Es macht traurig und schockiert, dass es der russische Staat nicht schafft, seine Bürger zu schützen. Dieses Unvermögen gipfelt in den zahlreichen Terroranschlägen, die sich in den vergangen Jahren ereignet haben, fängt aber schon mit vermeintlich „harmlosen“ und alltäglichen Verbrechen an. Es beginnt damit, dass Verbrechen auf Polizeirevieren mit einem „Aber Sie sind doch noch am Leben“ abgetan werden. Es beginnt damit, dass man sich bei einer Verkehrskontrolle einfach freikaufen kann; und endet damit, dass man sich – wie die Attentäterinnen im Jahr 2004 – mit einer kleinen finanziellen Zuwendung Zutritt zu zwei Flugzeugen verschaffen kann, um sie dann in die Luft zu sprengen.
Ich wage zu behaupten, dass die Staatsmacht nach den Terroranschlägen in den vergangen Jahren durchweg falsch gehandelt hat. Die Palette der Fehlentscheidungen reicht dabei von versuchter Vertuschung wie im Fall der Geiselnahme im Moskauer Musicaltheater 2002 über unangemessen brutale „Befreiungs“aktionen bei der Geiselnahme in einer Beslaner Schule 2004 (dieser Punkt triff übrigens auch auf die Geiselnahme im Musicaltheater zu) bis hin zu der unsensiblen Wortwahl und Kriegsrhetorik nach jedem Attentat, bei der mit Worten scharf in Richtung Kaukasus geschossen wird. Dass es einigermaßen wenig nützt, wiederholt „die Terroristen zu jagen“ und dieses Vorgehen sogar als kontraproduktiv bezeichnet werden kann, ist offenkundig. Die Wut auf Moskau wird in den nach Unabhängigkeit strebenden Teilrepubliken dadurch weiter verstärkt, radikale Gruppen erhalten noch mehr Zulauf; und auf der anderen Seite hält sich das Gefühl der Unsicherheit in der russischen Bevölkerung, das – wie in letzter Zeit in der Hauptstadt – in Rassismus gegen dunkelhäutige Landsleute und Gastarbeiter umschlägt. Es ist ein Teufelskreis, den die Machthaber mit den Tschetschenienkriegen in den 90er Jahren losgetreten haben. Moskau wird es meiner Meinung nach in absehbarer Zeit auch nicht schaffen, sich aus dieser Zwangslage zu befreien, solange die „klassische“ Vorgangsweise beibehalten wird.
Zum Schluss noch ein kleines Detail (Quelle: spiegel.de) am Rande, das die besondere „Sensibilität“ der russischen Macht illustriert: die zwei großen staatlichen Fernsehkanäle unterbrachen ihr laufendes Programm aufgrund des Anschlags nicht.