Die Anwendung der Sicht
Während der Meditation ist der eigene Geist in sich selbst ausgeglichen wie ruhiges Wasser, glatt ohne Kräuselungen oder einer Brise. Und sobald irgendein Gedanke oder eine Veränderung in dieser Ruhe auftaucht, dann ist dies wie mit einer Welle im Ozean und ihr Auflösen in diesen hinein. Lässt man es natürlich, dann löst es sich auf – natürlich. Welche Unruhe sich im Geist auch entlädt – wenn man es sein lässt – dann wird sie sich in ihrer eigenen Weise totlaufen, sich selbst befreien. Und so ist die Sicht, die durch die Meditation entsteht, dass egal was erscheint, nichts anderes ist als der Selbstausdruck oder die Projektion des Geistes. Wenn man die Perspektive dieser Sicht in den Handlungen und Vorhaben des Alltags fortsetzt, dann verliert man das Greifen nach den dualistischen Wahrnehmungen der Welt als eine solide, feste und greifbare Wirklichkeit (die die Wurzelursache für unsere Probleme ist) und es löst sich auf. Der Geist ist wie der Wind. Er kommt und geht. Durch das Erhöhen der Gewissheit in diese Sicht, beginnt man den Humor der Situation zu schätzen. Die Dinge werden etwas unwirklich, und die Anhaftung und die Wichtigkeit die einem beim Handeln auszeichnen erscheinen lächerlich oder man wird jedenfalls fröhlich. So entwickelt man die Fähigkeit, die Wahrnehmung durch das Fortsetzen des fließenden Gewahrseins der Meditation im täglichen Leben, aufzulösen, indem man alles als das selbstmanifeste Spiel des Geistes erkennt. Und plötzlich hilft einem nach der Sitz-Meditation die Weiterführung dieses Gewahrseins, die Dinge still und leise und einfach zu tun und ohne gehetzt zu sein. Obwohl in gewissem Sinne, dass alles wie ein Traum, wie eine Illusion ist, geht man dann so humorvoll an die Dinge heran, sie auszuführen. Wenn man beispielsweise geht, ohne die Unnotwendigkeit einer Festlichkeit oder eines Selbstbewusstseins, aber schreitet fröhlich dahin durch den offenen Raum der Soheit, der Wahrheit. Wenn man isst, dann soll man eine Festung der Wahrheit sein. Sobald man isst, füttert man die Negativität und Illusionen in den Bauch der Leerheit, löst sie in den Raum auf. Und wenn man pinkelt, stellt man sich vor, alle Hindernisse und Blockaden von einem selbst werden gereinigt und weggewaschen.
Soweit ist nun die Essenz der Übung in einer Nussschale dargelegt, aber man muss schon selbst realisieren, dass solange man die Welt in dualistischer Weise wahrnimmt, bis man wirklich frei von Anhaftung und Negativität ist, und alle äußeren Wahrnehmungen in die Reinheit der leeren Natur des Geistes aufgelöst hat, noch immer in der relativen Welt von „gut“ und „schlecht“, „positiven“ und „negativen“ Handlungen feststeckt. Und man muss diese Gesetze schon respektieren und achtsam und verantwortungsvoll in den eigenen Handlungen sein.
Nach der Meditation
Nach der formellen Sitz-Meditation werden in den täglichen Handlungen das leichte raumgleiche Gewahrsein weitergeführt und allmählich wird das Gewahrsein stärker und das innere Zutrauen wird anwachsen. Ruhig erhebt man aus der Meditation. Man springt nicht auf oder fährt empor. In all den Handlungen bewahrt man sich eine leichte Art von Würde und Gelassenheit und man macht alles, was zu tun ist, mit Leichtigkeit und Entspannung von Geist und Körper. Man hält das Gewahrsein leicht gesammelt und zerstreut die Aufmerksamkeit nicht. Diesen Faden von Achtsamkeit und Gewahrsein behält man einfach fließend bei. Während des Gehens, des Sitzens, Essens oder beim Schlafen gehen, hat man eine gewisse Gelassenheit und Gegenwärtigkeit im Geist. Im Umgang mit anderen Menschen ist man ehrlich, sanft und aufrichtig. Im Allgemeinen sollte man eine erfreuliche Art haben und aufhören, Geschwätz und Tratsch fortzusetzen. Was immer man macht, sollte eigentlich im Einklang mit dem Dharma sein, welcher der Weg ist, den Geist zu beruhigen und Negativität zu bezwingen.
Diese Einführung in die Meditation basiert auf Belehrungen von S.H. Dudjom Rinpoche. Wenn auch Sie Ihre Erfahrungen mit Meditation mit anderen teilen möchten, würde ich mich über Ihren Kommentar hier freuen.