"Elegy oder die Kunst zu lieben" / "Elegy" [USA 2008]

Erstellt am 23. November 2012 von Timo K.

Eine weitgehend kitschreduzierte, in elegischen Molltönen ebenso wie in dekorativen Trauerfarben eingehüllte Leinwandadaption eines sterbenden Tieres auf der unablässigen Suche nach neuer Beute, um wenigstens für den Augenblick zu überleben. Regisseurin Isabel Coixet entzieht sich der ausschweifenden Roth-Didaktik, indem sie prägnant all jene Beschreibungen selbstverliebt dokumentierter Sex-Praktiken aufs Wesentliche minimiert. Ein Satz aus der Vorlage könnte auch in deren Film ein Leitmotiv sein. Der klügste Beziehungsbeobachter aller amerikanischen Romanciers fasst die (Gefängnis-)Ehe als "bestenfalls verlässliches Stimulans für die Erregungen, die heimliche Seitensprünge bereithält", zusammen.
Sonst fliegt "Elegy" (wenn auch stückweise etwas vollbepackt) über anderweitige Roth-Motive ausgesprochen introvertiert, intim, ohne zuweilen in den Roth-Plauderton zu verfallen: der Erforschung der schönheitsgetragenen fleischlichen Hülle und ihrer Vergänglichkeit bei erzwungener Zerstörung derselben, der desillusionierenden Selbstverwirklichung, den Vater-Sohn-Differenzen, dem körperlichen Niedergang beim Alterungsprozess und seinem letzten Rettungsanker, der libidinösen Obsession für eine viel jüngere Frau, der damit unmittelbar verkitteten Unsittlich- und gar Peinlichkeit in der vorurteilsverkrusteten Öffentlichkeit.
Bei Coixet sprechen die Figuren zwar Pointiertes, Provozierendes und Gehaltvolles, aber es treten auch unzählige Momente schweigsamer Unaussprechlichkeit zutage, wo nichts gesagt, viel gemeint wird.  Ein Film, der mit dem sinnlichen Anschmiegen seines eifersüchtigen Casanovas und dem Räkeln seiner Dirnen kokettiert, den Bildern als solches allerdings jede Sinnlichkeit, jede Poesie konsequent austreibt, da Jean-Claude Larrieu leidenschaftslose, verwackelte Halbtotalen verwendet, die bedingt haften bleiben, unruhige Bilder damit entwickelt, die – nochmals – bedingt haften bleiben, und "Elegy" nicht derartig ergreifend verpackt, wie es der Film beim Zuschauer gern erreicht hätte.
Andererseits zeichnet sich Coixet mit schnörkelloser Schauspielführung aus, zerfurchte, tragische Gesichter, grandios besetzt. Ben Kingsley – prinzipientreu und doch der Kraft des Körpers erlegen. Penélope Cruz – elegant und doch diskret, dieser Frau möchte man jederzeit erliegen. Dennis Hopper – borstig und doch liebend, geradezu kongruent nimmt das Drehbuch sein Schicksal vorweg. Dass Coixets Film nicht zur senilen Altherrenfantasie mutiert ist, ist ihr hochanzurechnen. Dass sie die existenzielle Lebensessenz aus dem Roman nicht komplett auszuschöpfen imstande war, liegt weniger an ihr, als vielmehr an so mancher Unverfilmbarkeit des Schriftsellers Werk.   
6 | 10