Eine Telefonzelle wird zum Angstfaktor

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Michaela Preiner

„This is what happened in the Telephone Booth“ (Foto: Barbara Palffy) Bestimmend steht sie da. Nicht ganz mittig im Raum, aber einnehmend. Bedrohlich gelb und orangerot leuchtet sie aus ihrem Inneren. Die Lettern Telefono prangen an ihrem oberen Rand. Die Telefonzelle ist und bleibt das einzige Raumelement in der neuen Produktion des Off-Theaters von Ernst Kurt Weigel „This is what happened in the Telephone Booth“. (Ausstattung Devi Saha) Das „Tanz.Schau.Spiel“ berichtet über ein traumatisches Kindheitserlebnis und dessen Folgen für die Tänzerin Leonie Wahl. Eine Telefonzelle wird zum Angstfaktor „This is what happened in the Telephone Booth“ (Foto: Barbara Palffy) ​Nach den ersten Schweizer Jahren zog sie mit Schwester und Mutter in ein kleines, italienisches Dorf, um einen Bauernhof zu bewirtschaften. Ein Telefon im Haus gab es nicht, von Handys träumte noch niemand. Und so war eine Telefonzelle jenes Mittel zur Außenkommunikation, das zugleich auch schicksalsbestimmend für Leonie werden sollte.

Nach einem Telefonat der Mutter mit ihrem Freund kam diese völlig verstört und mit einem schizophrenen Schub aus der Zelle. Ereignisse wie diese sind für Erwachsene schwer zu verdauen. Für Kinder gar nicht. Und so befand sich Leonie plötzlich in einer Situation, in der die Welt auf dem Kopf stand. Einer Situation, in der sich die Rollen verkehrten und nichts mehr so war wie zuvor.

Gemeinsam mit Hannah Timbrell, Kajetan Dick, Gerald Walsberger und Michael Welz lässt sie in tänzerischer Form das Publikum am Gefühls-Tsunamie, der dabei ausgelöst wurde, teilhaben. Ein Arzt-Patienten-Gespräch, das man mithört, hält eine gute und eine schlechte Nachricht bereit. Die gute, dass die Krankheit der Mutter nicht tödlich ist und die schlechte, dass sie ab sofort ein Vampir sein würde. Diese Metapher steht für ein besonderes Mutter-Tochter-Verhältnis, in welchem das Kind als etwas angesehen wird, das man im wahrsten Sinne des Wortes „besitzt“. Sichtbar wird dies in einer Szene, in der Leonie zwischen der Mutter und ihrer Schwester hin- und hergezerrt wird, ohne sich wirksam dagegen wehren zu können.

Eine Telefonzelle wird zum Angstfaktor „This is what happened in the Telephone Booth“ (Foto: Barbara Palffy) Eine Telefonzelle wird zum Angstfaktor „This is what happened in the Telephone Booth“ (Foto: Barbara Palffy) „Ich will da nicht hinein! Ich habe das Grauen gesehen“, ist ein Satz, den Kajetan Dick stellvertretend für die beiden Mädchen und die Mutter öfter zitiert. Tatsächlich kommen alle, die sich in die Telefonzelle begeben, als Zombies, zumindest aber psychisch komplett verändert, aus ihr wieder heraus.

Im Bewegungsrepertoire markiert die Tänzerin sich selbst, ihre Mutter, ihre Schwester und ihren Vater mit wiedererkennbaren Mustern. Intensiver Bodenkontakt mit Drehungen, Rollen und akrobatischen Bewegungselementen werden abwechselnd als Soli oder auch von allen Ensemblemitgliedern getanzt. Eine Gruppenchoreografie, begleitet nur durch eigenes rhythmisches Stampfen und Singen, gleitet nach und nach ins Orgiastische ab. Tamara Stern steuert vom Bühnenrand aus ein vokales Geschehen bei, das zwischen Geräuschen wie Flattern, Klappern, Krächzen, Schnattern und feinen, gesanglichen Passagen oszilliert und das Geschehen zum Teil mit einer starken Spannung auflädt. (Soundscapes ASFAST)

Leonie Wahl erzählt in ihrem Programmtext, dass aktive und passive Kunsterfahrung das Leben von Menschen verändern kann. Ihr Stück ist sicher zu einem großen Teil therapeutisch erfahrbar und greift damit auch auf den Ursprung von Tanz und Theater zurück, in dem durch orgiastische Momente eine Katharsis eintreten konnte.

Eine Telefonzelle wird zum Angstfaktor „This is what happened in the Telephone Booth“ (Foto: Günter Macho) „This is what happened in the Telephone Booth“ ist zugleich aber auch eine Aufforderung an das Publikum, sich seinen eigenen traumatischen Erfahrungen – seinen eigenen Telefonzellen – zu stellen. Gelänge es, diese so aufzuarbeiten, dass sie sich durch einen kreativen Prozess in eine Erfahrung verwandeln, die das weitere Leben nicht mehr nur negativ beeinflusst, dürfte man Wahl doppelt gratulieren. Sie machen uns eine Freude, wenn Sie den Artikel mit Ihren Bekannten, Freundinnen und Freunden teilen.

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