manche würden es unvernunft nennen. da liegen menschen – manche mit ihren kleinen kindern – auf offener brücke und strasse. helfer_innen versuchen ihnen gemeinsam mit übersetzer_innen klar zu machen, dass heute nacht noch regen kommt und es kalt wird. und dass 2,5 km weiter hinten eine grosse halle mit hunderten betten leer steht. sie könnten dort in ruhe schlafen.
unverständnis auf beiden seiten. ich muss mich an einen satz erinnern, den mir ein junger syrer auf dem hauptbahnhof in salzburg gesagt hat: “für uns gibt es keinen meter zurück, wir gehen nur nach vorn, weiter und weiter und weiter.” das scheint das gesetz der flucht zu sein, das ist die kraft, mit der menschen, gross und klein, alt und jung und auch gerade erst geboren, sich auf den weg machen, ein marsch der hoffnung, ein gang in das gelobte land.
wer will es den menschen, die durch alle nur erdenklichen und für uns nicht vorstellbare höllen gegangen sind, verdenken, dass sie zwanzig meter vor ihrem ziel nicht einfach umkehren. was kann für solche menschen schon regen oder kälte bedeuten. sicher nicht grund genug “umzukehren” – auch wenn das uns nicht real erscheinen mag.
vielleicht werden manche dann doch in die halle gehen, wo die caritas auf sie wartet. einstweilen aber bleiben sie rund um die brücke nach deutschland und versuchen zu schlafen, zumindest sich auszuruhen und kraft zu schöpfen. dort spielende kinder, da ein baby, das schreit, insgesamt fast friedvolle szenen.
hier an der brücke sind es keine grossen organisationen, sondern privatpersonen, die sich über facebook organisieren und dienstzeiten einteilen: das von den helfer_innen selbst gekochte warme essen wird verteilt, getränke ausgegeben, decken, matrazen und polster weitergereicht und immer wieder übersetzungsarbeit geleistet.
mitten drin erschöpfte polizisten. es ist ihnen anzusehen, dass sie kaum mehr können. “seit fünf uhr in der früh” antwortet einer, als ich sie frage, wie lange sie schon hier im dienst sind. jetzt ist es 23:30!
“muss man ja machen, wir sind einfach zu wenig, aber wenigstens ein bisserl ordnung hier reinbringen, das muss sein” sagt ein anderer. mit ordnung meinen sie zb. die familien mit kleinen kindern, sofern sie wollen, in das ehemalige zollgebäude hier direkt an der brücke zu bringen, solche, die schon seit gestern 8 uhr früh auf der brücke stehen, vorne zu lassen, damit sie auch als erste drankommen, wenn “wieder was geht” und nachschau zu halten, ob jemand akut was braucht. ein krankenwagen steht bereit.
wann ablöse kommt, wissen die polizisten nicht, wie schnell die deutschen wieder welche “rüber” lassen, auch nicht. da kommt einer der organisatoren der ehrenamtlichen helfer_innen vorbei, einer der polizisten betont mit blick auf den helfer: “ohne ihn und all die anderen, ohne die vielen, die uns übersetzen helfen oder sonst wie helfen, ginge es sowieso nie, da wären wir völlig aufgeschmissen.”
ich lasse erkennen, dass ich oft auch kritisch über die polizei berichte, aber dass ich in dieser situation ihnen einfach nur danken muss für ihr engagement, und dass ich ihnen wünsche, dass sie bald abgelöst werden. “es gibt überall solche und solche,” meint einer der beamten, “nichts ist einfach nur schwarzweiss.”
möge die nacht zumindest kein brutaler platzregen loslegen, möge es nicht zu kalt werden.
eine weitere nacht der hoffnung
fotos: bernhard jenny cc licence by nc sa
Schlagwörter: brücke, deutschland, flüchtlinge, freilassing, grenze, grenzkontrolle, polizei, willkommene