Einmal mehr wird Menschen eine religiöse Identität zugeordnet

Einmal mehr wird Menschen eine religiöse Identität zugeordnetvon Siegfried Krebs

“Christen und Muslime. – Unterwegs zum Dialog”, unter diesem Titel haben die “Landesstellen für Evangelische Erwachsenen- und Familienbildung” in Baden und in Württemberg ein umfangreiches Kursmaterial herausgegeben. Im Vorwort heißt es zum Anliegen dieser Publikation: “Der Dialog zwischen Christen und Muslimen ist notwendig zum gegenseitigen Verstehen (…) Viele christliche Gemeinden haben begonnen, sich verstärkt mit dem Islam auseinanderzusetzen und die Begegnung mit Muslimen zu suchen.”

Und gerade dieser so falsche Ansatz ruft meine Kritik hervor. Zunächst, wieder einmal mehr kommt hier die ignorante bundesdeutsche Manie, jedem Menschen eine religiöse Identität zuzuordnen, zum Tragen. Und zugleich der Wahn der christlicher Theologen, dass Menschen sich unbedingt über Religionen unterhalten müssten. Demzufolge ist jeder (ethnische) Deutsche ein Christ, jeder Zuwanderer aus den Nahen und mittleren Osten sowie Nordafrika ein Muslim… Nicht- und Andersgläubige, egal welcher Herkunft, kommen da natürlich auch nicht vor.
Ist es nicht richtiger, wichtiger und auch normaler, dass Menschen, egal welchen Geschlechts, welcher Nationalität oder Staatsbürgerschaft ins Gespräch kommen? Ungezwungen. Und wenn ich in der Hinsicht eigene Erlebnisse und Beobachtungen aus mehreren Jahrzehnten reflektiere, dann ergaben sich Gespräche am Arbeitsplatz, im gesellschaftlichen Leben oder im privaten Rahmen zu den verschiedensten Themen: Land und Leute, Sitten und Gebräuche, Essen und Trinken, Familie, Beruf, Sport, Kunst… Weder meine Gesprächspartner noch ich kamen auf die Idee, religiöse Debatten führen zu wollen.

Doch nun zum Gegenstand dieser Besprechung. Das Kursmaterial besteht aus einem praktikablen vierfarbigen Ringbuch mit einem Didaktischen Leitfaden, detaillierten Kursplänen, umfangreichen Kopiervorlagen sowie Farbfolien. Eine beiliegende CD-ROM enthält alle Materialien sowie Bild- und Tonmaterial.

Gegliedert ist das ganze in fünf Kurseinheiten:

  • “Ich begegne dir und so erkenne ich mich. Du begegnest mir und so erkennst du dich.” – Unterwegs zum Dialog von Christen und Muslimen
  • “Gottes Thron umfasst Himmel und Erde” – Glaube und Glaubensbekenntnis in Islam und Christentum
  • “Edler Koran und Heilige Schrift” – Offenbarung in Islam und Christentum
  • “Kruzifix und Kopftuch” – Religion und Politik in Islam und Christentum
  • “Der Mensch – ein Kunstwerk” – Mensch und Gott in Islam und Christentum

Jede dieser Einheiten ist weiter untergliedert in die abschnitte Verlauf, Material und Hintergrund.

Aufgrund der inhaltliche Fülle verzichte ich auf eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit den einzelnen Texten. Stattdessen will ich hier nur einige stichpunktartige Anmerkungen machen.

Zunächst fällt mir die sehr selektive Textauswahl, insbesondere aus der Bibel, auf. Solcherart erscheint das Christentum als Hort der Toleranz. Man lese hierzu weiter bei Kubitza: “Der Jesuswahn”. Und salopp gesagt: An vielen Stellen drehen und winden sich die Autoren, um die eigene (überlegene) Toleranz zu suggerieren. So wenn es in 3H3 heißt: “Der Dialog ist keine Alternative zum christlichen Zeugnis, sondern eine Form der Vertretung der Wahrheit des Glaubens gegenüber anderen Glaubensgewissheiten.”

Es gibt keine objektive Analyse des Islam. Dieser wird – die Autoren sind ja allesamt evangelische Theologen – nur in Bezug aufs Christentum betrachtet…

Es wird unterstellt, dass alle Menschen aus den sogenannten muslimischen Ländern auch gläubige Muslime seien. Statt Sitten und Gebräuche auf den jeweiligen Kulturkreis zu beziehen, werden diese ausschließlich muslimisch determiniert.

Den Autoren gilt das Kopftuch, der Schleier als DAS islamische Symbol, nicht aber der Halbmond… Und, gibt es im “christlichen Europa” nicht auch Kopftuch und Schleier? Für Nonnen, Bräute oder als Pflicht bei Papstaudienzen?

Zusammenfassend: Auch in diesem Arbeitsmaterial werden mögliche Integrationsprobleme von Menschen unterschiedlicher Herkunft ausschließlich als Konflikte mit einer anderen (fremden) Religion fehlinterpretiert.

Diese Textsammlung mag für gläubige Christen gut geeignet sein, für Konfessionsfreie und nur formale Kirchenmitglieder ist sie nur wenig.

Lobenswert ist dagegen die sehr gute didaktische Aufbereitung des gesamten Kursmaterials. Aber das ist ja auch kein Wunder, wenn man bedenkt, dass evangelische Theologen bestens in Didaktik und Rhetorik an staatlichen Universitäten ausgebildet werden – auf Kosten der Allgemeinheit.

Andreas Guthmann u.a. (Hg.): Christen und Muslime. Unterwegs zum Dialog. Ringbuch. 250 S. W.Bertelsmann Verlag. Bielefeld 2010. 49,90 Euro. ISBN 978-3-7639-4698-3

[Erstveröffentlichung: Freigeist Weimar]

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