Eine weitere literarische Heidegger-Kritik (und eine kleine Polemik gegen den GSP weiter unten!)

Via dem sehr tollen Blog Athene noctua bin ich auf eine weitere tolle Polemik gegen den der Polemik am allerwertesten Philosophen, Martin Heidegger, gestoßen, auf die ich an dieser Stelle aufmerksam machen möchte. Und geschrieben vom absoluten Gott der Polemik, oder zumindest: Beschimpfung, Thomas Bernhard. Viel Vergnügen bei der Lektüre:

Tatsächlich erinnert mich Stifter immer wieder an Heidegger, an diesen lächerlichen nationalsozialistischen Pumphosenspießer. Hat Stifter die hohe Literatur auf die unverschämteste Weise total verkitscht, so hat Heidegger, der Schwarzwaldphilosoph Heidegger, die Philosophie verkitscht, Heidegger und Stifter haben jeder für sich, auf seine Weise, die Philosophie und die Literatur heillos verkitscht. Heidegger, dem die Kriegs- und Nachkriegsgenerationen nachgelaufen sind und den sie mit widerwärtigen und stupiden Doktorarbeiten überhäuft haben schon zu Lebzeiten, sehe ich immer auf seiner Schwarzwaldhausbank sitzen neben seiner Frau, die ihm in ihrem perversen Strickenthusiasmus ununterbrochen Winterstrümpfe strickt mit der von ihr selbst von den eigenen Heideggerschafen heruntergeschorenen Wolle. Heidegger kann ich nicht anders sehen, als auf der Hausbank seines Schwarzwaldhauses, neben sich seine Frau, die ihn zeitlebens total beherrscht und die ihm alle Strümpfe gestrickt und alle Hauben gehäkelt hat und die ihm das Brot gebacken und das Bettzeug gewebt und die ihm selbst seine Sandalen geschustert hat. Heidegger war ein Kitschkopf, sagte Reger, genauso wie Stifter, aber doch noch viel lächerlicher als Stifter, der ja tatsächlich eine tragische Erscheinung gewesen ist zum Unterschied von Heidegger, der immer nur komisch gewesen ist, ebenso kleinbürgerlich wie Stifter, ebenso verheerend größenwahnsinnig, ein Voralpenschwachdenker, wie ich glaube, gerade recht für den deutschen Philosophieeintopf. Den Heidegger haben sie alle mit Heißhunger ausgelöffelt jahrzehntelang, wie keinen anderen und sich den deutschen Germanisten- und Philosophenmagen damit vollgeschlagen. Heidegger hatte ein gewöhnliches, kein Geistesgesicht, sagte Reger, war durch und durch ein ungeistiger Mensch, bar jeder Phantasie, bar jeder Sensibilität, ein urdeutscher Philosophiewiederkäuer, eine unablässig trächtige Philosophiekuh, sagte Reger, die auf der deutschen Philosophie geweidet und darauf Jahrzehntelang ihre koketten Fladen fallen gelassen hat im Schwarzwald. Heidegger war sozusagen ein philosophischer Heiratsschwindler, sagte Reger, dem es gelungen ist, eine ganze Generation von deutschen Geisteswissenschaftlern auf den Kopf zu stellen. Heidegger ist eine abstoßende Episode der deutschen Philosophiegeschichte, sagte Reger gestern, an der alle Wissenschaftsdeutschen beteiligt waren und noch beteiligt sind. Heute ist Heidegger noch immer nicht ganz durchschaut, die Heideggerkuh ist zwar abgemagert, die Heideggermilch wird aber noch immer gemolken. Heidegger in seiner verfilzten Pumphose vor dem verlogenen Blockhaus in Todtnauberg ist mir ja nurmehr noch als Entlarvungsfoto übrig geblieben, der Denkspießer mit der schwarzen Schwarzwaldhaube auf dem Kopf, in welchem ja doch nur immer wieder der deutsche Schwachsinn aufgekocht worden ist, so Reger. Wenn wir alt sind, haben wir ja schon sehr viele mörderische Moden mitgemacht, alle diese mörderischen Kunstmoden und Philosophiemoden und Gebrauchsartikelmoden. Heidegger ist ein gutes Beispiel dafür, wie von einer Philosophiemode, die einmal ganz Deutschland erfaßt gehabt hat, nichts übrigbleibt, als eine Anzahl lächerlicher Fotos und eine Anzahl noch viel lächerlicherer Schriften. Heidegger war ein philosophischer Marktschreier, der nur Gestohlenes auf den Markt getragen hat, alles von Heidegger ist aus zweiter Hand, er war und ist der Prototyp des Nachdenkers, dem zum Selbstdenken alles, aber auch wirklich alles gefehlt hat. Heideggers Methode bestand darin, fremde große Gedanken mit der größten Skrupellosigkeit zu eigenen kleinen Gedanken zu machen, so ist es doch. Heidegger hat alles Große so verkleinert, daß es deutscbmäglich geworden ist, verstehen Sie, deutschmöglich, sagte Reger. Heidegger ist der Kleinbürger der deutschen Philosophie, der der deutschen Philosophie seine kitschige Schlafhaube aufgesetzt hat, die kitschige schwarze Schlafhaube, die Heidegger ja immer getragen hat, bei jeder Gelegenheit. Heidegger ist der Pantoffel- und Schlafhaubenphilosoph der Deutschen, nichts weiter. Ich weiß nicht, sagte Reger gestern, immer wenn ich an Stifter denke, denke ich auch an Heidegger und umgekehrt. Es ist doch kein Zufall, sagte Reger, daß Heidegger ebenso wie Stifter vor allem immer bei den verkrampften Weibern beliebt gewesen ist und noch heute beliebt ist, wie die betulichen Nonnen und die betulichen Krankenschwestern den Stifter sozusagen als Lieblingsspeise essen, essen sie auch den Heidegger. Heidegger ist noch heute der Lieblingsphilosoph der deutschen Frauenwelt. Der Frauenpbilosoph ist Heidegger, der für den deutschen Philosophieappetit besonders gut geeignete Mittagstischphilosoph direkt aus der Gelehrtenpfanne.

Wenn Sie in eine kleinbürgerliche oder aber auch in eine aristokratisch-kleinbürgerliche Gesellschaft kommen, wird Ihnen sehr oft schon vor der Vorspeise Heidegger serviert, Sie haben Ihren Mantel noch nicht ausgezogen, wird Ihnen schon ein Stück Heidegger angeboten, Sie haben sich noch nicht hingesetzt, hat die Hausfrau Ihnen schon sozusagen mit dem Sherry Heidegger auf dem Silbertablett hereingebracht. Heidegger ist eine immer gut zubereitete deutsche Philosophie, die überall und jederzeit serviert werden kann, sagte Reger, in jedem Haushalt. Ich kenne keinen degradierteren Philosophen heute, sagte Reger. Für die Philosophie ist Heidegger ja auch erledigt, wo er noch vor zehn Jahren der große Denker gewesen ist, spukt er jetzt nurmehr noch sozusagen in den pseudointellektuellen Haushalten und auf den pseudointellektuellen Gesellschaften herum und gibt ihnen zu ihrer ganzen natürlichen Verlogenheit, noch eine künstliche. Wie Stifter, ist auch Heidegger ein geschmackloser, aber ohne Schwierigkeiten verdaulicher Lesepudding für die deutsche Durchschnittsseele. Mit Geist hat Heidegger ebenso wenig zu tun, wie Stifter mit Dichtung, glauben Sie mir, diese beiden sind, was Philosophie und was Dichtung betrifft, soviel wie nichts wert, wobei ich aber doch Stifter höher ein,schätze als Heidegger, der mich ja immer abgestoßen hat, denn alles an Heidegger ist mir immer widerwärtig gewesen, nicht nur die Schlafhaube auf dem Kopf und die selbstgewebte Winterunterhose über seinem von ihm selbst eingeheizten Ofen in Todtnauberg, nicht nur sein selbstgeschnitzter Schwarzwaldstock, eben seine selbstgeschnitzte Schwarzwaldphilosophie, alles an diesem tragikomischen Mann war mir immer widerwärtig gewesen, stieß mich immer zutiefst ab, wenn ich nur daran dachte; ich brauchte nur eine Zeile von Heidegger zu kennen, um abgestoßen zu sein und erst beim Heideggerlesen, sagte Reger; Heidegger habe ich immer als Scharlatan empfunden, der alles um sich herum nur ausgenützt und sich in diesem seinem Ausnützen auf seiner Todtnaubergbank gesonnt hat. Wenn ich denke, daß selbst übergescheite Leute auf Heidegger hereingefallen sind und daß selbst eine meiner besten Freundinnen eine Dissertation über Heidegger gemacht hat, und diese Dissertation auch noch im Ernst gemacht hat, wird mir heute noch übel, sagte Reger. Dieses nichts ist ohne Grund, ist das Lächerlichste, so Reger. Aber den Deutschen imponiert das Gehabe, sagte Reger, ein Gehabeinteresse haben die Deutschen, das ist eine ihrer hervorstechendsten Eigenschaften. Und was die Österreicher betrifft, so sind sie in allen diesen Punkten noch viel schlimmer. Ich habe eine Reihe von Fotografien gesehen, die eine zuhöchst talentierte Fotografin von Heidegger, der immer ausgesehen hat wie ein pensionierter feister Stabsoffizier, gemacht hat, sagte Reger, und die ich Ihnen einmal zeigen werde; auf diesen Fotografien steigt Heidegger aus seinem Bett, steigt Heidegger in sein Bett wieder hinein, schläft Heidegger, wacht er auf, zieht er seine Unterhose an, schlüpft er in seine Strümpfe, macht er einen Schluck Most, tritt er aus seinem Blockhaus hinaus und schaut auf den Horizont, schnitzt er seinen Stock, setzt er seine Haube auf, nimmt er seine Haube vom Kopf, hält er seine Haube in den Händen, spreizt er die Beine, hebt er den Kopf, senkt er den Kopf, legt er seine rechte Hand in die linke seiner Frau, legt seine Frau ihre linke Hand in seine rechte, geht er vor dem Haus, geht er hinter dem Haus, geht er auf sein Haus zu, geht er von seinem Haus weg, liest er, ißt er, löffelt er Suppe, schneidet er sich ein Stück (selbstgebackenes) Brot ab, schlägt er ein (selbstgeschriebenes) Buch auf, macht er ein (selbstgeschriebenes) Buch zu, bückt er sich, streckt er sich und so weiter, sagte Reger. Es ist zum Kotzen. Sind die Wagnerianer schon nicht zum Aushalten, erst die Heideggerianer, sagte Reger. Aber natürlich ist Heidegger nicht mit Wagner zu vergleichen, der ja tatsächlich ein Genie gewesen ist, auf den der Begriff Genie tatsächlich zutrifft wie auf keinen andern, während Heidegger doch nur ein kleiner philosophischer Hintermann gewesen ist. Heidegger war, das ist klar, der verhätscheltste deutsche Philosoph in diesem Jahrhundert, gleichzeitig ihr unbedeutendster. Zu Heidegger pilgerten vor allem jene, die die Philosophie mit der Kochkunst verwechseln, die die Philosophie für ein Gebratenes und Gebackenes und Gekochtes halten, was ganz und gar dem deutschen Geschmack entspricht. Heidegger hielt in Todtnauberg Hof und ließ sich auf seinem philosophischen Schwarzwaldpodest jederzeit wie eine heilige Kuh bestaunen. Selbst ein berühmter und gefürchteter norddeutscher Zeitschriftenherausgeber kniete andachtsvoll vor ihm mit offenem Mund, als erwartete er in der untergehenden Sonne von dem auf seiner Hausbank sitzenden Heidegger sozusagen die Geisteshostie. Alle diese Leute pilgerten nach Todtnauberg zu Heidegger und machten sich lächerlich, sagte Reger. Sie pilgerten sozusagen in den philosophischen Schwarzwald und auf den heiligen Heideggerberg und knieten sich vor ihr Idol. Daß ihr Idol eine totale Geistesniete war, konnten sie in ihrem Stumpfsinn nicht wissen. Sie ahnten es nicht einmal, sagte Reger. Die Heideggerepisode ist aber doch als Beispiel für den Philosophenkult der Deutschen aufschlußreich. Sie klammern sich immer nur an die falschen, sagte Reger, an die ihnen entsprechenden, an die stupiden und dublosen.

[aus Alte Meister via kulturkritik.net]

Man beachte die dezenten, aber treffsicheren Ingeborg-Bachmann-Seitenhiebe. Es ist ja ohnehin bemerkenswert, dass aus Österreich, obwohl es – wie auch alle halbwegs vernünftigen Österreicher selbst zugeben – eines der ekligsten Völkchen überhaupt ist (vgl. eine etwas ältere Zusammenschau von mir), so geniale Schriftsteller hervorbrachte. Eigentlich gibt es, zumindest meiner Ansicht nach, bis in die 80er hinein überhaupt keine deutsch-deutschen großen Schriftsteller, sondern nur österreichisch-deutsche. Und auch danach bleibt die qualitative Differenz: habe gerade angefangen, von Frau Jelinek Die Klavierspielerin zu lesen (die Verfilmung hat mich schon vor Jahren geflasht) und muss schon jetzt zugeben: diese Frau hat den Literaturnobelpreis wirklich verdient. Aus Deutsch-Deutschland kenne ich nichts dergleichen. Nun gut: auch hier wird das „obwohl“ wohl – wie so oft bei mir – zum „gerade weil“, da in dem eklig-perfiden Klima Österreichs große, aber selbst immer noch perfide, Talente wohl nahezu heranreifen müssen – wieder mal ein Beispiel für die zynische Dialektik der bürgerlichen Hochkultur. Die größten Romane, philosophischen Werke, Opern, Gedichte: alles mit neurotischen, gescheiterten Existenzen bezahlt. Das österreichische Milieu mit seiner dumpfen Mischung aus Spießigkeit, Wahnsinn und Nationalsozialismus muss sich da förmlich günstig auf die literarische und allgemein künstlerische Produktion ausüben einem wohlgedüngten Boden im Ackerbau gleich. Das geniale an Thomas Bernhard ist wohl, dass er diesen Umstand selbst offen in seine Werke einbaut: „Ticks, Ticks, Ticks“, wie es die S.I. einmal treffend von den bürgerlichen Großintellektuellen sagte (und auch Guy Debord kommt mir spätestens nachdem ich In girum imus nocte et consumimur igni gesehen habe, reichlich durchgeknallt vor – im positivsten Sinne!).1

Aber zurück zu Thomas Bernhard: auch wenn seine Polemik schön zu lesen ist und vieles trifft, fehlt jede direkte Bezugnahme auf den NS. Das mutet mir im Falle Heideggers fast schon wie eine Verharmlosung an. Er war eben mehr als ein bloßer philosophierender Kleinbürger, sondern – um es etwas pathetisch zu formulieren – womöglich tatsächlich ein Genie, ein Genie des absoluten Bösen. Vielleicht auf eine Art der österreichistische aller deutschen Philosophen.

Generell finde ich es ja immer wieder lesenswert, wenn Schriftsteller die hehren Grenzen der kulturellen Sparten überspringen und über Philosophen bzw., allgemeiner gefasst: Theoretiker, schreiben. Nicht an die engen Regeln „sachlicher“ Argumentation gebunden, können sie wesentlich leichter als diese Aspekte thematisieren, die im „herrschaftsfreien Diskurs“ der Theoriebildung so nicht angesprochen werden können, wenn man sich nicht durch Regelverletzung selbst exkommunizieren will. Heidegger war eben nicht nur ein zweifelhafter Philosoph mit in seinem Werk überdeutlichen Nazi-Tendenzen, sondern seinem gesamten Habitus nach ein leicht durchgedrehter Kleinbürger auf dem Sprung zum Nazismus und das kann man von seiner Philosophie im Grunde überhaupt nicht trennen. Wenn ein Literat das ausspricht leidet das natürlich unter mangelnder Verbindlichkeit und wird sofort als „bloße Dichtung“ abgetan. Bei Thomas Bernhard fällt das in der Tat auch sehr leicht, betreibt er doch anscheinend ganz bewusst die Steigerung des Grantelns und Schimpfens um seiner selbst willen bis ins Absurde. Und das ist ja auch das tolle an seinem Werk, man würde es völlig verkennen, wenn man alle seine Beschimpfungen als propositionale Aussagen wörtlich nehmen und der Falsifikation unterziehen wollte, wie es für theoretische Texte angemessen ist. Dennoch scheint seine (und andere) literarische Polemik gerade in ihrer Übertriebenheit treffender zu sein, als manchem lieb. Als kleines Beispiel, das ich schon immer mal verlinken wollte und nun tue, schon allein, um eine meines Erachtens selbst sehr vielsagende Verbindungslinie herstellen zu können, sei hier an die Berichte von Rainald Goetz über das Treiben der GSP-Vorläuferorganisation „MG“ in den 80ern in München erinnert, die dankenswerter Weise ofenschlot ausgegraben hat (da bin ich doch ganz froh über seine „Fundstücke“ ;-) ):

Der General, Genannt Der Schwarze Papst

Zu lebenslänglichem Schweigen verurteilt wird auch der Marxist Harald Kuhn. Das ist ein kleiner dicker dummer bärtiger Student, der als sogenannter Fachschaftssprecher Philosophie und im Namen der dreifach gebenedeiten Marxistischen Gruppe (M »SJ« G) neulich zu einem Teach-In eingeladen hat, das den großartigen Titel hatte: Dummheit – Wie geht das?
Ich ging nämlich durch Münchens nächtliche Straßen (…) Da pfeilte mir durch den Augenwinkel ein hyperrotes Plakat ins Hirn, ich fuhr herum, sah, las, lachte auf, riß ab, und jetzt hängt es bei mir daheim, unterm Stuck, neben den Terroristen (…) und murmelt aus dem Hyperrot schwarz auf mich herunter: Teach-In. DUMMHEIT. Wie geht das?
Anderntags saß ich im Auditorium Maximum, denn eine Frage, die mich mehr plagt als diese, wird sich schwerlich finden lassen. Und was ich erhofft hatte geschah: Der schöne Hohepriester selbst, Doktor Karl Held, M »SJ« G, trat ans Mikrofon und begann mit wohl gesetzten Worten seine Rede und machte in wenigen Minuten diese beiden Argumente: 1. Dummheit ist Einsatz vorhandener Intelligenz, aber in einer Weise, die ihr selbst zuwider läuft. 2. Dummheit ist parteiliches Denken, denn wer parteilich denkt, konstruiert sich selbst dumme Gedanken.
Was ist daran so grandios? Am ersten, daß es mich wiedermal an Descartes erinnert hat, an den herrlichen Anfang von »Discours de la méthode pour bien conduire sa raison, et chercher la vérité dans les sciences«, wo Descartes auf meine im Februar-SPEX unter dem Titel »Gewinner und Verlierer« öffentlich gemachte fatalistische IQ-Philosophie mit dem Argument antwortet: Der gesunde Verstand ist die bestverteilte Sache der Welt. Ich weiß ja nicht, ob es wirklich stimmt, aber gewißlich ist es viel schöner und menschenfreundlicher, sich die zahllosen Idioten, die mit ihrer Dummheit die Welt verseuchen, nicht als unheilbar vorzustellen, sondern im Gegenteil: als erziehbar, als Haber von ausreichend Vernunft, als Auch-Hirne, die man nur zu richtigem Gebrauch ihrer Vernunft überreden muß. Es ist dies eine Arbeitshypothese, die jeder, der eine bessere Welt will und dafür kämpft, lieben muß, weil sie ihn aus der Resignation reißt und tätig macht.
Am zweiten Heldschen Argument war das Wunderbare, daß es mir das wunderbare prächtige Hirn dieses Menschen bei der Arbeit vorgeführt hat. Man muß sich das ganz plastisch vorstellen: Als Held, als Hirn, als echter Philosoph, als marxistischer Denk-Krieger sitzt man vor den besten Mannen des von einem selbst gegründeten Vereins, und die heißen dann Doktor Fertl und Doktor Ebel oder Nochnichtdoktor Kuhn, und die sind von einer so pechschwarzen Dummheit, daß man sich als Held wohl dann und wann bestürzt fragt: Warum hilft mir von diesen Idioten keiner beim Denken? Warum nur plappern die mir alles so seltsam automatisch nach? Und in welcher noch viel schwärzeren Denkdüsternis mag der vielhundertköpfige Gefolgsrest von Gemeinen Soldaten seine tieftraurige dumpfe Marxistenexistenz fristen, wenn schon mein Generalstab, meine Ebels und Fertls, auf jede Frage nur immer wieder irgendeine Stanze des schmerzensreichen oder auch mal des segensreichen Rosenkranzes an mich hin beten? Wie kann denn das nur sein?
So mag es ein trauriges Heldsches Hirn sekundenweise durchzucken, dann weiß es wieder, daß sein Verein eine ganz normale revolutionäre Partei ist, nach den vernünftigen autoritären Kaderprinzipien Lenins vernünftig organisiert, nicht dazu da, Wahrheit zu erdenken, sondern durchzusetzen. Aber kein Gedankenblitz durch so ein Heldsches Hirn, der nicht irgendwo irgendwann ein kleines nicht unhelles Lichtlein hinterließe, so dieses Argument von der Dummheit als parteilichem Denken.
Nach zehn glücklichen hellen Held Rede Minuten trat besagter dicker dumpfer Harald Kuhn ans Mikrofon, um einmal mehr vorzuführen, deshalb erzähle ich das Ganze, wie sektiererisches Argumentieren vor zustimmend nickenden Sektenmitgliedern auftritt: als Nicht-Argumentieren. Dummheit – wie geht das? Genau so, wie hier vorgeführt. Und so mußte Held selbst immer wieder aufspringen, seinen Knecht fort drängen und selbst ergänzen, korrigieren, verbessern mit jener Präzisierungswut, die in seinem schönen Kopf so schön umher tollt.

Aus Krieg via Ofenschlot

[Ach ja – Ofenschlot schreibt in dem Artikel: „Verdammt, gibt’s nicht noch mehr von Goetz über Held? Gibt es. Demnächst mehr an dieser Stelle.“ Wo ist es? Ich will mehr!]

Witzigerweise vereint ja ausgerechnet Karl Held und Martin Heidegger, dass sie ganz besonders auf der strikten Trennung von Leben und Werk beharren. GSPler würgen jeden Verweis auf die ihre Theorie im Grund prima facie schon völlig diskretierende „Praxis“ (sofern man dieses Wort dafür überhaupt verwenden will) ja bekanntlich schon im Ansatz mit den all bekannten Phrasen von wegen „Prüf‘ doch mal den Wahrheitsgehalt“ etc. ab. Dieser Habitus scheint selbst schon Teil einer intellektualistischen, letztendlich idealistischen Ideologie zu sein, die sich gegenüber jeden (angeblich) „externen“ Kritik abschotten will. In Wahrheit zeigt es jedoch durchaus etwas auf, wenn jemand (z.B.) beständig Moral kritisiert und sich gleichzeitig total moralistisch verhält (wie der GSP eben) – was freilich natürlich, um nicht in diskursive Barbarei abzugleiten, erst wieder auf die Theorie rückbezogen werden muss (insofern geht es mir keineswegs um eine Rechtfertigung von Argumenten ad hominen – eine theorieimmanente Kritik ist natürlich immer zu leisten – zumindest, wenn man daran festhalten will, soetwas wie „Argumentation“ sinnvoll weiter zu betreiben). Mir war jedenfalls bereits nach den ersten frühen persönlichen Kontakten zu den Verteidigern der grauen Hefte klar: nein, so will ich nicht enden – dann doch lieber, um den Reigen der Genies fortzusetzen und einen weiteren ganz großen herbeizuzitieren – „nur Narr, nur Dichter“.
Nun gut – ich habe meine grundsätzlichen Ansichten zum Thema Polemik bereits an anderer Stelle dargelegt und will mich hier nicht wiederholen. Dieser Beitrag hier stellt im Grunde nur eine konkretisierende Ergänzung zu jenem dar.

  1. In krasser Form – deshalb ist Jelinek wohl auch tatsächlich radikaler als Bernhard, der sich ja meist sehr unterhaltsam liest – wird dieser Zusammenhang natürlich auch thematisch in Die Klavierspielerin. [zurück]

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