Einrichtungshäuser in Portugals Süden: Turbulenzen um neue Filialen

Von Alexander Kroll

IKEA-Eröffnung in Loulé von zwei tödlichen Arbeitsunfällen überschattet

Die für den 30. März geplante Eröffnung des IKEA-Centers an der Algarve (wir berichteten) ist von zwei tödlichen Arbeitsunfällen überschattet. Wie die vom schwedischen Konzern beauftragte PR-Agentur Atrevia am Montag gegenüber dem Algarve-Entdecker bestätigte, geschah der erste Unfall bereits im vergangenen September 2016 auf der Baustelle. Die Untersuchung des Falles laufe und IKEA arbeite mit allen zuständigen Behörden bei der Ermittlung der Unfallursache zusammen, hieß es. Einzelheiten wurden nicht genannt. Am vergangenen Freitagmittag war eine 37-jährige Reinigungskraft einer Lieferfirma auf dem IKEA-Gelände getötet worden, als Holzpaletten auf sie stürzten und sie zerquetschten. Laut Medien, die sich auf Polizeiquellen berufen, soll der Unfall während einer Raucherpause in einem Bereich passiert sein, wo Gabelstapler Paletten absetzen.

Die portugiesische Arbeitssicherheitsbehörde ACT bestätigte dem Algarve-Entdecker am Montag, dass die im September gestarteten Unfall-Ermittlungen bereits abgeschlossen und die üblichen „angemessenen Maßnahmen“ ergriffen worden seien. Der Fall werde nun vor Gericht verhandelt. Zu dem am Freitag geschehenen Unfall bei IKEA teilte die Behörde zunächst nur mit, dass er in einer Lade- und Entlade-Zone des Komplexes passiert sei. Die „Autoridade para as Condições do Trabalho“ untersuche die näheren Umstände noch und könne derzeit nicht mehr sagen, hieß es in Lissabon.

IKEA (hinten links) und das gigantische Shoppingzentrum in Loule. Foto: Hans-Joachim Allgaier

In einer Erklärung von IKEA heißt es gleich zu Beginn: „Sicherheit ist eins der wichtigsten Anliegen bei uns und ein Gebot, das wir nicht vergessen“. In Loulé wie überall auf der Welt halte der Bau von neuen Filialen die höchsten Sicherheitsstandards sowie alle gesetzlich festgelegten Verfahren und Bestimmungen ein. „In Zeiten wie dieser sind alle unsere Gedanken bei den Angehörigen und Bekannten der Opfer“, heißt es dann in der Stellungnahme weiter. Gleichzeitig untersuche IKEA die Faktenlage und arbeite selbstverständlich bei der Analyse aktiv mit den Behörden zusammen.

Vor vier Jahren, im Juni 2013, war es auf einer deutschen IKEA-Baustelle ebenfalls zu einem Arbeitsunfall gekommen, der aber glimpflich ausging. Ein Bauarbeiter wurde in einer Baugrube in Hamburg-Altona von einem Stahlträger erfasst und verletzt, konnte aber noch am selben Tag das Krankenhaus wieder verlassen.

Vor acht Jahren, im März 2009, berichtete die deutsche Tageszeitung TAZ über eine Häufung von Arbeitsunfällen bei einem türkischen IKEA-Zulieferer. Der Konzern versprach damals besondere Kontrollen und verwies darauf, dass die Zusammenarbeit beendet werde, wenn Partner den „IKEA Way“-Kodex (IWAY) nicht einhielten. Darin sei festgelegt, wie Angestellte behandelt werden und unter welchen Bedingungen sie arbeiten sollen.

Designer Outlet Algarve verschiebt Eröffnung erneut

So soll nach Vorstellung des österreichischen Betreibers das Outlet-Center aussehen. Screenshot: Designer Outlet Algarve

Am Wochenende wurde zudem bekannt, dass der österreichische Betreiber des neben dem IKEA-Shop vorgesehenen „Designer Outlet Algarve“ den Start auf den „Herbst 2017“ verschoben hat. Ein konkreter Eröffnungs-Termin wird nach wie vor nicht genannt. Bis vor kurzem hatte es auf der Website  zunächst noch allgemein geheißen, die Eröffnung werde im „Spätsommer“ dieses Jahres stattfinden. Zuvor hatte die Angabe „Sommer“ gelautet.

Neuerdings steht dort jetzt „Autumn“. Screenshot: Designer Outlet Algarve

Beobachter hatten bei der Besichtigung des Gesamtkomplexes in der Nähe des Flughafens Faro festgestellt, dass die vorbereitenden Bauarbeiten für das Designer Outlet noch nicht besonders weit fortgeschritten sind. Nach mehreren E-Mail-Anfragen unserer Redaktion zum Stand des Projekts kündigte das Management-Team der ROS Retail Outlet Shopping GmbH am Montag, 27. März, an, sich im Sommer äußern zu wollen. Informationen wurden konkret für Juli/August in Aussicht gestellt.

Erich Gibson. Foto: E&V

Unterdessen stößt das Auftreten der weltweit größten Möbelhauskette IKEA bei Mitbewerbern, vor allem im regionalen Möbelhandel der Algarve, auf ein geteiltes Echo. Erich Gibson, deutscher Inhaber eines Fachgeschäfts für luxuriöse Designer-Möbel in Almancil, betrachtet den Markteintritt von IKEA gelassen, denn die skandinavische Marke sei „einfach keine Konkurrenz“ für die Anbieter hochwertiger Produkte. Allerdings rechnet er für das so genannte Billig-Segment mit deutlichen Konsequenzen: „Alle kleinen Läden, die sich ausschließlich dem Billigsektor verschrieben haben, dürften in der nächsten Zeit schließen“.

IKEA-Konsequenz: „Tante-Emma-Möbelläden an der Algarve dem Tod geweiht“

Die Probleme gingen allerdings darüber hinaus und beträfen die Handelsstruktur als solche: „Es werden nicht nur viele kleine Möbelgeschäfte sterben, sondern der Einzelhandel generell wird geschwächt, weil im Land alle immer zum neuen Anbieter strömen und die kleinen Tante-Emma-Läden im Endeffekt dann dem Tod geweiht sind“. Gibson spielt damit darauf an, dass mit dem neuen IKEA-Shop in Loulé auch ein großes Einkaufszentrum verbunden sein wird sowie das Designer Outlet Center. Branchenbeobachter schauen zum Beispiel mit erhöhter Aufmerksamkeit darauf, wie das ganz nah in Faro liegende „Forum Algarve“ mit der neuen Konkurrenzlage zurechtkommen wird.

Illustration, wie es im Shoppingcenter neben der neuen IKEA-Filiale aussehen könnte. Screenshot: ROS-Website

Jorge Fernandes, Geschäftsführer von „Mourinha Decor“, einem Spezialgeschäft im Zentrum von Portimão, rechnet mit starken Auswirkungen: „Anfangs werden sich alle Leute den neuen IKEA-Shop anschauen und die meisten werden dort auch etwas kaufen. Einige kleinere Möbel- und Dekorationsgeschäfte hier werden ihren Betrieb aufgeben müssen. Die größeren dürften zwar zunächst einige Einbußen erleben, aber wer guten Service bietet, wird erleben, dass seine Kunden zurückkehren“.

Möbelhändler Fernandes, zu dessen Kunden auch viele Algarve-Hotels gehören, rechnet damit, dass sich die touristischen Unternehmen beim Einkauf weiter so verhalten, wie es die acht Monate dauernde Saison an der Algarve erfordert. „Vielleicht werden sie in den ersten zwei, drei Jahren bei IKEA kaufen, aber danach werden sie wieder Qualität erstehen wollen, anstatt sich nur an Preisen und nettem Aussehen zu orientieren“, sagt Fernandes dem Algarve-Entdecker.

Bleibt knapp ein Drittel der Kunden weg?

Jorge Fernandes. Foto: Mourinha Decor

Der Möbelexperte aus Portimão stellt sich auf rund einen Kundenverlust von rund 30 Prozent ein – vor allem bei den Käufern, die dauerhaft an der Algarve leben. Schwieriger fällt es ihm, die Folgen fürs Preisniveau einzuschätzen. Er setzt auf einen Ausverkauf billiger Möbel und will dann noch stärker auf hoch qualitative Stücke setzen, die sich nicht mit IKEA-Selbstaufbaumöbeln vergleichen ließen.

Fernandes: „Unsere Strategie im Wettbewerb mit IKEA in Loulé ist, zu bleiben wie wir sind, aber künftig noch besseren Service zu bieten, damit die Zufriedenheit unserer Kunden noch zunimmt. Wir werden die Qualität unserer Produkte herausstellen und mehr auf Möbel setzen, die hier in Portugal produziert werden.“ Portugiesische Käufer achteten sehr auf Preise, räumt er ein. Wer sich aber nicht um das Zusammenbauen seiner Möbelstücke kümmern wolle und einen Aufpreis dafür zahlen müsse, werde sich nach einiger Zeit sehr überlegen, ob er IKEA treu bleibe. „Deshalb gibt es keinen Grund für uns, in Panik zu verfallen. Warten wir ein Jahr ab und sehen, wo IKEA dann steht“, gibt sich der Möbelhändler gelassen.

IKEA bei Dekorationsartikeln „unschlagbar“

Auch seine Kollegin Teresa Mourinho von „Moveis Mourinho“, mit 85 Jahren Präsenz das traditionsreichste Möbelhaus der Algarve, rechnet damit, dass es nur in den ersten Monaten einen IKEA-Effekt zu beobachten geben werde: „Die Neugier der Portugiesen ist zwar groß, aber wenn sie ähnliche Möbel kostenfrei nach Hause geliefert und aufgestellt bekommen, werden sie zu großen Teilen zu den Händlern in ihrer unmittelbaren Umgebung zurückkehren.“

Gleichzeitig räumt Mourinho ein, dass IKEA im Segment der Dekorationsartikel praktisch „unschlagbar“ sei. Das Ausmaß eines möglichen Verlusts an Kunden mag sie nicht quantifizieren. „Wir sind auf den innerportugiesischen Markt ausgerichtet, die Kunden hier kennen uns und wir brauchen nicht zu werben. Wer zu uns kommt, tut das, weil er unseren besonderen Service schätzt, zum Beispiel den unserer eigenen Polsterwerkstatt“, sagt die Expertin.

Gründer Jose dos Santos Mourinho

Eine preisliche Reaktion auf IKEA schließt sie aus: „Denn wir hören, dass wir zwischen Sevilla und Sagres bei gleicher Qualität an Möbeln derzeit schon die besten Marktpreise bieten“, sagt Mourinho selbstbewusst. Dies gelte sogar für Sonderverkaufs-Aktionen.

Ihre Kundschaft wolle mittlere und große Möbelstücke nicht gerne selbst nach Hause transportieren und dort zusammenbauen. Etwas anders sei das vielleicht bei Kleinmöbeln, räumt die Fachfrau ein und sagt: „In rund sechs Monaten werden wir schon mehr sagen können“.

Auch „Dänisches Bettenlager“ expandiert an Algarve

Bereits im vergangen Jahr hatte ein weiterer skandinavischer Konzern, die Jysk-Gruppe (in Deutschland unter „Dänisches Bettenlager“ bekannt), eine erste Filiale an der Algarve eröffnet. Im Shopping Center Tavira Gran Plaza an der Ost-Algarve sind auf einer Verkaufsfläche von 700 Quadratmetern zehn Mitarbeiter tätig. Auch online wird seit letztem Jahr verkauft.

Dem Fachmagazin Möbelkultur sagte Geschäftsleiter Ole Nielsen, die Algarve sei „die perfekte Ausgangsbasis für die weitere Expansion in Portugal“. Dank guter Erfahrungen, die Jysk in Spanien gemacht habe, werde auch in Portugal das Filialnetz ausgeweitet. Die geschehe zunächst in den Ferienregionen.

Das vergangene Geschäftsjahr, das am 31. August endete, konnte das vom schleswig-holsteinischen Ort Handewitt gemanagte Dänische Bettenlager auf einen um sechs Millionen auf fast 1,3 Milliarden Euro gesteigerten Umsatz in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Italien, Frankreich, Spanien und Portugal zurückblicken. Insgesamt hat der Konzern 1.180 Fachmarkt-Filialen und City-Stores in Deutschland und Österreich sowie in der Schweiz, Italien, Frankreich, Spanien und Portugal.