Veranstaltungen zur 750-Jahr-Feier Greifswalds im Jahr 2000.
Aus: Pommersches Jahrbuch für Literatur 1. Greifswald: Wiecker Bote 2003, S. 62-64