Lange zögere ich ob der Auswahl des Adjektivs. Andere, weitere Adjektive, vielleicht sogar bessere (wie “dreimalverfluchte” oder “verdammte”), so sie nur richtig-schön negativ besetzt sind, könnten eine bestimmte Wahrnehmung ebenfalls beschreiben.
Man stelle sich also vor: Lebende Musik dringt aus einem Orchestergraben. Schöner noch, als das innere Ohr sie zu hören verlangt. Fröhlich, traurig, langsam, schnell, emotional, berührend, beeindruckend … ~ … und dann – irgendwann – ist Pause.
“Normalerweise” kann jede Pause zum schönen Moment geraten. Zeit zum Atemholen, retrospektiv. Man lässt es in sich rinnen … ~
~… bis zum Blitz aus heiterem Himmel.
“Was meinst du, Lena, ob uns dein Mann ein Sektchen besorgt?”
Das neues Gefühl ist diametral entgegengesetzt. Die Wut des Mannes, von “unten” kommend, nur schwer zu bändigen. Momente, in denen klar wird, dass die Entourage nicht wegen Musik in ein Konzerthaus zieht.
Frau will sich zeigen. Alles drumherhum – der Dirigent, die Geräusche, das Orchester, kurz: das allgemeine Tohuwabohu – sind nebensächlich. Frau will unterhalten werden, und zwar mit Sektchen in der Hand. Frau will ablästern. Und sind sie zu dritt, sind sie schwer zu bändigen. Zu viert - und … -
Jedenfalls:
”Siehste die-da? Wie alt wird die wohl sein?”
Oder:
“Gucke-ma, was die anhat! – Also das geht doch gar nicht!”
Abgesehen davon muss einen Mann eine nicht an ihn gerichtete Frage in Bezug auf dessen Verfügbarkeit geradezu rasend machen - ob uns dein Mann ein Sektchen besorgt? – FRECHHEIT!
Gleichwohl kann ich SIE nicht blamieren. Sie ist meine Frau. Also füge ich mich ihrzuliebe. Dränge zum und ins Volk, rede mir die Situation schön:
Was für ein Glück, dass Russinen nicht auch noch Bockwurscht haben wollen! Oder Schnittchen. Buterbrodiki …
Der hohe Preis für Weiblichkeit ist alberne Männlichkeit, notiere ich in meine Wiedervorlage und werde dennoch zum Hahn, der sich – statt schön zu genießen, statt schön nachzubereiten, statt schön zu entspannten, schön zu emotionalisieren – unters einfache Volk in die stinkende Schlange wercht, nur um eine lauwarme Plerre zu ordern, halbtrocken und völlig überteuert. Ein Hahn, der schließlich mit drei “Sektchen” in Hand wie blöde dasteht, derweil sich die zugehörigen Damen vor einem Klospiegel drängen.
Wenn es also nicht zu offensichtlich wäre, und es sich verkaufen ließe, könnte die eigentliche Veranstaltung “Pause nach dem 2. Akt” heißen.
Mit sieben Damen aus der Sowjetunion in der Oper lernt Mann die Pausen hassen.
~
Jedenfalls waren wir beide gestern – zu zweit – am Schlachtensee im Grunewald. Bei herrlichem Wetter und völliger Harmonie total entspannt. Der Hund ging baden, ich probierte die Panoramafunktion des iPhones …
… und Lenchen bewunderte wieder einmal die Sauberkeit der Deutschländer, deren Toleranz.
Wo gibt es das sonst? – Reiter (mit richtigen Pferden!), Radfahrer, Amateurjogger, “normale” Spaziergänger, freilaufende Hunde, Menschen auf Decken sitzend und herrrliches Wetter friedlich vereint. Bis wir zufällig nach dem schönen Akt an einen Imbiss gerieten und sie, WIE EIN BLITZ AUS HEITEREM HIMMEL, sagte:
“Hier ist es aber schön, hier können wir eine Pause machen, hier sollten wir Kaffee trinken!”
Wir waren nur zu zweit, so konnte ich mich durchsetzen.
~
Es sind zwei Geschichten, die nichts – aber auch gar nichts! – miteinander zu tun haben.
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