Einfallsraum: Irgendwann werden wir alle BIO sein

Von Lilligreen @lilligreen

„Revolution statt Evolution“ fordert Einfallsraum, „dazu gehört auch, sich auf Gebiete zu wagen, auf denen man scheitern kann.“ Diese Forderung an Verpackungsgestaltung stammt von Simon Ben Schreiber, seines Zeichens Designer und einer der Geschäftsführer der Agentur Einfallsraum in Kiel.  Einfallsraum ist ein Beispiel für eine junge Generation von Designern, die sich hauptsächlich im Bio-Segment und Naturschutz-Kommunikation einen Namen machen. Und sie wagen etwas: Sie gestalten bunt und modern, wo sonst Grau-Braunes Verzichtsdesign oder Herkunfts-Folklore ihr Zepter schwingt.

Ökologisch bewusstes Handeln, besonders auf lokaler Ebene ist für sie normal, deshalb ist Einfallsraum ein Beispiel dafür, wie junge Designer für ein attraktives Gesicht von Bio-Produkten sorgen. Die besten Beispiele dafür sind die Teemarke Schlürf oder der lustige Affe von Blömboom Trinkschokolade aus dem Portfolio der Agentur.

Hier spiegelt sich der Anspruch an das Produkt direkt in der Gestaltung der Verpackung: Bio und fair sind diese Produkte sowieso, also wird auf hohem Qualitätsniveau  und mit viel Sorgfalt gespielt. Man trifft hier ein Design, das sich traut, ausserhalb der ausgetretenen Pfade der Zeichenwelt zu agieren, denn wer sagt zum Beispiel dass Schokoladen-Kommunikation nicht auch pink-lila sein kann – wie bei Blömboom?

Trotzdem setzt Einfallsraum Verpackungselemente ein, die den Inhalt sinnvoll schützen und aber auch solche, die zum Verschenken dienen. So ist die opulente Schmuckkartonage mit Tee-Einzelportionen so auffällig wie der wiederverschließbare Standbeutel mit losem Tee praktisch ist. Beide Packmittel sind auf unterschiedliche Kundenbedürfnisse und Alltagssituationen ausgelegt, mit mal viel, mal wenig Pomp.  Auch die Namensgebung für die Produkte läuft bei Einfallsraum anders:  die Teesorten bei Schlürf senden keine modischen Heilsversprechen, sondern norddeutsche Namen wie „Ole“ oder „Telse“, deren mutmaßliche Eigenschaften gleich in den Claim mit eingearbeitet sind. So liest man bei Bio-Eistee „Elke“: „Elke – Exotisch wie ihre Augen“.

Achtung! Humor! Wer hier lacht, hat verstanden, dass auch anspruchsvolle Produkte mit einem Augenzwinkern verkauft werden können. Zumindest in der noch exklusiven Käufergemeinde im Bioladen.

Sind Bio-Käufer toleranter, humorvoller und dazu bereit, mehr Geld auszugeben als die „Normalos“ im Discounter? Für die Einfallsraum-Designer Simon Ben Schreiber und Jaane Louise Graeser spielt das keine Rolle; sie orientieren sich nicht an solchen Denksperren. Denn wie wäre es sonst möglich, sagen sie, auch an günstige Produkte einen höheren Gestaltungsanspruch anzulegen, wie zum Beispiel in vielen europäischen Nachbarstaaten? Entscheidend sei der Anspruch an ein Produkt und an die eigene Zukunftsfähigkeit. Denn irgendwann, so die selbstbewussten Kieler, werden wir alle „bio“ sein!

Typische Einfallsraum-Projekte drehen sich im Idealfall um Naturschutz, um biologische Erzeugung und alternative Energien. In diesem Segment fühlen sich die Designer aus ihrer Überzeugung heraus pudelwohl und etablieren das Öko-Segment mit Themen wie Artenvielfalt, Umweltschutz und bewusstem Konsum als ihr Spezialgebiet.

Einfallsraum wissen genau, welche Rolle sie als Designer für den Kunden einnehmen wollen – nämlich eben nicht die des Schönmachers am Ende der Prozesskette.

> Webseite: www.einfallsraum.com

(Autor: Birgit S. Bauer ist Autorin und Herausgeberin der Diskurs-Plattform designkritik,
die sich für die Vermittlung von Designtheorie und -kritik stark macht. > www.
designkritik.dk)