Ungebändigte Kreativität, neun Stunden Spaß am Tag, ein Haufen verrückter Arbeitskollegen, Gamepads, schnelle Rechner und die neueste Technik füllen das Büro. Zwischendurch um die Welt jetten, um brandheiße Infos zum aktuellen Game zu präsentieren und sich von begeisterten Spielern feiern lassen, währenddessen noch schnell ein paar Interviews geben und es sich dann in der Business-Lounge gemütlich machen. Das Langzeit-Hobby endlich zum Beruf machen und damit auch noch Geld verdienen – in dieser, oder einer ähnlichen Form, glühen die Gedanken in den Köpfen Vieler, wenn sie sich vorstellen, in der Videospielbranche arbeiten zu dürfen.
Die Realität mag von diesem Traum-Szenario in mancherlei Hinsicht nicht immer weit entfernt sein. Doch nicht jedes Entwicklerstudio darf sich für einen springenden und schwimmenden Geralt im neuen Witcher 3 bejohlen lassen und das mit Spannung erwartete Fallout 4 über die Präsentationsleinwände flimmern lassen, während Fans den Atem anhalten. Die scheinbar vom Trubel entfernte Zeit in den Business-Areas verbringt man zwar durchaus auch mal sitzend, doch hier geht es um eine ganz andere Art von Präsentation. Und auch im Büro wird der Tag beinahe regelmäßig zur Nacht, während man über neuen Ideen, der bloßen technischen Umsetzung des nächsten Schrittes und den Finanzen brütet.
Doch wie sieht es nun wirklich aus, in der Welt der Videospiele? Ist die Arbeit in der Branche ein realistisches Berufsziel und vor allem, wie gelingt mir der Einstieg? Wie kann der Alltag innerhalb eines Studios aussehen?
Dass es nicht nur einen Weg zum Traumjob gibt und dass das Berufsfeld in welches man eintaucht, facettenreicher sein kann, als man vielleicht erwartet, sind nur zwei von vielen interessanten Aspekten, die ich während eines Interviews mit dem […….] des jungen deutschen Entwicklerstudios Since Idea Games aus Hamburg kennen lernen durfte. Since Idea Games? Wir haben schon einmal über das Erstlingswerk des Studios berichtet, den Artikel zum Survival-Horror-Game Ad Exitum findet ihr hier.
Der Weg, den die Mitarbeiter von Since Idea Games genommen haben, ist natürlich nur eines von zahlreichen Beispielen, wie der berufliche Werdegang und die Arbeit in der Videospielbranche aussehen können. Doch wie hat für die Hamburger alles angefangen?
Steven Jung und einige seiner Mitarbeiter beschreiten den klassischen Weg: Ein Studium in den jeweiligen Interessenbereichen. Beim SAE Institute (in Großstädten in ganz Deutschland präsent) in Hamburg startet 2013 alles schon drei bis vier Wochen nach Semesterbeginn mit einem typischen Studienprojekt. Neulinge und Kommilitonen, die bereits Erfahrung aus höheren Semestern mitbringen, finden sich zu einem Team zusammen – doch anstelle die geforderten Aufgaben im üblichen Rahmen zu bewältigen, ist allen Beteiligten klar, dass sie sich möglichst vom Rest der Studenten abheben und einfach mehr wollen. An dieser Stelle sei eingeworfen, dass auch die größte Motivation nicht immer zu hundert Prozent aufgehen muss, denn auch für die späteren Since Idea Games-Member gab es ein Projekt, bei welchem sie sich mit noch höheren Zielen übernommen und schließlich nicht leisten konnten, was sie sich vorgenommen hatten. Dennoch sei dies eine wichtige Phase gewesen, in der man sich, das Team und die eigenen Fähigkeiten einzuschätzen lernt und daher umso wichtiger, so mein Interviewpartner.
Laut Steven Jung ebenfalls nicht selbstverständlich: Das Team versteht sich sofort und möchte weiterhin zusammen arbeiten, anstelle nach dem ersten Projekt auseinander zu gehen. Es werden stattdessen neue Kommilitonen angesprochen die sich ebenfalls hervorgetan haben und bereits versucht, ein möglichst breites Spektrum an erforderlichen Gebieten (3D- und 2D Artists, Animation, Programming,…) abzudecken – eine spätere Zusammenarbeit nach dem Studium wird schon zu dieser Zeit geplant.
Ein üblicher Weg? Lediglich zwei der Studententeams seien am Ende dieses Studienkreislaufes als Firmen im Bereich Gaming von der SAE abgegangen, so Steven Jung. Besonders wichtig sei es, sich hervorzutun und schon zu Beginn des Studiums hart an den eigenen Fähigkeiten und Konzepten zu arbeiten. „Networking“ ist hierbei ein weiterer Begriff, der einem immer wieder in der Gamingbranche begegnet. Es geht um Connections; darum, die richtigen Leute zu kennen und sie zur richtigen Zeit zusammenzubringen.
Und so treffen sich auch die späteren Kollegen von Since Idea Games während ihres Studiums jeden Montag, um gemeinsam Projektideen zu besprechen und über die zukünftige Firmenplanung zu sprechen – und bereits an dieser Stelle wird klar, dass es um weitaus mehr geht, als um bloßes Gamedesign und einen atmosphärischen Soundtrack. Themen wie PR, Finanzen, die wirtschaftliche und repräsentative Zusammenarbeit als Team und die Rollen der einzelnen Mitglieder werden zum Fundament der späteren Firma.
Wie sieht ein alternativer Weg aus? Natürlich erwartet niemand, dass man gleich nach Studienbeginn eine eigene Firma gründet, um Fuß in der Videospielindustrie zu fassen. Je nach den eigenen Fähigkeiten und Spezialisierungen ausgerichtet ist es üblich, sich bei bestehenden Firmen zu bewerben und als Angestellter zu arbeiten; in der Regel mit festem Einkommen und durchschnittlichen Arbeitszeiten (Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel).
Wie sieht es im Oktober 2014 am Ende des Studiums bei Since Idea Games aus? Ein mittlerweile dreizehnköpfiges Team hat sich zusammengetan und arbeitet zunächst von zu Hause aus an der gemeinsamen Karriere – denn bevor nicht alle Grundsteine gelegt sind, kann keine Firma gegründet werden. Fast ein Jahr hat es gedauert, bis man vom eigenen Ersparten ein Büro mieten, Arbeitsmaterialien zusammentragen und schließlich im Juni 2015 die Firma „Since Idea Games“ gründen konnte. Und man darf nicht vergessen: Zu diesem Zeitpunkt verdient noch keines der Teammitglieder sein Geld mit dem Erstellen von Videospielen.
Doch muss man „Gaming“ studiert haben, um in diesem Bereich arbeiten zu können? Nicht zwingend, denn Quereinsteiger seien in der Branche stets willkommen, so Steven Jung. So erweitert sich Since Idea Games im Bereich Visual Effects um einen Mitarbeiter, der eigentlich aus dem Handwerk kommt und sich seine Fähigkeiten im grafischen Bereich selbst angeeignet hat. Unterstützung erhält das Team außerdem von einer Informatik-Mastern, die gerade an ihrem Mathematikdoktor arbeitet und bei größeren Coding-Problemen beratend zur Seite steht.
Nicht Titel und Abschlüsse zählten hier, sondern die eigenen Fähigkeiten und der Willen, hart für den eigenen Traum zu arbeiten; das ist der prägende Eindruck, den mir das Gespräch mit Steven vermittelt. Motivierende Worte, die die eigenen Vorstellungen nicht als „unmöglich umzusetzen“ erscheinen lassen und die umso faszinierender erscheinen, wenn man sie mit den aktuellen Möglichkeiten der medialen Welt vergleicht: So ist YouTube heute keine reine Uploadplattform für kurze Spaßvideos mehr, sondern ein ganzer Berufszweig – wenn man denn den Mut, die Hingabe und den Durchhaltewillen für eine selbstorganisierte Tätigkeit mitbringt.
Heute besteht Since Idea Games aus achtzehn Mitarbeitern im Altersumfang von 19 bis 33 Jahren, ein Kernteam aus acht Leuten ist hierbei in Vollzeit im Büro. Denn auch, wenn man eigentlich vermuten mag, dass die Programmierung von Videospielen nach Firmengründung auch gleichzeitig das Einkommen sichert: Viele der Quereinsteiger gehen noch immer ihren regulären Jobs nach, Einige leben von Ersparnissen oder werden von zu Hause aus unterstützt, Andere leben von Nebenjobs oder sind als Freiberufler tätig.
Doch auch, wenn der Einstieg in die Branche über die Selbstständigkeit steinig und finanziell unsicher ist, wollten die Mitglieder von Since Idea Games nicht den üblichen Weg gehen und als Angestellte eines typischen Einsteigerunternehmens Browsergames entwerfen.
Eine weitere Alternative zur Firmengründung, der Anstellung in einem Unternehmen und auch zum Studium, sei laut Steven Jung die Erstellung eines Portfolios, an welchem man exzessiv arbeitet, um die eigenen Fähigkeiten zu trainieren und zu präsentieren. Auch hier macht er deutlich, dass – natürlich abhängig vom Studio – die Spreu vom Weizen nicht über die Abschlüsse, sondern eben über jene Portfolios getrennt werden würde. Es komme darauf an, was man letztlich wirklich kann und nicht, welchen Schul- oder Uni-Abschluss man habe.
Wie sieht nun der Firmenalltag bei Since Idea Games aus? Der „harte Kern“ verbringe an sechs Tagen die Woche durchschnittlich zwölf Stunden im Büro, manchmal auch länger; doch der allgemeine Firmendurchschnitt liege bei fünf Tagen und neun bis zehn Stunden, so Steven. Und auch, wenn sich fast alles im Beruf um Spiele dreht, so käme man eher selten dazu, selbst Hand den Controller oder die Maus zu legen. Das bewusste Einbinden von eigenem Spielen und sogar dem Schauen von Let’s Plays sei jedoch ein Part, den man in den Arbeitsalltag einzubinden versuche – man müsse ja schließlich up-to-date bleiben.
Ebenfalls wichtig für eine aufstrebende Firma (und generell für jede Firma): Präsenz bei Events zeigen. Teil von Präsentationen und Ausstellungen sein. Sich auf Conventions zeigen. Neue Kontakte knüpfen und das eigene Produkt; das eigene Team vermarkten. Und genau im Bereich des Marketings und der PR liegt auch Steven Jungs Steckenpferd.
Um die Firma für die Produktion von Videospielen aufzubauen, bleibt es allerdings auch nicht aus, sich mit technisch ähnlichen, aber eigentlich fachfremden Bereichen auseinanderzusetzen und auch mal für andere Firmen zu programmieren, zu visualisieren, Produkte zu designen und eben Auftragsarbeiten nachzugehen. Durch die riesige Flut an teilweise winzigen Indie-Firmen sei es aktuell schwierig, in der Branche Fuß zu fassen und da bliebe es nicht aus, auch anderweitig finanzielle Grundlagen zu schaffen, so Steven Jung. Wann sie von ihrem eigentlichen Beruf leben wollen? Im Februar nächsten Jahres wäre schon schön, offenbart mir Steven zuversichtlich.
Drei Bereiche deckt das Team um Since Idea Games aktuell ab und investiert besonders viel Muße und Begeisterung in einen aktuellen Hype: Videospiele, 3D-Visualisierung (für Fremdfirmen) und Virtual Reality. Ihr ahnt schon, welcher der Begriffe gemeint ist: VR. Doch zu diesem recht umfangreichen und boomenden Bereich erfahrt ihr in einem zukünftigen Artikel mehr. Es sei bereits vorweggenommen, dass virtuelle Showrooms einfach super sind.
Rote oder blaue Pille? Die anfängliche Wahl des kleinen Tick-Tacks entscheidet über die virtuelle Welt, die der Spieler betreten wird.
Und so sieht das Anfangsszenario hinter der Brille aus.
Doch es geht auch anders: Hier wird Kunst visualisiert und bietet eine ganz neue Zugänglichkeit und Erfahrung für sonst vielleicht unerreichbare Objekte.
Die Zukunft der Virtual Reality? Sicherlich nicht nur im Bereich der Videospiele. Die Möglichkeiten reichen von Kunst, über Medizin und Forschung und zu Vielem mehr.
Das Erstlingswerk Ad Exitum, welches das Licht der Welt durch Steam Greenlight erblicken durfte, soll zwischen unserer getesteten Version und der geplanten Veröffentlichung Ende diesen Jahres übrigens schon einiges an optischer und technischer Aufpolierung erhalten haben. Nicht nur der Look sei komplett neu, wie Steven verspricht; es wurde zudem eine VR-Unterstützung eingebaut. Wenn es soweit ist, berichten wir euch natürlich darüber! Im Bereich Games möchte sich Since Idea Games jedoch an kein Genre binden, lediglich die Ausrichtung soll sich auch am Konsolenmarkt orientieren.
Was die Firma so von der Let’s Play-Szene hält? Die Angst einiger Firmen, dass nur geschaut, aber nicht selbst gekauft wird, ist überall präsent. Doch Since Idea Games sieht, wie so viele andere, vor allem die positiven Chancen, die dieses neue Medium bietet. Let’s Player stellten Vermittler zwischen Spielern und Käufern dar, sie treten in einer Person als Werbung und kritischer Tester auf, denn sie seien (in den überwiegenden Fällen) nicht käuflich und bringen eine ganze Community mit sich, so Steven.
Abschließend habe ich Steven gefragt, welche Hindernisse sich einem so jungen Entwicklerstudio in den Weg stellen können und was für die Zukunft geplant ist. Seine prompte Antwort: Im Normalfall hat es immer mit Geld zu tun.
Eigentlich würde er niemandem empfehlen, eine Firma mit einem Budget von 0,00 € zu gründen. Und auch seine Kollegen würden das heute nicht noch mal riskieren. Zu sehr seien alle am Anfang noch in ihre eigentlichen Jobs eingebunden und es sei äußerst schwer, hart zu arbeiten und eine Firma aufzubauen und sich gleichzeitig irgendwie über Wasser zu halten.
Auch die Technik limitiere das schnelle Fortkommen und die Fähigkeiten der Einzelnen – das Können seiner Mitarbeiter liege weit über den technischen Möglichkeiten. Ohne genügend High-End Rechner könne man eben auch nur mit großem Zeitaufwand die eigenen Sachen testen.
Und natürlich spielen auch die einfachen Faktoren, wie die Lage des Büros eine Rolle. Ein kürzerer Weg zur Arbeit steigere auch die Produktivität. Und größere Strecken, wie etwa zu Conventions und Präsentationen im Ausland, wo es ebenfalls Verbindungen zu knüpfen gelte, scheiterten ebenfalls an der finanziellen Grenze. Since Idea Games wisse schon sehr genau, wie es weitergehen soll – lediglich das Budget fehle. In einem nachträglichen Interview verriet mir Steven, dass Since Idea Games mittlerweile fest davon ausgehe, seinen Mitarbeitern ab März nächsten Jahres ein volles Gehalt zahlen zu wollen. Außerdem sei ein neues Büro in der Innenstadt Hamburgs ins Auge geplant, um Anfahrtskosten und Arbeitszeiten zu verbessern. Und wahrscheinlich sehen wir das junge Studio im nächsten Jahr sogar mit eigenen Projekten auf der Gamescom.
Was denkt ihr über diese Variante des beruflichen Werdegangs? Träumt auch ihr von einem Job in der Spielebranche und wusstet bisher einfach nicht, wo und wie ihr am besten anfangen sollt? Könnt ihr euch auch vorstellen, eine eigene Firma zu gründen? Und wie wichtig ist ein festes Einkommen für euch?
Ich hoffe, dieser Artikel hat euch einen kleinen Einblick in ein paar Facetten der Videospielebranche verschafft und aufgezeigt, dass es nicht nur auf den Abschluss in einem spezifischen Zeugnis (natürlich stellt ein reguläres Zeugnis eine wichtige Grundlage dar), sondern vor allem auf eure eigenen Fähigkeiten, eine gute Selbsteinschätzung und den Willen, die eigenen Vorstellungen umzusetzen, ankommt. Letztlich gestaltet ihr euer Leben und so unmöglich erscheint es dann doch gar nicht mehr, mit verrückten Arbeitskollegen auf eine kreative Weise Geld zu verdienen, die eigenen Visionen rund um die Welt vorzustellen und sich vielleicht für ein paar Minuten auf der Couch in der Business-Area auszuruhen und die nächsten Pläne und Ideen zu schmieden.