Eine Welt ohne Länder? - Ein Gespräch mit dem linken Musiker Holger Burner

Erstellt am 2. Februar 2011 von Freiheitsliebe
Holger Burner dürfte unter den Höreren linken Raps in Deutschland wohl bekannt sein, den meisten anderen Menschen wohl eher nicht. Viele werden sich fragen, wie der harte Rap mit Messages von Hoffnung und Solidarität zusammen passt. Wir sprachen mit Holger Burner über politische Musik, Solidarität, Hoffnung und Antideutsche.

Freiheitsliebe: Hallo Holger, du gilst als einer der politischsten Rapper in Deutschland. Wie bist du zum Rap gekommen und wie kommt die Verbindung mit politischen Elementen zustande?
Holger Burner: Zum Rap gekommen bin ich natürlich halbwegs zufällig, wie die meisten Leute auf Subkulturen stossen. Ich bin mit einem Freund meines grossen Bruders im Auto gefahren, er hatt eine Rapkassette im Deck, ich war begeistert von der Power und von dem Teil der Aussagen, die ich verstanden habe. Ich glaube das Rap allerdings sehr geeignet ist Inhalte zu verbreiten, gute wie schlechte, weil es sehr auf die Lyrics ankommt. Von daher glaub ich es ist kein Zufall, das Rap schon immer auch als Transportmittel für Kritik und die Schilderung von Lebensverhältnissen genutzt wurde.
Freiheitsliebe: In deinem neuem Song "Solidarität" sprichst du von der Solidarität, die alle verbindet. Siehst du in Deutschland einen Mangel an Solidarität mit den unterdrückten Menschen dieser Welt?
Holger Burner: Ich seh Solidarität nicht als moralischen Begriff. Ich glaube wenn Unterdrückte für ihre Rechte kämpfen verstehen und spüren sie schnell, das Solidarität notwendig ist, um den Spaltungsversuchen der Herrschenden etwas entgegenzusetzen. Ich glaube in den letzten Jahren gab es zu wenig Kämpfe und Streiks von ArbeiterInnen, Jugendlichen und Erwerbslosen in Deutschland, von daher wurde zu wenig Solidarität gelernt. Das wird sich ändern, und dann wird es mehr Solidarität geben, auch über Grenzen hinaus.
Freiheitsliebe: In dem Song "Solidarität" sprichst du von Solidarität mit Palästina und dem Baskenland. Dies sind zwei Länder die von der hiesigen Politik so gut wie gar keine Unterstützung erhalten, wie kommt es, dass du sie geziehlt erwähnst?
Holger Burner: Die Aufzählung ist ja länger: „Es ist der gleiche Kampf in Köln-Kalk und Cochabamba, Kolumbien, Uganda, Kasachstan, Ruanda, Madagaskar, Peru, Alaska, Palästina, Baskenland, Kurdistan, Afghanistan und China“
Ich glaube da ist ein wichtiger Unterschied zwischen Solidarität mit einem „Land“ und dem positiven Bezug auf Klassenkämpfe … ich denke überall, wo Unterdrückte gegen Unterdrücker kämpfen ist das positiv. Ich bin ja auch nicht solidarisch mit „Ägypten“, sondern mit den Menschen, die dort wahrscheinlich morgen einen Diktator wegjagen. Ich denke allerdings, dass es in Ländern, denen ein Selbstbestimmungsrecht verwehrt wird noch schwerer ist, eine wirklich progressive Bewegung aufzubauen. Um ein Beispiel zu nennen: So lange der Israelische Staat ( nicht zu verwechseln mit der israelischen Bevölkerung) die militärische Unterdrückung Palästinas organisiert, ist es in Palästina noch schwerer, reaktionären oder korrupten Kräfte wie Hamas und Fatah etwas positives entgegenzusetzen, weil sie eben immer so tun können, als wären nicht auch sie Unterdrücker sondern nur der israelische Staat. Eine gemeinsame Bewegung israelischer und arabischer ArbeiterInnen, Armen und Jugendlichen wäre die beste Grundlage, Unterdrückung zu beseitigen.
Kritik von Antideutschen!
Freiheitsliebe: Du wurdest von antideutscher Seite kritisiert, da du Freiheit für Palästina forderst und es wurde gefordert, dass du nicht auf Festivals auftreten solltest. Teilweise wird dir sogar Antisemitismus vorgeworfen. Wie stehst du zu diesen Vorwürfen?
Holger Burner: Entspannt. Ist ja nun die beiderseits anerkannte Rolle von Antideutschen alle Linken zu diskreditieren … wenn ich von denen nicht angegriffen werden würde, müsste ich zweifeln, ob ich noch ein Linker bin. Ist so ein bischen wie wenn Spinger oder die JU etwas über dich schreiben… wenn das positiv wäre, DANN müsstest du dir Gedanken machen ;)
Freiheitsliebe: "Die die drei Milliarden täglich für die Rüstung rausschmeißen, können sich halt kein Gewissen mehr leisten" rappst du in einem Song über den G8 Gipfel. Dies ist schon eine harte Wortwahl, denkst du es ist sinnvoller lieber harte Worte zu wählen anstatt an ewigen Diskussionen teilzunehmen?
Holger Burner: „Ewige Diskussionen“ ist ja auch schon ne Wertung eurerseits. Ich glaube wir brauchen natürlich Diskussionen über Sinn und Unsinn unserer Praxis und die Inhalte unserer Flugblätter, aber 80% der Linken in Deutschland würde es eher gut tun, mehr zu tun und weniger zu diskutieren… nur in der echten Welt kann sich zeigen, ob deine Vorschläge sinnvoll für den Widerstand und die Bewegung sind…
Falsch wäre es, nur harte Worte rauszurappen…meine Songs setzen nur bei einer kleinen Minderheit der Menschen am Bewusstsein an und ich bin froh, dass die Zeitung der SAV in der ich organsiert bin das besser hinkriegt…
Das sich aber kapitalistische Profitlogik und moralisches Handeln ausschliessen finde ich keine besonders neue Erkenntnis.
Freiheitsliebe: Du siehst dich als Trotzkist, dies ist eine Strömung, die nicht unbedingt sehr verbreitet ist. Damit siehst du den Internationalismus als Ziel, also eine Welt ohne Länder, gleichzeitig sprichst du von der Freiheit der unterdrückten Völker, damit sie ein eigenes Land bekommen. Schließt sich das nicht aus?
Holger Burner: Wenn dein Ziel kochendes Wasser ist schliesst das ja nicht aus, das das Wasser beim Kochen zwischendurch lauwarm ist, oder? Eine Welt ohne Länder werden wir ja nun erst haben, wenn auf der gesamten Welt erfolgreich Revolution gemacht wurde… ich hab oben schon etwas mehr zu der Logik geschrieben, ich wiederhole aber nochmal: Ich glaube das es schwerer ist in Ländern zu kämpfen, in denen dich zusätzlich zu der eigenen herrschenden Klasse noch ein imperialistischer Militärapparat unterdrückt… und wenn die Menschen erfolgreich eine imperialistische Besatzung oder die Söldnerheere neokolonialer Wirtschaftskontrolle weggejagt haben wird ihr Selbstbewusstsein, auch ihre nachfolgenden Herrscher wegjagen zu können größer sein. Ist nur ein Interview, deswegen kann ich hier keine Bücher schreiben, aber natürlich auf gute Hinweisen: http://www.mlwerke.de/le/le22/le22_326.htm
Freiheitsliebe: Wir danken dir für dieses Interview und wünschen dir viel Erfolg auf deinem Weg!
Der Song Solidarität von Holger Burner
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