Einführung zu der Veranstaltung "Der Iran hat gewählt, was nun?"
22.06.2013Politik & Gesellschaft erstellt von Helmut N. Gabel für mehriran.de
Die gut besuchte Veranstaltung in Hannover hat mehrere Menschenrechtsorganisationen zusammen geführt. Dr. Kamal Sido, Göttingen, sprach für die Gesellschaft für bedrohte Völker, Lydia Boons, Brüssel, sprach für die Internationale Organisation zum Schutz der Menschenrechte im Iran, Tessa Spethmann, Hannover, vertrat die Amnesty Hochschulgruppe Hannover. Prof. Dawud Gholamasad, Hannover, hielt das Einführungsreferat. Eingerahmt war die Veranstaltung von Textbeiträgen Barbara Naziris und durch Musik. Wir werden alle Beitrage nach und nach auf mehriran.de zur Verfügung stellen. Zunächst veröffentlichen wir die Eröffnungsrede.
Der Iran hat gewählt - was nun?
Was bedeuten die Ergebnisse? Welche Perspektiven eröffnen sich für die Zivilgesellschaft im Iran? Wie wird es mit der Menschenrechtssituation weiter gehen? Welche Konsequenzen sind für Europa zu erwarten?
Und wieder einmal ist im Iran etwas geschehen, das Unerwartet war. Im ersten Wahlgang der sorgsam vorsortierten Präsidentschaftswahl hat sich ein Kandidat mit 50,7% der Stimmen durchgesetzt, der im Westen als moderat hochgejubelt wird. Moderat. Eine Wortwahl, die das Regime im Iran und die Eigenaussagen des Wahlsiegers den wenigen ausländischen Pressevertretern ins Notizbuch diktiert hat und die Presseagenturen brav übernommen und verbreitet haben.
Der Handel mit Informationen und die Wahl von Worten sind gut organisiert. Sind Journalisten, die denken und hinterfragen wollen oder können ausgestorben?
Die Wortwahl scheint darauf hinzuzielen die Bevölkerung im Westen zu beruhigen. Manche werden sich entspannt zurücklehnen und denken: Gott sei Dank ist im Iran jetzt alles in Ordnung! Endlich eine Baustelle, die unsere Aufmerksamkeit gefressen hat, weniger!
Die Euphorie der Hoffnungen durfte sich auf den Straßen Irans austoben, zumal sich einige Tage später die Iranische Fußballnationalmannschaft für die WM in Brasilien qualifiziert hatte. Die Rufe nach Freiheit für Mousavi waren nicht zu überhören und auch Tod dem Diktator wurde skandiert. Die wenigen Scharmützel zwischen Feiernden/Demonstrierenden bei dieser Gelegenheit waren der deutschen Presse keinen Bericht wert. Immerhin: der G8 Gipfel und Obamas Besuch in Berlin warfen lange Schatten auf alle anderen Ereignisse.
Das Regime im Iran hatte große Sorge, dass seine Legitimität durch eine geringe Wahlbeteiligung bröckeln würde und hat alle Hebel in Bewegung gesetzt, um eine hohe Wahlbeteiligung zu erreichen, mit dem Preis, dass nicht des Obersten Führers treuerster Mann, Said Dschalili, das Rennen machen durfte, sondern eben Hassan Rouhani. Zwei Tage vor der Wahl sah es so aus, dass viele Iraner gar nicht wählen wollten, jedoch durch die Versprechungen Rouhanis und die Wahlempfehlung durch Rafsandschani und Khatami sich neue Hoffnungen bei der Wählerschaft auf einen iranischen Frühling regten und sie dem Regime eine Quote von ca 72% Wahlbeteiligung bescherten.
Was hat Rouhani versprochen?
· Schnelle Verbesserung der wirtschaftlichen Situation.
· Freilassung der politischen Gefangenen von 2009 innerhalb eines Jahres.
· Unterbindung der Verfolgungen ethnischer und religiöser Minderheiten im Iran.
Ablenkungsmanöver? Leere Versprechungen? Ab dem 10. August wird Hassan Rouhani das Gesicht Irans in der Welt verkörpern. Sein Tonfall mag freundlicher sein und weniger provokativ als Ahmadinedschads Wortwahl, aber ob das reicht den Iran auf den Weg zu einem Land zu führen, in dem Menschenrechte geachtet werden und Gerechtigkeit obsiegt, kann man aus heutiger Perspektive bezweifeln. Denn der andere Führer Irans mit Bart genießt den Status eines Pharaos. Der Oberste Herrscher Irans ist Ali Khamenei, ohne ihn dürfen die Zugvögel ihre Flügel nicht ausstrecken, heißt es.
Helmut N. Gabel, mehriran.de
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