Wer sich mit dem Thema Sauerteig beschäftigt, der stolpert eher früher als später über Brot-Rezepte, die ausschließlich Sauerteig als Triebmittel vorsehen. Die Idee, auf Hefe zu verzichten, gefällt mir persönlich sehr gut, denn sie hat etwas sympathisch Archaisches. Dennoch kam mir die Aufmerksamkeit, die insbesondere in den sozialen Netzwerken der Frage „Mit Hefe oder nicht?“ geschenkt wird, lange Zeit etwas albern vor. Denn ich hege nach wie vor den Verdacht, dass diese Frage überdurchschnittlich häufig von Männern thematisiert wird, so „Mein Sauerteig ist stärker als Deiner – Grunz – Grunz“-mäßig. Mittlerweile habe ich jedoch das Gefühl, dass Sauerteig in der Tat einen erheblichen Vorteil hat: die Brote schmecken einfach besser. Denn Hefe schmeckt eben doch häufig durch, und ich meine beobachtet zu haben, dass reine Sauerteig-Brote komplexer und, wenn man so will, sauberer schmecken als Brote mit Hefe.
Bis man einen Sauerteig jedoch soweit hat, dass er keine Hefe-Unterstützung mehr benötigt, bedarf es eines gewissen Maßes an Frustrationstoleranz und Durchhaltevermögen (eine ganze Menge allgemeiner Erkenntnisse zum Thema Ofentrieb habe ich hier schon mal abgelassen). Mir persönlich z.B. war lange unklar, was denn jetzt bitteschön der Unterschied zwischen Sauerteig füttern und Sauerteig auffrischen ist und wann man welche dieser Methoden anwendet. Für alle, denen es möglicherweise ähnlich geht, habe ich versucht, meine Erkenntnisse kurz und knapp zusammen zu fassen…
Sauerteig füttern – die beiden wesentlichen Methoden
- Sauerteig füttern und Sauerteig auffrischen sind sehr ähnliche Methoden: der wesentliche Unterschied ist, dass der Sauerteig beim Füttern bestenfalls seine Triebkraft erhält, während der Sauerteig beim Auffrischen an Triebkraft gewinnt. Das bedeutet: hat man einen stabilen, kräftigen Sauerteig, reicht Füttern. Ist der Sauerteig jung und/ oder nicht kräftig genug, ist Auffrischen angesagt – und zwar so lange, bis der Sauerteig ausreichend Kraft hat. Ein sehr effektives Hilfsmittel zum Start ist dabei die so genannte Hefe-Führung (s. Grafik unten). Es gilt dabei: man frischt einen lahmen Sauerteig so lange auf, bis er den Ofentrieb alleine hinbekommt. Ist man mit dem gebackenen Brot nicht zufrieden – weiter auffrischen!
- Einschlägige Internet-Seiten raten, man solle seinen Sauerteig kennen lernen. Was zunächst einigermaßen bescheuert klingt, ist rückwirkend gesehen einer der besten Ratschläge überhaupt gewesen. Deshalb ist es auch sehr günstig, den Sauerteig in einem Glas aufzubewahren (incl. Füttern und Auffrischen). Dadurch kann man von außen optimal sehen, wie sich der Sauerteig entwickelt. Ein kräftig aufgefrischter Sauerteig mit großen Bläschen z.B. hält sich für einige Tage stabil im Kühlschrank und fällt dann deutlich sichtbar in sich zusammen. Man kann auch deutlich sehen, wie der Sauerteig über mehrere Auffrisch-Runden hinweg an Kraft gewinnt.
- Die Temperatur spielt eine entscheidende Bedeutung. Der Begriff „Raumtemperatur“, der bei vielen Beschreibungen verwendet wird, ist dabei missverständlich. Ich habe zum Beispiel zu Anfang den Sauerteig gefüttert und über Nacht im Wohnzimmer reifen lassen. Da es aber bei uns im Winter im Wohnzimmer gerne mal 17 – 19 Grad kalt wird, hat sich der Sauerteig nicht vernünftig entwickelt. 22 Grad sollten es schon sein. Wärmer, z.B. im Backofen bei eingeschalteter Lampe, ist besser.
Im Glas sieht man die Unterschiede: das gleiche Anstellgut, links mit Roggenvollkornmehl, rechts mit Alpenroggen
Sauerteig auffrischen – am effizientesten und am besten geeignet für den Hausgebrauch ist die Methode nach Pöt
Zum Rezept…
Das Rezept basiert auf dem Alpenroggen vom Brotdoc. Ich habe es für das Verhältnis 50 Weizen/ 50 Roggen adaptiert.
Sauerteig
300 g Roggenvollkornmehl
300 g Wasser
30 g Anstellgut
3 g Salz
Alle Zutaten gut verrühren und – von 30 Grad auf Raumtemperatur fallend – 12 Stunden reifen lassen. Am besten den Teig im Backofen bei eingeschalteter Lampe 5 – 6 Stunden stehen lassen und dann die Lampe ausschalten.
Hauptteig
Sauerteig
160 g Alpenroggen (alternativ: Roggenmehl 1150)
460 g Weizenmehl 1700 (alternativ: 1050)
200 g Wasser, 25-30 Grad Celsius
1 EL Rübenkraut
20 g Butter
21 g Salz
9 g Hefe (wer einen aktiven Sauerteig hat, kann die Hefe weglassen bzw. reduzieren)
Alle Zutaten 10 Minuten im Thermomix auf der Knetstufe kneten.
Anschließend 60 Minuten ruhen lassen.
Rund formen und mit dem Schluß nach unten im Gärkörbchen um die siebzig Minuten bei Raumtemperatur gehen lassen.
Der Teigling ist backfertig, wenn er sein Volumen mindestens verdoppelt hat.
Den Ofen auf 240°C Ober-/Unterhitze vorheizen, ein Backstein ist sehr empfehlenswert. Auf einem Backblech entwickelt der relativ „schwere“ Teig deutlich weniger Ofentrieb.
Wichtiger Hinweis für alle Besitzer von Kitchen Aid & Co
Alle Rühr- bzw. Knetzeiten gelten für den Thermomix. Für alle „klassischen“ Küchenmaschine gilt grob: die Zeitangaben verdoppeln sich. D.h.: wenn Ihr ein Kitchen Aid oder Ähnliches habt, knetet bitte ungefähr doppelt so lange wie hier angegeben. Davon das erste Drittel der Zeit langsam, das zweite Drittel schnell. Wenn ihr die hier angegebenen Knetzeiten anwendet, bildet sich das Glutennetzwerk nicht ausreichend aus.
Den Teigling auf den Einschießer stürzen, die Risse aufgehen lassen und sofort in den Backofen bugsieren. Sollten die Risse nicht ausreichend von selbst aufgehen, kann man mit dem Messer, besser mit einer Rasierklinge, nachhelfen.
Zwei Minuten ohne Dampf backen. Erst dann bedampfen. Die zwei Minuten ohne Dampf sorgen dafür, dass sich der Teigling stabilisiert und beim Bedampfen nicht breit läuft.
Den Teigling zehn Minuten anbacken. Dann die Hitze 215 Grad reduzieren und weitere 50 Minuten backen.
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