Einfach mal Nachrichten gehört

In den letzten Tagen habe ich ausgiebig die Nachrichten verfolgt. Und zwar nicht in der Hauptsache für den Ohrfunk, sondern für mich. Endlich habe ich mal wieder mein eigenes Gefühl zu den Nachrichten entwickelt, die uns umgeben.Da ist die katastrophale Ölpest im Golf von Mexico, für die kein Ende abzusehen ist. Millionen Liter Rohöl sprudeln Tag für Tag ins Meer, naja, nicht Millionen, aber doch sehr viele Tausend. Ein Schreckensszenario, wenn man sich vorstellt, dass irgendwann das ganze Meer von Öl bedeckt sein wird. Natürlich müssen oder dürfen wir Ölfördern, und vielleicht hat an dieser Katastrophe niemand wirklich Schuld, aber man sollte eine Technologie erst zum Einsatz bringen, wenn man sie wirklich beherrscht. Das heißt, dass man doch jetzt irgendwie auch das Bohrloch stopfen muss. Wenn ich annehme, dass es auch im Interesse von BP ist, die Katastrophe so schnell wie möglich in den Griff zu bekommen, dann finde ich es einfach nur erschreckend, wie wenig der Mensch offenbar ausrichten kann. Aber das Schlimmste ist, dass wir uns das Ausmaß der Katastrophe nicht vorstellen können. Ein Ölteppich, der größer und größer wird, der natürlich die Pflanzen und Tiere trifft, die elendig zugrunde gehen. Wieviele Tier- und Pflanzenarten werden der Ölpest zum Opfer fallen, die wir nie wieder sehen werden auf diesem Planeten? Wie viel des Ökosystems Meer stirbt wegen der Geldgier und der Unvorsichtigkeit des Menschen? Ja ich weiß, das klingt so platt und so weit weg, aber in Wirklichkeit betrifft es uns doch alle, und in jedem Falle die folgende Generation. Es ist eben nicht weit weg.

Wie klein nehmen sich dagegen die menschlichen Streitigkeiten aus. Trotzdem sind sie für uns natürlich wichtig. Zum Beispiel die Frage, ob die deutsche Regierungskoalition zusammenbricht oder nicht. Die Regierenden streiten. Über die Gesundheitsreform, über die Aussetzung der Wehrpflicht und über das Sparpaket als Ganzes. Nebenbei noch die Bundespräsidentenwahl. Ich höre immer wieder, die Koalition steht vor dem Zusammenbruch. Das ist quatsch, entschuldigt bitte, aber das ist unsinn. Die Koalition hat eine satte Mehrheit im Bundestag, sie wäre schön blöd, wenn sie sich jetzt auf Neuwahlen einlassen würde, und darum wird sie an der Macht festhalten. Es gäbe ja auch, ehrlich gesagt, keine vernünftige Alternative, oder? Und die Wahlbeteiligung würde noch mehr sinken. Nein: Die Koalitionäre werden sich streiten, aber sie werden bei den entscheidenden Abstimmungen zusammenhalten. Vielleicht nicht bei der Wahl des Bundespräsidenten, aber im Bundestag schon. Denn bei aller Unterschiedlichkeit gibt es doch einiges, was sie verbindet. Sie wollen die Staatsausgaben senken, oder zumindest sparen, die Schulden zurückdrängen. Und zumindest im Sozialbereich haben sie einen gemeinsamen Nenner. Auf Sozialkürzungen kann man sich einfach einigen, da geht nicht der Wirtschaftsstandort Deutschland verloren, der sich ja vor allem auf den Export stützt. Die sozial Schwachen können sich nicht wehren, und wenn sie doch mal demonstrieren, dann kann man sicher sein, dass ein paar Verrückte dabei sind, die zur Gewalt greifen und die gute Sache der Demonstrationen in Misskredit bringen. Oh wie ich das hasse! So wird sich die Koalition um der Macht willen an der Macht halten, und ich habe immer weniger Lust, mich mit unserer inländischen Politik zu beschäftigen. Ich tue es natürlich trotzdem, denn ich will eben nicht politikverdrossen werden. Es ist aber nicht einfach.

Und dann die Niederlande, meine zweite Heimat. Ich kann gar nicht fassen, dass unter den Menschen, die ich als besonders freundlich kennengelernt habe, so viele sind, die einen Rechtspopulisten gewählt haben. In meiner Wahlheimatgemeinde Maasgouw sind es 26,8 %. Das will nicht in meinen Kopf. Wovor haben diese freundlichen Menschen Angst, die doch jeden Neuankömmling freundlich empfangen? Das Zusammenleben mit Menschen anderer Herkunft war früher zumindest nie ein Problem, und es gab zwar einige, aber nicht übermäßig viele. Ich weiß noch, wie einige palästinensische Familien im Herbst 1990 bei uns auftauchten. Die konnten weder niederländisch noch deutsch, aber es war egal. Sowohl die Deutschen, die dort lebten, als auch die Niederländer, unterhielten sich mit Händen und Füßen mit ihnen, und es sind daraus Freundschaften entstanden, die Jahrelang gehalten haben. Was ist es also, was die Limburger in die Arme von Geert Wilders treibt? Wieder so ein selbstherrlicher Typ, der das Wort Demokratie ständig im Munde führt, aber einziges Mitglied seiner Partei ist, damit er alles selbst und allein bestimmen kann, zum Beispiel die Kandidatenliste für die Parlamentswahl. Wilders muss sich nicht an demokratische Strukturen halten, er ist die Partei. Und rund 16 % der Niederländer haben ihn gewählt. Und jetzt besteht immerhin die Möglichkeit, dass ein rechtes Kabinett an die Macht kommt. Wir werden sehen.

Und dann ist da noch Belgien. Ich habe mal im Spaß gesagt, dass der einzige Belgier der König ist. Und ich glaube, ich habe recht. Der und seine Familie nämlich sind weder Valonen noch Flamen. Die wurden damals aus Deutschland importiert, und die Familie lebt immer und vollständig zweisprachig und gehört keiner der beiden Volksgruppen an, oder beiden, wie man es nimmt. Aber ansonsten? Warum haben die Belgier sich überhaupt als Einheit gegen die Niederländer erhoben vor 180 Jahren? Okay, damals wurde das Ganze vom französisch sprechenden Großbürgertum getragen, und die Verhältnisse haben sich jetzt geändert. Knapp 60 % der Belgier sind Flamen, und Flandern ist der reiche Landesteil. Auf sich allein gestellt könnte die Valonie nicht überleben, aber die Flamen haben keine Lust mehr, für die Valonen zu bezahlen. Also: Die Valonen sind Belgier, weil sie Geld bekommen? Vielleicht nicht, aber es spielt bestimmt eine Rolle. Die Flamen wollen zu einem Großteil keine Belgier mehr sein. Und jetzt hat bei der Parlamentswahl eine nationalistische Partei in Flandern gewonnen. Bart de Wever, der Chef der neuen flämischen Allianz, sagte: “Wir haben nicht eine Demokratie, sondern 2. Da istt es doch nur logisch, dass jeder mehr sein eigenes Ding machen sollte.” Und wenn ich mir Belgien so anschaue, muss ich ihm recht geben. Im Parlament sitzen nicht einfach Parteien wie Sozialisten, Grüne, Liberale und Christdemokraten, sondern es sitzen da flämische und valonische Sozialisten, flämische und valonische Grüne usw. Und die politischen Familien sind sich nicht immer einig, denn sie vertreten eben die Interessen ihres Sprachgebietes oder Landesteils. Eine Regierungskoalition muss nach der belgischen Verfassung aus Parteien beider Sprachgebiete bestehen. Wenn aber alles schon so getrennt ist, wie kann das dann noch zusammenhalten? Vielleicht sind die Belgier auf dem Weg, ihr schönes kleines Modellländchen aufzugeben. Aber was dann? die Republik Flandern, die Bart de Wever anstrebt, könnte vielleicht existieren, aber die Valonie? Die müsste sich an Frankreich anschließen. Und was wird dann aus der deutschsprachigen Gemeinschaft, die auch noch Teil der Valonie ist? Geht die mit nach Frankreich, oder kommt sie zu Deutschland? Und was wird aus Brüssel? Die Flamen wollen Brüssel für sich, die Valonen sehen das ganz anders! Da ist noch Konfliktstoff für viele Jahre. Jetzt müssen die Parteien mit den gegensätzlichsten Standpunkten eine Koalition eingehen. Denn nur gemeinsam können die flämischen Nationalisten und die valonischen Sozialisten, die sich für den Erhalt und teilweise sogar die Stärkung des belgischen Staates einsetzen, eine Regierung bilden.

Tja, und dann gibt es da noch diese Kleinigkeiten, die plötzlich an die Oberfläche drängen. Wie das Fußballspiel gesternabend. Nein, nicht eigentlich das Spiel, sondern der Skandal in der Halbzeitpause, der nichts mit Sport zu tun hatte. Zum Tor des allgemein für formschwach gehaltenen Miro Klose sagte die ZDF-Moderatorin Kathrin Müller-Hohenstein in der Halbzeitpause, das sei ja ein innerer Reichsparteitag für ihn gewesen, dass er in diesem Spiel endlich wieder getroffen habe. Noch in derselben Sekunde empörten sich einige Twitterer, ich habe das live beobachten können. Aus den Wenigen wurden stets mehr, Blogger griffen das Zitat auf, und binnen einer Stunde hatten es zwei bundesweite Zeitungen in ihren Online-Ausgaben. Das ZDF rechtfertigte den Ausspruch zunächst mit der Erklärung, es habe sich einfach um einen Alltagsausdruck für ein freudiges Ereignis gehandelt. Die blogger und Twitterer erwiderten, dass es ja eben das Schlimme sei, dass ein solcher Ausdruck für Freude stehe, und dass eine deutsche öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt diesen Begriff benutze. Das ZDF gab nach. “Wir haben mit Frau Müller-Hohenstein gesprochen, und sie bedauert den Ausspruch, es wird nicht wieder vorkommen”, ließ der Sportchef des Senders wissen. Ich frage mich, was jetzt aus der Moderatorin wird. Sportereignisse werden nur sehr sehr selten von Frauen kommentiert und analysiert, und wenn doch, dann stehen sie unter besonderer Beobachtung. Vor 5 Jahren hatte Manni Breuckmann, eine absolute Sportreporterlegende, in einem TAZ-Interview erzählt, dass er auch mal von einem inneren Reichsparteitag gesprochen habe. Zwar habe man ihm das in der Redaktion mal vorgeworfen, aber er ist ansonsten nie behelligt worden. Bei Frau Müller-Hohenstein regen sich alle auf. Damit ich hier nicht falsch verstanden werde: Ich bin absolut gegen diesen Ausspruch, und man sollte darüber nachdenken, warum er in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen zu sein scheint. Ich zumindest würde ihn nie benutzen. Aber man sollte einer Journalistin oder einem Journalisten zugestehen, dass sie oder er mal einen Fehler macht. Ich könnte mir vorstellen, dass Frau Müller-Hohenstein diesen Begriff nie wieder in den Mund nimmt. Wäre doch ausreichend. Aber ich habe so das Gefühl, dass die hochkochenden Emotionen jetzt ihr Opfer fordern, oder dass das ZDF in vorauseilendem Gehorsam dafür sorgt, dass die Dame nie wieder die Gelegenheit erhält, einen Fehler zu machen.

So, das war ein morgentlicher Rundumschlag durch die Nachrichten, fast völlig unjournalistisch und dafür einfach aus mir heraus. Es tut gut, nachrichten auch mal wieder einfach so zu hören und dabei nicht über einen Kommentar oder Beitrag nachzudenken.


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