Eine Stadt auf Sand gebaut - private Stadtentwicklung in Afrika

von Simon Argus


Das Wirtschaftswachstum in Afrika betrug im Durchschnitt der letzten Jahre stolze 5 % - Sieben der zehn am schnellsten wachsenden Ökonomien der Welt liegen auf dem Kontinent, der sonst immer für die schlechten Nachrichten sorgte. Doch wohin geht das Wachstum - wer kann davon profitieren und wie fließt das frische Kapital in eine Verbesserung der Lebensqualität? Ein krasses Beispiel für die unwirkliche Entwicklung gibt Nigeria und sein städtebauliches Großprojekt Eko Atlantic.

Eine Stadt auf Sand gebaut - private Stadtentwicklung in Afrika

Diese Landzunge wird ein Bollwerk in zwei Richtungen: Gegen die Wassermassen des Atlantiks einerseits und gegen die Massen der Armut andererseits: Eko Atlantic ist eine neue Stadt für die reichsten Nigerianer. Bildquelle: ekoatlanic.com

Ein Bollwerk gegen den Klimawandel und gegen den steigenden Meeresspiegel - so wird Eko Atlantic, eine neue Stadt für 250.000 Einwohner beworben. Das Projekt entsteht auf einer künstlichen Halbinsel mit über 10 km² Fläche direkt vor den Toren der Metropole. Durch private Investoren gebaut und betrieben soll es das Hong Kong Afrikas werden und eine Glitzerwelt von Hochhäusern, Shopping-Boulevards und Luxus bieten. Und das alles ohne die Natur zu belasten: Möglichst geringe Emissionen, vollständige Klärung der anfallenden Abwässer, Energieeffizienz. Es soll die dahinter liegende Stadt Lagos vor der Brandung des Atlantiks schützen und somit allen Bewohnern der Stadt zugute kommen. Das Projekt wurde 2009 sogar von der renommierten Clinton Global Initiative ausgezeichnet.


Das zumindest ist die Seite der Geschichte, die gerne erzählt wird. Andere Fakten deuten darauf hin, dass die Stadt für die meisten Bewohner des Großraums mehr Bedrohung als Bereicherung  darstellen könnte. In der rasant wachsenden Stadt Lagos - neben Kairo eine der beiden größten Städte Afrikas -  kann die Infrastruktur längst nicht mehr mit der Bevölkerungsentwicklung mithalten. Es gibt wenig Beschäftigung und Millionen arbeiten für ein minimales Einkommen in der informellen Wirtschaft. Fast 100 Millionen Nigerianer - mehr als die Hälfte der Bevölkerung im bevölkerungsreichsten Staat Afrikas leben von weniger als einem Dollar pro Tag. Vermeidbare Krankheiten sind weit verbreitet, Strom und sauberes Wasser selbst in Lagos oft schwer zu bekommen. 


Wenige Kilometer von der Großbaustelle von Eko Atlantic entfernt liegt Makoko, ein im verseuchtem Wasser der Lagune von Lagos auf unsicheren Stelzen gebauter Slum für wahrscheinlich mehr als 100.000 Menschen. Unter dem Vorwand der Verbrechensbekämpfung werden solche informellen Wohnviertel immer wieder von der Regierung geräumt und zerstört. Die dort vertriebenen Nigerianer werden nicht zu den neuen Mietern in Eko Atlantic gehören.


Gebaut wird Eko Atlantic von und für die absolute Elite des Landes - diejenigen Banken, Unternehmen und Privatpersonen, die vor allem mit Öl ein hoch-profitables Geschäft gemacht haben und somit Hauptverantwortliche für die Zerstörung der Umwelt in Nigeria sind. Trotz gegenteiliger Beteuerungen ist das eigentliche Ideal nicht die Sorge um Umwelt und Mitbürger, sondern die Traumwelt eines ungebremsten Kapitalismus, in dem sich die Besitzenden möglichst weit vom Rest der Gesellschaft entfernen und sprichwörtlich auf einer Insel der Glückseligkeit leben können.

Eine Stadt auf Sand gebaut - private Stadtentwicklung in Afrika

Realitätsfern? So sieht ein angeblich vorbildliches afrikanisches Stadtentwicklungsprojekt aus, das von der Clinton Global Initiative ausgezeichnet wurde. Bildquelle: ekoatlantic.com

Während die Situation durch den Rückzug des Staates aus Bereichen wie Bildung, Gesundheit und Landwirtschaft für viele erschwert wird - hier sind die üblichen Verdächtigen wie IWF  und Weltbank als Ideengeber zu nennen - haben die Eliten Nigerias und anderer afrikanischer Länder die extreme Ungleichheit als Wachstumsmotor entdeckt. Ganz wie zu Kolonialzeiten wird daher eine strikte Segregation angestrebt, wobei Eko Atlantic das Refugium der nigerianischen Millionäre werden soll, die dort Luxus-Autos kaufen und mit ihren Yachten andocken können, während sie durch Mauern und Zäune vor den anderen Bewohnern des Landes geschützt werden.


In Lagos folgt die Entwicklung einer ähnlichen Logik wie in anderen Metropolen des Kontinents, insbesondere wie in Kairo: Eine eigentlich zur Entlastung und Verbesserung der Lebenssituation in den Metropolen geplante Stadterweiterung, wird von privaten Investoren realisiert und im Sinne der zahlungsstärksten Käuferschichten gestaltet. In Kairo wurden so Arbeiterstädte im Umkreis von Kairo zu Standorten von mehr als hundert Gated Communities, die nur noch auf dem Papier das Wohnungsproblem der Metropole lindern sollen, da sie nur für das oberste Prozent der Bevölkerung erschwinglich sind. In Lagos wird ein Viertel gebaut, dass es einer Elite erlaubt, vor der aufziehenden Klimakatastrophe zu flüchten. Das Projekt leistet aber kaum einen Beitrag, um die Widerstandsfähigkeit der gesamten Stadt gegen steigende Meeresspiegel zu erhöhen.


Quellen:  http://www.ekoatlantic.com, die Webseite des Investors mit zahlreichen Bildern, Videos und Animationen The Guardian - True North  Artikel über das Projekt und seine tatsächlichen Hintergründe in der neoliberale Entwicklung Nigerias, der den Begriff der "Klima-Apartheid" einführt. 


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