Einschalten, eingreifen, einmischen, retten und zur Chefsache erklären

Das Axel-Springer-Hochhaus zu Berlin ist der Ort, an dem der Kanzlerin schreiberisch Potenz angeheftet wird. Dort schreibt man Kanzlerschaftsgeschichte, erfindet man sich eine engagierte, malochende, stets rührige Kanzlerin, die sich überall dort einschaltet, eingreift, sich einmischt, rettet und etwas zur Chefsache erklärt, wo sich in diesem Lande Baustellen auftun. Ohne die emsigen Chronisten der Kanzlerin unter der Fuchtel dessen, der der Merkel politischer Ziehvater Trauzeuge ist, würde Merkel wie eine leicht untersetzte Dame wirken, für die Richtlinienkompetenz etwa so viel bedeutet, wie zu jedem Thema einmal töricht in die Kamera zu stieren, um dabei die Lefzen zu unverständlichen Worthülsen zu verformen.

Aber Dieckmannlob entkommt die Kanzlerin jenem Szenario; kaum ein Tag, an dem sie nicht als grande madame des Krisenmanagements beschrieben wird. Überall schaltet sie sich ein - und wie sie sich einschaltet, terminologisch konsequent einschaltet! Sie schaltet sich ein, wenn auf der Gorch Fock Unglücke geschehen - sie schaltet sich beim Kruzifix-Zoff ein - sie schaltet sich ein, wenn in Berlin darüber sinniert wird, ob es weiterhin ein Schulfach Religion geben soll. Und kriselt es in der Koalition, so wird natürlich auch von der sich einschaltenden Kanzlerin berichtet - und manchmal wird sie sogar aus berufenem Munde zur Hinzuschaltung bewegt. Die Kanzlerin ist eine Schaltstelle, der betreffende Textbaustein scheint ganz oben im Baukasten des aktuellen Journalismus zu liegen.

So weit oben wie jener Bauklotz, der von der eingreifenden Kanzlerin weiß. Sie griff ein, als in Stuttgart Bauprojekte zerdemonstriert werden sollten und sie griff ein, als man sich über die Hartz IV-Reformen stritt. Gelegentlich braucht es sprachliche Auflockerung, dann greift sie nicht ein - dann mischt sie sich ein. Die Kanzlerin ganz ergriffen; die Kanzlerin als Mischpult!
Manchmal, wenn die Dramatik der Situation es erfordert, wenn sich Einschalten und Eingreifen nicht mehr lohnen, wird das Sujet zur Angelegenheit des Chefs erklärt: dann heißt es Chefsache Bildungspolitik, Chefsache Milch, Chefsache Afghanistan-Einsatz, Chefsache Hartz IV-Kommission oder Chefsache Opel-Rettung. Pathetischer klingt es, wenn aus dem ordinären Chef eine übergroße Rettergestalt sprießt, so wie damals, als Merkel den Klimagipfel retten wollte - oder als sie Retterin der EU-Verfassung werden sollte - oder als man ihr nachsagte, nur sie könne die Wirtschaft retten.

Die Richtlinienkompetenz des Kanzlers scheint heute mehr denn je, ein bunter Baukasten voller bewährter Textbausteine zu sein. Regieren bedeutet demnach, sich in präperierte Sätze nach Baukastensystem einordnen zu lassen - es sind zudem positive Bauklötze; sie sollen Macherqualitäten unterstreichen. Es ist ein wortkarger Journalismus, der hier zur Praktik wurde; einer, der nicht nach Worten ringt, der sie schon im hübschen Baukasten vorrätig hat - ein einsilbiger, lakonischer Journalismus, gegen den Merkel freilich nichts haben kann; solange Journalisten in Baukästen gefüllt mit positiv konnotierten Phrasenbausteinen greifen, wird nichts hinterfragt, nichts angezweifelt... einschalten, eingreifen, einmischen, retten und zur Chefsache erklären: wer zweifelt da noch daran, dass es sich hier um eine rührige, nimmermüde und dienstbeflissene Frau handelt?


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