Einmal Fürstensuite für Pfennigfressen

Einmal Fürstensuite für PfennigfressenDas Auto hat er doch nicht gehabt. Oder später. Aber bezahlt! 850 Euro für einen Audi Q3, wo doch ein 3er BMW nur 158 kostet, das ist bestimmt kein Präsidentensonderrabatt. Ach, der BMW kostet das am Tag? Also eigentlich 4.700 im Monat? Und der Wulffsche Audi 850 im Monat?
Von Vorteilsnahme kann keine Rede sein, sagt der Anwalt des Bundespräsidenten, der seit dem Abgang von dessen umtriebigen Sprecher das Sprecheramt mitübernommen hat. Auch der geleaste Skoda, ja, Staatsmänner fahren das heute, war günstig. Aber er war ja bei weitem nicht der günstigste auf der ganzen Welt!"
Es habe keinen „Prominentenrabatt“ gegeben, der Bundespräsident habe ausdrücklich Wert darauf gelegt, marktübliche Konditionen zu bekommen.
Alles andere ist wie immer. Alles andere wusste er nicht. Musste er nicht wissen. Hat er seine Leute dafür. Dass Freund und Sprecher Glaeseker der "Oberschnulli" eines "Eventmanagers" war? Keine Ahnung. Dass die BW-Bank nicht allen ihren Kunden zinsgünstige Präsidentenkredite anbietet? Nie gehört. Dass das Ticket vielleicht mehr kostete als auf der Rechnung stand? Hat ihm niemand gesagt.
Doch halt, falsch. Im Falle Wulff war es ja die Fürstensuite beim Oktoberfest, für die ihm eine gefälschte Rechnung untergeschoben wurde. Das mit dem Ticket war der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir, aus einem früheren Leben als Kreditnehmer des Lobbyisten Moritz Hunzinger bekannt. Derselbe "Eventmanager", der Wulffs Sprecher faustisch in die Falle lockte, schob dem nach einem Kurzasyl im Europaparlament geläutert und gestählt in die deutsche Politik zurückgekehrten "Fan von Designer-Anzüger" (Der Spiegel) eine 119 Euro günstige Eintritsskarte für einen VIP-Platz bei einem Heimspiel des FC Barcelona gegen Real Madrid zu.
Nichts, wo man nein sagt. Sondern etwas, was man mal mitnehmen kann. Die Kosten für Anreise und Übernachtung in Barcelona, so versichert Özdemir, seien aus der Parteikasse der Grünen bezahlt worden, weil am Spieltag auch ein Treffen mit den katalanischen Grünen sowie ein Interview mit einer spanischen Zeitung stattfanden. In der "taz" spricht der Grünen-Chef zudem von einer "Pressekonferenz", die er in Barcelona bestritten habe. Die allerdings leider keinerlei Spuren in spanischen Medien hinterließ.
Das "taz", der Özdemir nach dem Bekanntwerden seiner Fußballbegeisterung eine Audienz gewährte, fragt nicht weiter nach. Nicht danach, welche Themen der frühere Experte beim Thema "HealthCare Logistics im Gesundheitswesen" mit den "katalanischen Grünen" zu besprechen hatte. Nicht danach, woher der Eventmanager überhaupt seine Terminplanung kannte. Nicht danach, warum sich auf Özdemirs Homepage keine hübschen Fußballfan-Bilder von ihm finden lassen.Und auch nicht danach, wann, wie und wo Özdemir seinen CO2-Ablass für Hin- und Rückflug nach Spanien entrichtet hat.
Das Prinzip wird auch so erkennbar, bei Wulff und Öszdemir, aber auch beim rheinland-pfälzischen Ministerpräsident Kurt Beck, der sich in seiner Zeit als SPD-Chef einen Privatjet-Flug für 3927 Euro vom "Eventmanager" spendieren ließ. Bei der ehemaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, die ihren 60. Geburtstag "zumindest teilweise auf Kosten des Eventmanagers" beging, wie der "Stern" schreibt. Beim heutigen SPD-Chef und Wulff-Ankläger Sigmar Gabriel, der vor Jahren eigens eine Firma im mitteldeutschen Halle gründete, um mit der Communication, Network, Service oder kurz CoNeS genannten Entität an einen Beratervertrag des Wolfsburger Autobauers Volkswagen heranzubekommen, bei dem er kurz vorher noch als Ministerpräsident im Aufsichtsrat gesessen hatte.
Nur einen Monat, nachdem Lehmann und Gabriel die CoNeS beim Gewerbeamt als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) eingetragen hatten, begann am 1. November 2003 der Beratervertrag mit VW über „Europäische Industriepolitik“. Fortan flossen monatlich etwa 10.000 Euro von VW auf das Konto der Unternehmensberatung, die weder im Telefonbuch noch im Internet verzeichnet war.
„Ich habe ein ausgesprochen gutes Gewissen“, verkündete der werdende Vater stolz, als sein Engagement öffentlich geworden war. Ein Satz, der mehr als nur ein bisschen an die Stellungnahme von Kurt Becks Regierungssprecher zum Freiflug des Ministerpräsidenten mit der Eventmanager-Air erinnert: „Da es keine geschäftlichen, privaten oder gar politischen Beziehungen zwischen Kurt Beck und dem Inhaber der MS Medien Management GmbH, Manfred Schmidt, gibt und auch nie gab, gibt es auch keinen Anlass zu weitergehenden Spekulationen.“ Merke: Ein geschenkter Flug ist keine geschäftliche, keine private und schon gar keine politische Beziehung.
Wie Beck „wahrscheinlich“ (Beck) „nicht mal wusste, wer den Flug bezahlt hat“, wusste Özdemir nicht, wieviel eine Eintrittskarte zur VIP-Lounge in Barcelona kostet. Wulff wusste nicht, wieviel für die Fürstensuite fällig wird. Gabriel konnte nicht ahnen, dass er den VW-Auftrag nicht wegen seiner tottel Frisur, sondern wegen seiner politischen Perspektive bekommen hatte. Auch Ulla Schmidt hielt die die Übernahme eines Teils ihrer Partykosten für eine nette Geste unter Namensgleichen. So wie der heutige Bundesradfahrerpräsident Rudolf Scharping einst glaubte, Özdemir-Kreditgeber Moritz Hunzinger habe aus lauter Liebe für 50.000 Mark beim Herrenausstatters Möller und Schaar für ihn eingekauft, wie der „Spiegel“ berichtete.
Nichtwissen. Nicht erwischt werden. Und wenn, dann nicht rot werden. Eine politische Klasse aus Krämerseelen und Kleingeistern, die zwei nimmt, selbst wenn sie nur eins schlucken kann, schafft sich ab. Pfennigfressen, sagt die Oma. Kennt sie von früher.
Oben im Schloss ist noch Licht. Und der Präsident singt zum Karaoke-Mix von The Whos "Behind Blue Eyes": "Doch mein Traum ist nicht zu Ende, meine Hoffnung stirbt zuletzt, ich halte Reden, ich gehe beten, und wenn ihr noch so sehr gegen mich hetzt".


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