Einzelhandel: Mindestlohn bei Lidl, Dumpinglohn bei Edeka

Beschäftigte im deutschen Einzelhandel gelten nicht gerade als Gutverdiener. Der Discounter Lidl zahlt nun seit 1. August einen Mindestlohn von 11 Euro pro Stunde. Angesichts der aktuellen Debatte um einen bundesweiten Mindestlohn von 8,50 Euro klingt das gar nicht so schlecht. Doch: Der Tariflohn für den deutschen Handel beträgt 12,24 Euro pro Stunde.

Im Einzelhandel gibt es angesichts der großen Konkurrenz und der hohen Filialdichte nur geringe Gewinnmargen für die Händler. Gespart wird, wo es geht – und das nicht selten bei den Lohnkosten. Fälle, in denen Verkäuferinnen mit mickrigen Stundenlöhnen abgespeist werden, häufen sich. Waren früher eher Aldi, Lidl und Schlecker in den Schlagzeilen, so betrifft dies inzwischen auch jene Ketten, die eigentlich ein gutes Image haben.

Im Visier der Gewerkschaft

Jüngst kam die Dienstleistergewerkschaft ver.di einem Unternehmer von Edeka in Hamburg auf die Schliche, der seinen Verkäuferinnen im fünften Berufsjahr nur 6,50 Euro in der Stunde zahlt. Denn seit einigen Jahren verkauft der genossenschaftlich organisierte Edeka-Konzern seine Filialen verstärkt an einzelne Unternehmer, welche zwar im Edeka-Verbund bleiben, aber ansonsten völlig selbstständig wirtschaften. Nach der Beobachtung von ver.di heißt das für die Mitarbeiter nicht selten, dass sie dann weniger Rechte und weniger Geld erhalten. So sind dann Tarifverträge – an welche Edeka selbst gebunden ist - plötzlich kein Thema, und von Gewerkschaften und Betriebsräte ist dann auch keine Rede mehr.

Hier offenbart sich für die Arbeitnehmer der Nachteil des deutschen Tarifsystems. Während beispielsweise in Österreich Kollektivverträge für ganze Sparten einheitlich ausgearbeitet werden, an den dann auch alle Unternehmen gebunden sind, existiert in der Bundesrepublik ein Wirrwarr an Tarifverträgen:

In Westdeutschland arbeiteten im Jahr 2010 rund 56 Prozent der Beschäftigten in einem Betrieb, der einem Branchentarifvertrag unterlag, in Ostdeutschland waren es rund 37 Prozent. Firmentarifverträge galten 2010 für 7 Prozent der westdeutschen und 13 Prozent der ostdeutschen Beschäftigten. In Betrieben, die an keinen Tarifvertrag gebunden sind, arbeiteten damals rund 37 Prozent der westdeutschen und ganze 51 Prozent der ostdeutschen Beschäftigten. Für rund die Hälfte der tarifvertraglich Ungebundenen orientieren sich die Unternehmen nach ihren eigenen Angaben in der Entlohnung jedoch an den geltenden Tarifverträgen.

Lidl bietet Mindestlohn von 11 Euro pro Stunde

Der früher schon wegen unschöner Praktiken in die Schlagzeilen geratene Discounter Lidl versucht sich selbst als gut zahlender Arbeitgeber positiv darzustellen. Ganze 11 Euro pro Stunde beträgt der firmeninterne Mindestlohn seit gestern. Der eigentliche Tariflohn im Handel (den z.B. auch Edeka selbst zahlt) beträgt hingegen 12,24 Euro pro Stunde. Ein Unternehmenssprecher sagte dazu: "Lidl Deutschland möchte ein deutliches Signal für den Mindestlohn setzen. Es ist nach unserer Auffassung wichtig, dass für gute Arbeit ein fairer Lohn gezahlt wird – und dieses Prinzip sollte für die gesamte Branche gelten, um allen Beschäftigten im Handel Zukunft zu sichern und Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern".

Doch wenn dem so wäre, würde sich der Konzern für einen Branchentarifvertrag einsetzen, der – wie in Österreich – grundsätzlich im ganzen Bundesgebiet und ohne Ausnahmen gilt. Damit könnte der Handel eine Vorreiterrolle in Deutschland übernehmen. Ein Beispiel, wie die kollektivvertragliche Gehaltstabelle für den Handel in Österreich aussieht, finden Sie hier als PDF-Datei.

Österreichische Lösung gegen Lohndumping?

Angesichts der Masse an Beschäftigten in Deutschland die in Betrieben ohne Tarifvertrag arbeiten, stellt sich die Frage, ob nicht vielleicht Kollektivverträge wie in Österreich sinnvoller wären. Dann wären solche Zustände wie beim obigen Beispiel vom Edeka-Kaufmann gar nicht mehr möglich. Auch die Mindestlohndebatte wäre dann zumindest in manchen Branchen vom Tisch.

In Österreich gilt beispielsweise der "Kollektivvertrag für die Handelsangestellten" für ausnahmslos alle Angestellten im Einzelhandel vom Bodensee bis zum Neusiedler See. Kein einzelner Arbeitgeber in Österreich darf weniger bezahlen als dort angegeben. Handelsketten wie Hofer (Aldi) und Lidl zahlen zwar deutlich "über kollektiv", verlangen dafür jedoch auch mehr Einsatz von ihren Angestellten. Dennoch ist es so, dass es durch diese bundesweite Vereinheitlichung zu keinem Wettbewerb auf Kosten der Mitarbeitergehälter kommt, wie es offentlichtlich in Deutschland partiell der Fall ist.


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