Einen Stern vom Himmel/Every Jack will find his Jill

Quelle:  Silke Heichel

Quelle:
Silke Heichel

Autor:

Silke Heichel

Genre:

Liebesroman

Schönholm, Lübecker Bucht, Schleswig-Holstein

Was fängt man mit einem Stern an?
Wenn er die Erdatmosphäre durchdränge, ohne zu verglühen. Wenn er klein genug wäre, um ihn halten zu können, ohne wegzuschmelzen oder das Augenlicht zu verlieren. Sicherlich wäre er noch immer höllisch heiß und seine Leuchtkraft dürfte gewaltig sein.
Michelle blickt in den Morgenhimmel, an dem nur noch wenige der kleinen Punkte glitzern. Sobald die Sonne über den Horizont steigt, werden auch sie verschwinden und nichts wird bleiben außer der Erinnerung.
Bis sie wieder sichtbar werden.
Als Kind hielt sie den nächtlichen Sternenhimmel für ein riesengroßes Kissen voller Diamanten. Wie im Märchen der Gebrüder Grimm wartete sie darauf, dass sie herunterfielen. Aber was, wenn es tatsächlich passieren würde? Nicht in Form von Talern oder anderen Münzen …
Sie sucht sich den Stern aus, der am hellsten leuchtet.
Wenn dieser in ihre Hände fiele … was finge sie damit an?
Seine Schönheit dürfte er eingebüßt haben. Was bliebe von ihm?
Ohne den samtig schwarzen Hintergrund des Nachthimmels. Ohne seine funkelnden Freunde … Ohne all das, was ihn ausmacht …
Warum versprechen manche Männer ihrer Liebsten die Sterne vom Himmel? Sie sind doch viel schöner anzusehen dort oben am Dach der Welt!
Entfalten sie nicht eine viel größere Wirkung, wenn man zu zweit unter ihnen wandelt? Händchenhaltend, wie sie es jetzt mit Mike tut. Der niemals so etwas verspräche. Weil er genau weiß, dass diese Art Versprechen zu halten, unmöglich ist.
Michelle sieht Mike an, fängt sein Lächeln auf.
Vor der Tür ihres Elternhauses bleiben sie stehen. In Anlehnung an alte Traditionen hat sie ausnahmsweise hier die Nacht verbringen wollen. Bevor Mike ihre Pläne durchkreuzte.
„Geh jetzt, Mike!“, flüstert sie.
Stirnrunzelnd betrachtet er sie, beugt sich zu ihr runter, küsst sanft ihren Mund. „Warum?“
„Weil ein paar Minuten Schlaf nicht zu verachten wären.“
„Iwo! Schlaf wird überbewertet!“
„Und Duschen?“
„Auch.“
Sie lacht. „Das sagst du nicht mehr, wenn ich anfange zu stinken!“
„Du doch nicht!“ Während er das sagt, schnuppert er an ihrem Hals.
Es kitzelt und sie kringelt sich. „Schleimer!“
Sie versucht, sich von ihm zu lösen. Doch als er sie mit kräftigen Armen an sich zieht, wehrt sie ihn nicht ab.
Mike ist um einiges größer als sie und schon immer hatte sie das Gefühl, er könne sie vor allem Übel der Welt beschützen. Bei ihm fühlt sie sich sicher und geborgen. Er strahlt eine Gelassenheit aus, die ihr unruhiges Herz stets zu besänftigen vermag.
„Du solltest gar nicht hier sein!“, wendet sie unter den Küssen ein, mit denen er ihren Hals bedeckt.
„Warum nicht?“, fragt er, ohne mit seinen Liebkosungen aufzuhören.
Sie weicht zurück, bis sie die Außenwand des Hauses berührt. Die Kälte durchdringt ihre dünne Bluse. Ihre Haut prickelt in der frischen Morgenluft. Oder wegen seiner Berührung?
Lange ist sie nicht mehr so aufgewühlt gewesen. Wegen der Nacht, die hinter ihr oder dem Tag, der vor ihr liegt? Weil es so verrückt ist, was sie gerade tun?
Nach einer durchzechten Nacht in den Morgenstunden nach Hause kommen – das passt nicht zu Mike. Es passt auch nicht in ihr normales Leben. Früher, ohne Mike, zählte es zum Normalzustand. Früher machte sie ständig verrückte Dinge. Aber heute nicht mehr. Ihr Leben ist ruhig. Angenehm ruhig.
„Kommt gleich dein Papa und schüttet mir einen Eimer Wasser über den Kopf?“ Mike reißt die Augen auf.
Lachend sagt sie: „Quatsch!“, und Mike stimmt in ihr Lachen ein. „Also, ziehst du noch mit mir um die Häuser?“, hakt er nach, mustert sie, und sie schüttelt ungläubig den Kopf.
Er hält ihre Hände locker in seinen, streichelt ihre Handrücken mit den Daumen. „Du bist ja eiskalt!“ Schon versucht er, sie zu wärmen.
„Ich weiß.“ Sie lächelt und verscheucht die aufkommende Erinnerung. An früher.
Vor jedem Auftritt hat sie kalte Hände bekommen und alle lachten über sie, wenn sie sogar im Hochsommer Tee bestellte – nur, um die warme Tasse festzuhalten.
Na und, zischt eine Stimme in ihrem Inneren, es hat nichts zu bedeuten!
Jede Braut bekommt kalte Füße wegen des großen Tages, jeder Bräutigam ebenfalls. Sie bekommt eben kalte Hände. Sie ist schon immer anders als andere Menschen gewesen. Früher schwamm sie ganz bewusst gegen den Strom, eine kleine Rebellin eben. Vielleicht ist es ein Überbleibsel aus ihrer wilden Zeit.
Fast glaubt sie daran …
„Was ist dein Problem?“, will Mike wissen.
Ja, was? All die Zeichen, die das Schicksal ihr im Vorfeld gegeben hat? Die sie trotzdem ignorierte.
„Sind es die Schuhe?“, hakt Mike nach. „Du hast ein Paar viel schönere gefunden.“
Eins der Zeichen. Und ja, die neuen sind ein Glücksgriff.
„Die Suite? Vergiss es! Irgendein Schussel hat die Buchung verschlampt. Wir haben uns genug darüber geärgert!“
„Du glaubst nicht, dass mehr dahinter steckt?“
„Nein.“
Wahrscheinlich hat Mike recht. Es ist vollkommen bedeutungslos. Ihre Zweifel unbegründet. Sie sind füreinander bestimmt! Sie trägt sogar die weibliche Form seines Namens. Und bald seinen Familiennamen.
„Vielleicht steckt das Hotel doch in finanziellen Schwierigkeiten und jemand hat sich bestechen lassen“, grübelt sie laut.
„Damit jemand anderes ausgerechnet an diesem Tag diese Suite bekommt? Ich bitte dich! Wer würde so etwas tun?“ Prüfend mustert Mike ihr Gesicht.
Sie zuckt mit den Schultern. „Keine Ahnung.“
Für einen Moment blickt Mike traurig. „Hat es … mit meinem Vater zu tun?“
Sein plötzlicher Tod hatte sie alle schockiert. Er war ein herzensguter Mensch gewesen und er mochte sie – im Gegensatz zu Mikes Mutter. Mitten in den Planungen bedeutete der Verlust den Beginn einer Reihe von Zwischenfällen, die ihre Vermählung scheinbar boykottieren wollten und Michelle tief verunsicherten. Beinahe hätte sie alles hingeschmissen. Allein Mikes Überredungskünste ließen sie daran festhalten.
„Du weißt, er hätte nicht gewollt, dass wir die Hochzeit verschieben.“
„Ja, ich weiß. Das ist es auch nicht.“
„Was dann?“
„Vielleicht … hätten wir die Nacht nicht zusammen verbringen dürfen!“
„Und auf den Mondschein verzichten? Auf das laue Lüftchen? Die Nacht im Sand?“ Mike küsst ihre Hände, eine nach der anderen.
„Es bringt Unglück!“
Er schüttelt belustigt den Kopf. „Seit wann bist du abergläubisch?“
Aberglaube … Ist es das?
Oder ist es dieser Gedanke, der sie für den Bruchteil einer Sekunde erschüttert? Den sie sich versagt, weil er so gemein wie unrecht ist: Dass ihr Leben endgültig vorbei ist, sobald sie Mike heiratet. Es ist ein Einschnitt, ja. Aber doch nicht falsch! Oder?
Du hast mir nie einen Stern versprochen!
Sie schüttelt den Kopf, um den Unsinn zu verscheuchen.
Mike und sie sind in derselben Stadt geboren und aufgewachsen, haben zusammen gespielt, die gleichen Schulen besucht, lange Zeit zu derselben Clique gehört. Eine klassische Sandkastenfreundschaft, die in eine Liebesbeziehung mündete.
Soll darin auch alles enden?
Sie streicht über Mikes blondes Haar. Berührt sein warmes Gesicht, seinen lächelnden Mund. Die Überstunden und der häufige Schlafentzug haben ihre Spuren hinterlassen. Die Fältchen um seine Augen machen ihn älter als er ist, gleichwohl zunehmend attraktiver.
Das ist alles, was ich fühle, wenn ich ihn ansehe? Sollte da nicht mehr sein? Bei dem Mann, den ich zu heiraten gedenke. Wo ist das Herzklopfen? Wo sind die Ameisen und Schmetterlinge?
Haben sie dieses Stadium übersprungen, weil sie sich zu lange kennen?
Gleichzeitig blitzt ein anderes Gesicht vor ihrem inneren Auge auf. Ein Gesicht, das niemals solche Zweifel in ihr hervorgerufen hat. Wenn sie es ansah, wusste sie, was sie fühlte.
Betrübt verzieht sie den Mund. „Wenn es um unsere Hochzeit geht, bin ich wohl abergläubisch.“
Mehr als das!
Sie hat alle denkbaren Maßnahmen ergriffen, um das Negative der letzten Wochen auszugleichen: Ihr Schleier ist etwas Altes. Neu sind Brautkleid, Schuhe und die sexy Dessous; ihr Strumpfband ist blau. In ihrem Schuh wird ein Pfennig stecken, den sie vor vielen Jahren gefunden hat und seitdem als Glücksbringer bei sich trägt. Einer mit einem „G“ darauf, weil ihr mal jemand gesagt hat, nur diese Art seien Glückspfennige, und weil sie genau diesen einst gefunden hatte. Wenn das kein Fall von Glück gewesen ist!
Es kann also gar nichts schiefgehen!
Seit wann bist du abergläubisch? Ja, seit wann? Oder sollte die Frage lauten: warum?
Mike zieht sie fester an sich. „Mach dir nicht so viele Gedanken! Alles ist gut! In zehn Stunden sind wir verheiratet!“
Seine leuchtenden, grünen Augen schelten sie für ihre Zweifel. Er ist das Beste, das ihr passieren konnte. Sie vermisst nichts. Muss sie auch nicht, weil sie alles ausgekostet hat. Sie kann getrost in ruhigeren Fahrwassern dümpeln.
„In zehn Stunden kann viel passieren“, erwidert sie. Aber in ihren Gedanken mogelt sich ein weiterer Satz dahinter: nur nicht mehr in meinem Leben.
„Also werde ich mit dir kommen und keine Sekunde von deiner Seite weichen!“
„Warum? Weil du auch abergläubisch wirst?“
„Nein, weil ich Sorge habe, dass du vor lauter Panik davonläufst!“
Verlockender Gedanke!
Wäre weglaufen und sich irgendwo verstecken das Schlechteste? Wenn sie davon absieht, dass sie das Mike nicht antun kann …

Info:

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“Einen Stern vom Himmel“

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