Eine Woche Steinbrück

Fast eine Woche lang hatten wir  Zeit, Steinbrück zu beobachten. Er hatte eine ganze Reihe von Presseterminen, er hat sich bei ARD und ZDF eingefunden, er hat eine Unzahl von Interviews gegeben. Eingeleitet wurden diese ersten Schritte in einen späteren Wahlkampf durch Umfragen, die belegten, dass er faktisch chancenlos gegen die Amtsinhaberin ist. Die Woche läuft aus mit einer Reihe von Umfragen, die sich da nicht mehr ganz so sicher sind.

Es gibt eine Reihe von Auffälligkeiten, die wir aller Vorraussicht nach im Wahlkampf dann in voller Entfaltung sehen werden.

An allererster Stelle ist zu beobachten, dass die Linke, konkret die Linkspartei, es mit diesem Kandidaten sehr viel leichter haben wird als die Rechte, also FDP und CDU. Die Linkspartei frohlockt ganz offensichtlich über die Nominierung Steinbrücks, da er ihr Gelegenheit gibt, sich zusammen zu finden. Steinbrück steht mehr als Merkel für politische Ereignisse und Begriffe, aufgrund derer sich überhaupt mal eine WASG gegründet hat und aufgrund derer es eine Vereinigung mit der PDS gab. An Steinbrück kann sich ein Lafontaine oder aber auch eine Katja Kipping besser abarbeiten als ein Rösler oder ein Hermann Gröhe, und das tun sie auch.
Er befreit die Linkspartei allerdings nicht von der Frage, mit wem sie ihre Agenda umsetzen will.Sie kann sich durchaus erfolgreich in Steinbrück verbeissen, aber auf diesem Wege vor allem beweisen, dass sie keine Perspektive für einen Politikwechsel hat und deswegen selbst auch nur sehr bedingt eine Perspektive für einen solchen Wechsel ist.

Gleichzeitig waren CDU und FDP in dieser Woche vor allem damit beschäftigt haben, sich nicht mit Steinbrück zu beschäftigen.

Der FDP ist das nicht wirklich gelungen. Die Medien haben ihr eine Reihe von Knochen hingeworfen, auf denen sie auch artig herumgekaut hat, allen voran die Diskussion einer Koalition, die man getrost ausschliessen kann und die Peer Steinbrück auch schon ausgeschlossen hat. Sollte die FDP sich nicht im Laufe des nächsten Jahres ein glaubwürdiges sozialliberales Profil verpassen, daran hat der Kanzlerkandidat keinen Zweifel gelassen, ist das für ihn kein Partner. Wir hören zwar dann und wann aus den Reihen der ehemals Liberalen, dass sie diesen Wandel oder vielmehr eine solche Ergänzung auch für sinnvoll hielten, aber seit Röslers Amtsübernahme ist es der Partei bestenfalls gelungen, dadurch auch ihr  Profil zu verwässern. Die FDP sieht damit 12 Monaten Wahlkampf entgegen, in denen sie wie ein Gewicht an Merkels Hosenanzug hängt.

Das schafft Raum für eine andere interessante Dynamik, denn es gibt ja durchaus Anhänger der amtierenden Koalition. Die CDU, das zeigt sich nicht erst seit letzter Woche, ist dieses Partners überdrüssig, aber ein gar nicht mal so kleiner Teil ihrer Anhängerschaft ist das nicht. Dieser Teil ist seit Jahren unzufrieden mit der "Sozialdemokratisierung" der Union und sieht in der FDP ein Gegengift; und dieser Teil der Union neigt dazu, Zweitstimmenkampagnen der FDP zu erliegen, zuletzt gesehen in Schleswig-Holstein und NRW. Sollte die FDP in diesem Wahlkampf die einzige Partei bleiben, die sich glaubwürdig für eine Fortsetzung der jetzigen Koalition einsetzt, wird sich das auf den momentanen Vorsprung der Union im Rennen mit der SPD auswirken.

Die Union wird sich schlecht von diesem Anhängsel befreien können, allemal, da eine Fortsetzung der amtierenden Koalition gar nicht so unwahrscheinlich ist, wie das zum Beispiel Peer Steinbrück diese Woche erklärt hat. Mit Blick auf die Umfragen hat Rot-Grün zwar meist ein paar Punkte Vorsprung vor Schwarz-Gelb, aber nicht überall, und der Abstand ist auf jeden Fall geschrumpft. Während also Steinbrück klar auf eine Koalition setzt, die sich ihre Mehrheit noch erkämpfen muss, müssten Merkel und Wahlkampfstab erst einmal erklären, warum sie das unter sehr ähnlichen Bedingungen nicht tun.

Alles, was sie da erklären, würde sich sehr nach einem Scheitern der amtierenden Regierung anhören, was sie genau so vermeiden müssen. Es ist dabei relativ unwesentlich, das alles auf eine große Koalition hinausläuft und ob sich eine Mehrheit der Bevölkerung dies wünschen; eine Kanzlerin und eine Regierungspartei, die damit letztendlich für einen Machtwechsel werben, sind leicht attackierbar und gleichzeitig in Erklärungsnöten.

Der zumindest demoskopisch nachweisbare Wunsch nach einer großen Koalition ist aus einem anderen Grund eine Chance für Peer Steinbrück. Darin ist nämlich bereits die Wechselstimmung enthalten, die von denen, die sich damit auskennen, momentan noch verneint wird. Es zeichnet sich eine Konstellation ab, in der die CDU entweder halbherzig an der Seite der FDP läuft - einer Koalition, die mittlerweile ähnlich beliebt ist wie rot-rot-grün!- oder gegen die eigene Regierung. Wenn jemand das schaffen kann, dann Frau Merkel. Die dafür nötige Unbestimmtheit und die üblichen "Wolken und Pirouetten" wird ihr Steinbrück allerdings sehr schnell abgewöhnen, oder eben bei jeder direkten und indirekten Gelegenheit punkten.

Und damit können wir in der Tat mit einem interessanten Wahlkampf rechnen, der zudem regelmäßig bereichert werden wird um  markante Daten und Anekdoten aus Wirtschaft und Euroraum. Die gestrigen Einlassungen aus der EU zu einer Aufspaltung der Banken waren ein gutes Beispiel dafür. Während die Experten geradezu unverändert wiedergaben, was Steinbrück schon Wochen zuvor aufgeschrieben hatte, war aus der Regierung ein merkwürdiges Echo zu hören - das erwartungsgemäße Nein der Liberalen wurde untermauert von totaler Funktille von ihrem Koalitionspartner. Genau da kann Steinbrück den Hebel ansetzen, und das Moment wächst.

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