Einmischung erbeten!

Die Dame um die 40, die uns in einem Hotelzimmer erwartet, wirkt etwas aufgelöst und hantiert mit einer Packung Pillen. Ansonsten ist sie eine gepflegte Erscheinung und auch das Hotelzimmer macht einen ordentlichen Eindruck. Der Page des 5-Sterne-Hotels, in dem die Dame untergekommen ist, macht eine fragende Handbewegung.
“Wir sollten Sie rufen!”, sagt er halb entschuldigend zu mir und verschwindet dann eiligst.
“Guten Tag, ich bin die Notärztin. Was können wir denn für Sie tun?”
Sie sieht mich unsicher an und fährt sich fahrig durch die Haare.
“Ich kann hier nicht bleiben.”
“Okay. Wo wollen Sie denn hin?”
“Ja… ich weiß auch nicht. Ich fühle mich sehr aufgewühlt. Ich weiß nicht, was ich tun soll!”
“Wollen Sie, dass wir Sie in die Psychiatrie bringen?”
“Nein. Ja. Nicht jetzt. Ich muss noch arbeiten. Morgen vielleicht. Jetzt können Sie mir bitte einfach etwas spritzen, damit ich mich beruhige.”
“Das werde ich bestimmt nicht tun!”
“Warum nicht? Dafür sind Sie doch hier!”
Ich seufze. Warum denken die Leute eigentlich immer, man sei eine fahrende Apotheke?
Ich checke das übliche ab. Versicherungskarte – privat. Pillen? Psychopharmaka, nur in der verschriebenen Dosis eingenommen. Suizidalität – nein. Psychiater – ja.
Es ist 23 Uhr.
“Sie wohnen doch hier in der Stadt, wieso sind Sie in einem Hotel?”
“Ja, nein, zu Hause, das geht nicht. Da kann ich nicht mehr hin!”
Ich tippe mach allem, was sie sonst noch so erzählt, auf einen akuten schizophrenen Schub. Sie lehnt nochmals die Einweisung in die Psychiatrie ab. Sie möchte am nächsten Tag ihren Psychiater aufsuchen. Den Namen und die Adresse kann sie wiedergeben. Verwandte oder Bekannte, die man zu ihrer Unterstützung holen könnte, kann oder will sie nicht benennen. Sie nennt ihren Bruder, den sie vielleicht anrufen werde. Insgesamt bleibt sie vage und möchte nicht, dass wir uns da einmischen.

Was tun? Mitnehmen oder dalassen? Es besteht derzeit keine Eigen- oder Fremdgefährdung, sie ist so weit verständig, dass sie weiß, wo sie ist und wo sie sich am nächsten Tag hinwenden kann. Aber so ganz wohl fühle ich mich bei der ganzen Aktion irgendwie nicht. Kann ich jemanden, der offensichtlich psychotisch ist, eine Transportverweigerung unterschreiben lassen? Ein Transport gegen ihren Willen würde zwar mein Gewissen beruhigen, gleichzeitig würde es wahrscheinlich in eine Aktion mit den Freunden in grün ausarten, da die Dame sich jetzt ja klar positioniert hat, sie will nicht mit. Sie möchte, dass man ihr etwas zur Beruhigung spritzt und dann alleine im Hotelzimmer zurücklässt. Klar würde wahrscheinlich nichts passieren, wenn ich sie eine Lorazepam expd. schlucken lasse, ausser dass sie sich wahrscheinlich tatsächlich beruhigen würde. Wenn aber doch was passiert, muss ich mich dafür rechtfertigen.

Jetzt seid Ihr dran! Wie hättet Ihr entschieden? Kommentare von medizinischen Laien sind ausdrücklich erwünscht! Das ist jetzt keine hochtrabende Notfallmedizin sondern eher so das bread and butter Zeug – damit hast Du jeden Tag zu tun und es bringt dich jedes Mal aufs Neue ins Schwitzen. Meine eigene Lösung präsentiere ich das nächste Mal.


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