Ihr Lieben,
heute Abend möchte ich Euch eine kleine Geschichte von Roland Breitenbacher erzählen, die auf einer wahren Begebenheit beruht:
„Die Einsamkeit“
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„Eine alte Dame wohnte in einem mehrstöckigen Miethaus in einer größeren Siedlung.Gesundheitlich ging es ihr nicht so gut, sodass sie kaum noch ihre Wohnung verlassen konnte.
www.berlin.de
Deshalb saß sie im Frühjahr, Sommer und Herbst, wenn es das Wetter erlaubte, auf ihrem kleinen Balkon.
Regelmäßig warf sie ihren Kamm, ihre Zeitung, einen Löffel und andere Alltagsgegenstände von ihrem Balkon herunter.
Die vorbeikommenden Passantinnen und Passanten vermuteten natürlich, dass ihr diese Dinge versehentlich herunter gefallen waren. Sie lasen die Sachen auf und brachten sie ihr wieder nach oben. Mit der einen oder anderen Passantin oder dem einen oder anderen Passanten kam sie ins Gespräch und konnte sie oder ihn zu einer Tasse Kaffee überreden…
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Einsamkeit macht erfinderisch…Ihr Lieben,
immer wenn ich so etwas lese, dann steigen mir die Tränen in die Augen und ich frage mich fassungslos: „In was für einer Welt leben wir eigentlich?“
Wie einsam muss ein Mensch sein, der solche Auswege suchen muss,
um seiner Einsamkeit entfliehen zu können!
Wir sollten im Alltag sorgsamer mit unseren Mitmenschen umgehen.
Wir sollten schauen, ob es in unserer Umgebung nicht auch Menschen gibt, die sich freuen würden, wenn wir sie einmal zu einer Tasse Kaffee und einem Stück Kuchen einladen.
Es gibt so viele Menschen, die sich darüber freuen, wenn wir ihnen eine Viertelstunde unserer Zeit schenken und ihren Sorgen und Nöten zuhören.
Wir brauchen Boten der Liebe, Botschafter der Freude, die Licht in den Alltag dieser Welt hineintragen, damit die Menschen nicht so enden wie in dem Gedicht von Rudolf Otto Wiemer.
Dieses Gedicht ist sehr offen, sehr direkt, aber manchmal brauchen wir das, um aufzuwachen, um nachzudenken und uns zu ändern:
„Die alte Frau Schatt
Die alte Frau Schatt war drei Wochen krank,
sie lag zwischen Waschtisch und Kleiderschrank
in ihrem Bettzeug aus gelbem Linn
und wimmerte leise vor sich hin.
Die Busklingeln schrillten, die Sonne schien warm,
die Kinder spielten Prinzess und Schandarm.
Wer fragt schon in der großen, großen Stadt
nach der alten Frau Schatt?
Sechs Familien wohnten im gleichen Haus,
die gingen geschäftig ein und aus,
jeder in Eile, jeder in Hatz.
Nur manchmal auf dem Treppenabsatz
blieb einer stehen, verschnaufte im Lauf:
„Schon gehört? Bei Karstadt ist Schlussverkauf!”
Wer fragt schon in der großen, großen Stadt
nach der alten Frau Schatt?
Im Fernsehen, klar, da ist man im Bild,
da sitzen sie stumm und glotzen wild:
Tatort, Der Chef, XYZ,
Flipper, Sportreportage, Ballett.
Und hier ist Krieg und dorten brennt's!
In Ottawa tagt die Geheimkonferenz.
Wer fragt schon in der großen, großen Stadt
nach der alten Frau Schatt?
Und als man sie fand, die alte Frau Schatt,
da drückten die Kinder die Nasen platt
am Fenster und sahen sie klein und bleich
verhutzelt liegen im Bett als Leich
mit zahnlosem Mund und knochigem Arm -
dann spielten sie wieder Prinzess und Schandarm.
Wer fragt schon in der großen, großen Stadt
nach der alten Frau Schatt?
Am Grabloch stand ein Pfarrer bestellt,
der Küster hat mit der Glocke geschellt.
Es regnete. Keine Blume, kein Kranz.
Nur ein Hündchen mit eingezogenem Schwanz,
ein verirrtes, kläfft in die Grube hinab,
und der Wärter brummelt erbost: „Hau ab.”
Wer fragt schon in der großen, großen Stadt
nach der alten Frau Schatt,
nach der alten Frau Schatt?“
Ich wünsche Euch einen nachdenklichen Abend und eine gute Nacht und grüße Euch herzlich aus Bremen
Euer zuversichtlicher Werner