Einer will immer mehr

 

Geht nicht ran? Klar, geht immer ran. Jeder.

Geht nicht ran? Klar, geht immer ran. Jeder.

„Ich wähl deine Nummer, du bist kaum aus dem Haus. Vermiss dich nach Stunden schon sehr. Du gehst nicht ran – vielleicht Akku leer? Die Nacht bleibt ohne Funkverkehr.“ So schildert Sängerin Annett Louisan in ihrem aktuellen Album diese Lebens- und Liebessituation, die wir alle kennen und unter der wir doch alle schon gelitten haben – egal, auf welcher Seite wir stehen. Diese Situation heißt, wie auch das Lied: „Einer liebt immer mehr“. Einer liebt mehr, einer hofft mehr, einer will mehr – und das geht schon los, wenn wir uns gerade erst kennengelernt haben.

Tatsächlich sind es zu Beginn einer Beziehung oft Männer, die ziemlich schnell und bedingungslos für eine Frau entflammen. Denn Männer, so Single- und Partnerschaftsberater Christian Thiel, glauben viel häufiger als Frauen an Liebe auf den ersten Blick: „Die meisten haben kaum andere Vorstellungen von Liebe und Partnerschaft als jene, die sie in den Medien vermittelt bekommen”, sagt Thiel. “Männer glauben an die Liebe auf den ersten Blick, weil das ihr simples Bild davon ist, wie eine Partnerschaft zustande kommt.”

Und um sich vom romantischen Blitz getroffen zu fühlen, reichten ihm dann, so der Experte, in der Regel auch schon zwei Dinge: “Das Aussehen der Frau und ob sie Interesse an ihm signalisiert.” Sind diese Punkte erfüllt, ist der Mann bereit zu entflammen, glaubt gerne schnell, seine Seelenverwandte gefunden zu haben. “Frauen halten diese erste Anziehung selten gleich für Liebe, checken viel mehr Kriterien wie Bildung, Status und Charakter”, sagt Thiel. So gestehen sieben Prozent der Männer schon nach dem ersten Date der neuen Bekanntschaft ihre Liebe, umgekehrt ist es kaum ein Prozent.

Doch haben die Frauen sich dann nach ihrem Check für einen Mann entschieden, dann wollen sie ihn voll und ganz und überhaupt – und das Ganze kippt. Die Beziehungsdynamik verändert sich. Für ihn ist die Sache nun klar, er hat die Frau erobert, sich an sie gewöhnt, dann kann man sich ja auch mal wieder entspannen. Und sie? Denkt an ihn, macht Pläne, will Bestätigung, macht sich Gedanken über Dinge, die er tut oder sagt, fragt nach, ruft an – und er geht nicht ran, vielleicht Akku leer?

Mit diesem Ungleichgewicht umzugehen, das ist wohl eine der größten Herausforderungen einer Beziehung. Denn die ist nicht per se schlecht, weil einer mehr, der andere weniger gibt, liebt, investiert. In der Tat wird man wohl keine Partnerschaft finden, in der die Zuneigung, die Sehnsucht und das Nähebedürfnis zu jeder Zeit exakt gleich verteilt sind. Und wenn, wäre das nicht langweilig? Dieses Ping-Pong-Spiel der Liebe, das Neue-Grenzen-Ausloten, das Sich-immer-wieder-neu-Erobern sorgt doch auch irgendwie dafür, dass es aufregend bleibt, wir etwas zu denken haben. Oder, wie Annett Louisan singt: „Mein Herz macht Terz.“



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