Eins – Zwei – Drei – …. Hilfe – die machen Ernst!


Gedanken und Hintergründe zur Fusion von o2 und E-Plus

von Henning Gajek

Jahrelang geisterte ein Gespenst durch die Szene: Die “Fusion” von E-Plus und o2. Immer wieder wurde sie diskutiert, die Kurse kletterten, dann wurde sie wieder abgesagt. Nur dieses Mal… könnte es bitterer Ernst werden.

E-Plus-Logo

Logo aus den Anfangstagen von E-Plus

Als 1998 der vierte deutsche Mobilfunk-Netzbetreiber unter dem Namen “VIAG Interkom” an den Start ging, waren einige Beobachter skeptisch, ob das noch was werden könnte. Der Start verlief entsprechend holprig.

Als nach der UMTS-Versteigerung kurzzeitig 6 Mobilfunknetzbetreiber in Deutschland aktiv waren, schüttelten viele Szene-Kenner erneut die Köpfe, ob das gut geht?

Wir wissen heute:  Es ging nicht. Nach dem abrupten Ausstieg der France Telecom aus der Mobilcom-Multimedia wurde die Mutter Mobilcom (Schleswig) von Kanzler Gerhard Schröder gerettet, die UMTS-Tochter mußte den Betrieb einstellen, Mobilfunk-Visionär und enfant terrible der Szene Gerhard Schmitt wurde aus der Mobilcom hinaus komplimentiert.

Die spanische Telefonica setzte mit ihrer ersten Marke “Quam” in Deutschland einige Lizenz-Milliarden in den Sand und stieg über Nacht aus. Die Quam-Lizenz verfiel, Klagen war erfolglos. Aber Telefonica kam wieder und kaufte erst einmal den VIAG Interkom-Nachfolger “o2″.

Schon damals wurde über eine mögliche Fusion zwischen o2 und E-Plus intensiv diskutiert. Die Legende berichtet, daß diese Fusion zwischen E-Plus und VIAG/o2 bereits unterschriftsreif verhandelt war, dann aber an Fragen der Standorte und der Aufgabenverteilung zwischen den damals handelnden Akteuren gescheitert sei.

Doch Telefonica hat einen langen Atem. Zwischendurch gab es ein paar Strohfeuer und ein paar geheimnisvolle Dementis. Jetzt planen sie ganz ernsthaft und offiziell bestätigt, den dritten deutschen Mobilfunkanbieter E-Plus zu schlucken, für rund 5 Milliarden Euro bar und 17,3% in Aktienanteilen, die KPN dann an der Telefonica halten wird.

Was bedeutet das für den deutschen Markt?

Auf den ersten Blick wäre die neue o2/E-Plus (welcher Markenname wird es werden?) mit rechnerisch 43 Millionen Karten der neue Marktführer. Man spart für die Zukunft den nicht gerade “günstigen” Netzausbau von bislang 4 möglichst flächendeckenden und leistungsfähigen Netzen, zumal E-Plus gerade beim “Backbone”, den Verbindungen zwischen den Sendestationen extremen Nachholbedarf hat und auf quasi keinerlei eigene Festnetzverbindungen zurück greifen kann.

Ganz brutal betrachtet: Dieser Deal macht eigentlich nur dann Sinn, wenn man alle 24 Millionen SIM-Karten, die bisher im Netz von E-Plus eingebucht waren, auf einen Schlag auf das o2-Netz “umladen” könnte und bei E-Plus Türen zu, Lichter aus und das Personal komplett nach Hause schicken könnte.  So einfach geht es natürlich nicht.

Erst einmal müssen die Bundesnetzagentur und das Kartellamt ihren Segen geben.

Für die Bundesnetzagentur dürfte der Fall glasklar sein: Die Mobilfunklizenzen eines Betroffenen, also der aufgekauften E-Plus oder die Lizenzen der bestehenden Telefonica o2 (vormals VIAG Interkom) würden zum Tag X ungültig und müßten zurückgegeben werden. Da einige Lizenzen im Jahre 2016 ohnehin auslaufen würden und wohl nächstes Jahr frisch versteigert werden sollen, ist das Timing dieses Mega-Deals ziemlich perfekt.

Für eine Übergangszeit kann man mit der BNetzA diskutieren (oder hat das schon getan), wie lange die Netze von E-Plus noch o2 “parallel” weiterlaufen können. Da man schlecht auf einen Schlag 24 Mio SIM-Karten der Kunden von E-Plus oder 19 Mio SIM-Karten der Kunden von o2 austauschen kann (allein Herstellung, Versand und Umschaltung im Netz brauchen ihre Zeit), wird man mindestens ein Netz für “Roaming” der anderen Netzkunden freigeben (oder sogar “überkreuz”), sprich alle E-Plus Kunden könnten dann ab Tag X im Netz von o2 einbuchen, vielleicht auch umgekehrt.

Dann müssen die Sende-Stationen und Vermittlungsanlagen von E-Plus und o2 gut durchsortiert und ausgewählt werden. Welche Station kann was? (GSM/GPRS, UMTS/HSPA, LTE?) Welche Station versorgt welches Gebiet? Wo gibt es Doppelungen? Die überflüssigen Stationen könnten abgebaut, vielleicht anderswo wieder aufgebaut an einen anderen Netzbetreiber verkauft oder schlicht verschrottet werden. Das dürfte seine Zeit dauern. E-Plus arbeitet mit Sender- und Netztechnik von Nokia und Siemens (heute NSN) und seit kurzem mit UMTS/HSPA-Ausrüstung von ZTE. Bei o2 ist vom Start her Technik von Nokia/Siemens, Nortel (Hersteller gibts nicht mehr) und aktuell viel neue Netztechnik von Huawei verbaut. Da muß man schauen, was da zusammen passt oder wie man es passend machen kann.

Für das Kartellamt entsteht ein neuer “Anbieter mit beträchtlicher Marktmacht”.

Könnte das Kartellamt zur Auflage machen, daß E-Plus einen Teil seiner Kunden (etwa einen großen Discounter) vorher an seine Mitbewerber übergeben müßte, wie das in Österreich kürzlich der Fall war? (Dort ging der Discounter Yesss von der Orange (heute Drei) an die Mobilkom A1 Austria, einer Tochter der Telekom Austria)

Auf Deutschland umgesetzt hieße das: Telefonieren alle Aldi-Talk-Kunden dann künftig direkt bei der Deutschen Telekom oder deren Tochter Congstar? Oder wird Simyo (orange) zu magenta? Und Blau zu rot (Vodafone?) Oder Ay Yildiz (E-Plus) zu Turktelekom (o2)? Fragen über Fragen.

Wenn dann irgendwann alles abgesegnet ist, müssen die riesigen Kundendatenbanken zusammengelegt werden. Wer schon mal intensiv mit einer Hotline telefoniert oder in einem Shop dem Verkäufer über die Schulter schauen durfte eine Ahnung davon bekommen, welche Probleme und Falltüren es hier geben kann. Unzählige Alt und Uralt-Tarife müssen erfasst und auf dem neuen gemeinsamen oder einem alten, erweiterten System aufgesetzt oder ordnungsgemäß in neue Tarife überführt werden. Da gibt es für die nächsten 2-3 Jahre gut zu tun.

Was passiert mit den Hotlines?

Wechseln sie nur die Türschilder aus und melden sich am Telefon mit neuen Namen? Oder streichen die Kostenrechner einfach möglichst viele Stellen zusammen? Sprich ein Hotliner, der bisher – sagen wir mal – 10.000 Kunden betreute, müßte künftig 20.000 Kunden bearbeiten? Und dann könnte das Anrufaufkommen zunächst steigen, weil von Medienberichten aufgescheuchte und verunsicherte Kunden viele Fragen haben? Das geht bestimmt nicht reibungslos ab.

Und die Handy-Läden?

In den Einkaufstraßen und Fußgängerzonen werden einige bekannte Händyläden des “unterlegenen” Netzbetreibers verschwinden. Das ist vielleicht gar kein Schaden (außer für die Mitarbeiter/innen in diesen Länden), denn “gefühlt” gab es eh viel zu viele davon.

Was bedeutet es für den Endkunden?

Die bekannten Rufnummern (einschließlich Vorwahlen) bleiben in jedem Fall erhalten. Aufgrund der Zeitabläufe und guter Vertragsjuristen dürfte das bei Fans beliebte Wort “Sonderkündigung” nicht zum Zuge kommen. Sprich, wer bei E-Plus oder o2 einen Handyvertrag auf 2 Jahre abgeschlossen hat, muß den bis zum frühesten Kündigungszeitpunkt (meist 3 Monate vor Ende der 24 Monate) erfüllen. Wer einen Prepaid-Karte verwendet, kann sie leer telefonieren, die Mailbox vielleicht mit einer Hinweisansage (“Die Rufnummer hat sich geändert….”) versehen und irgendwann ist die bisher genutzte Nummer deaktiviert.

Ob manches Super-Günstig-Schnäppchen auch in alle Zukunft angeboten werden wird, darf man bezweifeln.

An der Discount-Front dürfte sich die Konsolidierung auch fortsetzen. Ob wir zig verschiedene Marken brauchen, ob der Marken-Gemischtwarenladen von E-Plus unbeschadet bei o2 landen wird, das darf bezweifelt werden.

Preislich gesehen, ist der Bodensatz wohl erreicht. Die Hoffnung, daß sich die Minutenpreise auf breiter Front einmal auf unter 9 Cent/Minute bewegen werden oder daß Mehrminuten in Laufzeitverträgen der großen Anbieter endlich generell 9 Cent statt 29 Cent kosten werden, oder es all All-you-can-unlimited-phone-SMS-Data-Flats für 10 Euro auf breiter Front geben wird, sollten wir langsam beerdigen.

Die bekannten Probleme der Netzqualität bei o2 und E-Plus werden sich nicht auf einen Schlag verbessern, im Gegenteil. Zwar dürfte wird die Funkversorgung punktuell besser werden, weil o2 oder E-Plus vor Ort einen Sender stehen haben, wo “der andere” bislang nicht versorgt hat. Bis aber alle Komponenten aufeinander abgestimmt und integriert sind, kann das dauern. Ob die traditionell sehr gute Sprachqualität von E-Plus im neuen Netz erhalten bleibt?

Was haben Telekom und Vodafone davon?

Nun der extreme preisaggressive Wettbewerb dürfte bald zum Stehen kommen. Das gesparte Geld kann für den Netzausbau genutzt werden. Die neuen Großen Drei werden wohl versuchen, sich gegenseitig möglichst wenig in die Quere zu kommen.

Kann sein, daß die neue o2 (inkl. E-Plus) für noch mehr Vodafone Kunden eine attraktive Alternative darstellen könnte, daß deren Kundenerosion weiter geht.

Kann aber auch sein, daß langjährige E-Plus oder o2 Kunden ihre Anbieter-Treue aufgeben und sich nach neuen Anbietern (sprich Telekom oder Vodafone) umsehen werden. Von daher ist die nächsten 2-3 Jahre mit spürbarer Bewegung zwischen den Anbietern zu rechnen.

Frequenzversteigerung: Kommt ein neuer vierter Anbieter?

Der Wunschtraum vieler Discount-Tarif-Fans wäre ein völlig neuer Anbieter, der innerhalb kürzester Zeit ein flächendeckendes Höchstgeschwindigkeitsnetz ausrollt und das für traumhafte Tiefst-Preis-Tarife anbietet.

Früher wurde die Marke “Orange” genannt. Die gehört der France Telecom und die ziehen sich aktuell aus fast allen Auslandsmärkten dieser Welt zurück. Selbst wo noch “Orange” draufsteht, ist längst nicht mehr “Orange” drin, private Investoren nutzen einfach den Markennamen und bezahlen dafür. (z.B. Orange Schweiz)

Mancher hatte gehofft, daß der Mexikaner Carlos Slim bei E-Plus direkt einsteigt und mit Tiefstpreisen und massivem Netzausbau für Schwung sorgt. Auch Senor Slim kann rechnen und ist in erster Linie an einer guten Rendite interessiert. Ein ruinöser Preiskrieg rentiert sich nun mal nicht oder wird auf den Rücken der Mitarbeiter und am Ende auch der Kunden ausgetragen.

Dann träumen andere von “Drei” aus Hong Kong. Die sind in Europa z.B. in Österreich (da haben sie gerade “Orange.at” übernommen”), in Dänemark, in Polen (via Play) oder Italien (tre.it) aktiv. In Deutschland nahmen sie an der unendlich teuren UMTS-Versteigerung im Konsortium mit E-Plus teil, sprangen aber 10 Sekunden vor Schluß ab und kamen kostenfrei davon.

Die Manager bei “Drei” können rechnen. Was sollte es für einen Sinn machen, in Deutschland von Grund auf ein komplett neues Netz auszurollen? Das würde höchstens Sinn machen, wenn sie das bestehende Netz – etwa von E-Plus – komplett übernehmen könnten, daraus ließe sich etwas machen. Nur was wollte E-Plus für “sein” Netz haben?

Dann bliebe die Frage, ob die bisherigen E-Plus-Kunden die Zwangsmigration zu o2 langfristig mitmachen oder lieber zum gewohnten Netz eines neuen Anbieters wechseln würden. Gewonnen wäre am Ende dann nicht viel.

Wie wird das neue Kind von Telefonica-o2 und E-Plus heißen?

Diese Frage dürfte schon in den hermetisch abgeschirmten Konferenz-Zimmern besprochen worden sein. Ich vermute mal, daß der Name (Telefonica) o2 einfach erhalten bleibt, E-Plus wird die eine oder andere Discounter-Marke besteuern, vielleicht bekommt “Blau” eine neue stärkere Bedeutung als bisher. Ob BASE als “Marke” bestehen bleiben kann, halte ich langfristig für fraglich, da die Namensrechte eigentlich von Base Belgien stammen, die auch schon mehrfach zum Verkauf standen.

Mein Fazit:

Wirtschaftlich mag sich das langfristig irgendwann einmal rechnen. Bis dahin müssen wir mit starken Veränderungen, dem Wegfall einiger (vieler?) Arbeitsplätze in Netztechnik, Betrieb, Hotline und den Läden rechnen und mit neuen technischen Probleme (von zeitweisen Ausfällen, Überlasteffekten) und praktischen Problemen (z.B. mein gebuchter Tarif wird durch die Umstellung nicht mehr richtig abgerechnet) rechnen.

Die 43 Mio theoretischen SIM-Karten dürften relativ schnell auf ein realistisches Mass zusammenschrumpfen, wenn eines Tages die Kunden da draußen “verstanden” haben, was da eigentlich passiert ist und ihre “Doppel-Dreifach-Vierfach”-Karten bestände weiter reduzieren.

Schade. Ich hätte gerne das sympathische E-Plus-Vögelchen wieder zurück. Die Kernidee war nämlich durchaus gut.

E-Plus, so nah, als wär man da – bald ganz weg?

E-Plus-Logo

Logo aus den Anfangstagen von E-Plus

Schlagwörter: E-Plus, Fusion, KPN, o2, Synergie, Telefonica, Telekom, Vodafone


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