Eine Schweigeminute

Von Guidorohm

Eine Schweigeminute.
Was für ein Gerede über einen Moment der Ruhe, sagte Petersen später.
Dafür erschlugen sie ihn. Sie warfen ihn vor einen Informationsschalter der Deutschen Bahn.
Die Schweigeminute war für Dienstag angesetzt. Die Uhrzeit war den meisten international gesuchten Schweigern nicht bekannt.
Fragen über Fragen.
Wissen Sie vielleicht?
Oder Sie?
Die Stadt war im Aufruhr. Die Stimmen überschlugen sich. Sie schwappten über die Stadt wie eine Welle. Sie rissen alles mit sich.
Vielleicht dort drüben.
Vielleicht unter dem Fahnenmast.
Nichts zu machen.
Man fand sich erst gar nicht.
Die Schweigeminute verlief im Sand. Sie versickerte in den Mündern derer, die sich über eine Schweigeminute erregten.
Die sollen sich ihre Betroffenheit sonst wo hin stecken.
Na, wohin denn nun?
Einer bellte durch ein Megafon: Um 18.30 Uhr wird gnadenlos zurück geschwiegen. Wir werden nicht eher sprechen, bis der Feind sein Schweigen gebrochen hat.
Die Schweiger fanden erst gar nicht zusammen.
Später schwieg man sich über den peinlichen Tag aus.
Petersen, Präsident der Schweiger aus aller Welt, kochte über. Er war doch nicht zu dieser Schweigeminute angereist, um nun ohne einen Moment der Betroffenheit wieder abzureisen.
Nein, so nicht!
Petersen kündigte bereits die nächste Schweigeminute an.
Sein Freund Torben Kleinschmidt verlangte die Einführung einer Schreiminute.
Man könne sich doch einmal den Schmerz über die Dramen der Welt aus der Seele schreien.
Die meisten schwiegen betroffen über diesen Vorschlag eines ehemals großen Schweigers ihrer Vereinigung.
Nach dem Leichenfund Petersens, der sich, tot wie er war, über seine Mörder ausschwieg, wurde für den kommenden Samstag eine Schweigeminute in seiner Heimatstadt angekündigt.
Schweigsam trennten sich die Schweiger und hofften auf die nächste Zusammenkunft.
Die Schweigeminuten mussten sich ändern.
Es gab viel zu bereden.