Chávez sprach von Merkel mal sinngemäß als eine Nachfolgerin Hitlers. Der ehemalige US-Verteidigungsminister nannte aber Chávez wiederum einen Hitler. Die Polen und Griechen sind sich im Falle Merkels nicht ganz so sicher: Hitlervergleich oder SS-Uniform? Beides ist möglich. Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung war sich da Ende 2012 schon etwas sicherer, als er Hitler und Merkel »Staatsleute, die versuchten, Europa zu einigen« nannte.
Roland Tichy verglich vor Jahren im »Presseklub« Lafontaine mit »dem Führer«. Das gefiel offenbar dem ewigen Alt-Kanzler Schmidt ganz gut, der denselben dann als »Adolf Nazi« bezeichnete. Wenn schon ein demokratischer Politiker als ein Hitler angesehen wird, dann ist es doch ganz logisch, dass Osama Bin Ladin natürlich auch einer war. Kardinal Lehmann konfrontierte dessen »abgründigen, nicht aufklärbaren Rätsel« mit denen Hitlers. Und dass Erdogan und Assad Hitlers sind, versteht sich von selbst. Von Mursi gab es auch Fotomontagen mit Scheitel und Fliegenschissbart. Schily haben sie auch schon mal ein Bärtchen angeklebt. Josef Bachmann soll in Dutschke den kommenden Hitler gesehen haben und hat deshalb auf ihn geschossen. So will es jedenfalls die Legende.
Den Fußballtrainer Mourinho haben die Fans von Real Madrid auf einem Plakat mit Hitler verglichen. Der Dramatiker Hochhuth fand, dass Wowereit schlimmer als Hitler sei - jedenfalls im Bereich der Berliner Kulturpolitik. Das Hessische Landesarbeitsgericht musste sich vor einem Jahr mit einem Betriebsrat auseinandersetzen, der seinen Betriebsratsvorsitzenden als einen Hitler enttarnte. Mehr als eine Dekade ist es her, dass eine öffentlich wirkende TV-Mormonin in den Vereinigten Staaten Schwule mit Hitler verglich.
Ein Politiker aus der Schweiz erblickte schon mal im Luxemburger Juncker den Mann aus Braunau. Der Regisseur Michael Bay wurde von einer drittklassigen Schauspielerin mit ihm verglichen. Der österreichische Rechtspopulist Strache mutierte schon mal für seine politischen Kontrahenten zum Hitler. Cohn-Bendit entlarvte Sarkozy als jemanden, der Hitler nachäfft. Reich-Ranicki soll mal Karajan für vergleichswürdig gehalten haben.
Ach, wenn im Grunde alle wie Hitler sind, progressive Politiker genauso wie reaktionäre Betonköpfe, Rechte wie Linke, Moslems wie Christen oder Atheisten, dann ist letztlich gar keiner wie er. Eigentlich schade um diesen ultimativen Vergleich. Denn so beleidigt er keinen mehr, setzt keinen mehr herab, trifft keinen mehr in der Würde. Natürlich sollen Vergleiche nicht per se ausgeschlossen sein. Sie sind wichtig. Aber wenn alle Hitler sind, dann ist der Vergleich ja sinnlos, weil dann alles unvergleichlich oder sogar unvergleichlich gleich geworden ist. Ich glaube, nicht mal Hitler war wie Hitler, sondern eher so wie Himmler.
Ich befürchte, aus der Hitlerzeit bleibt uns wenig. Ein leeres Vermächtnis, das Politiker zu Gedenktagen zelebrieren, ohne im Tagesgeschäft je konkret zu werden - und dann eben noch dieses neue Wort für den Teufel. Mal sehen, welche Generation die erste sein wird, die den politischen Feind als Hitler bezeichnet, ohne überhaupt zu wissen, dass dieser Hitler eine historische Person gewesen ist. Ich glaube, lange dauert es nicht mehr. So viel Kulturpessimismus muss man mir schon gestatten. Da kann ich nicht Optimist sein. Irgendwie bin ich da ganz wie Hitler.