Eine neue Welt – nicht dasselbe in Grün!

Von Hartstein

12 Forderungen und Thesen von
Greenpeace zum Erdgipfel von Rio 2012

1. Raubbau an der Natur stoppen

Zwanzig Jahre nach dem ersten Erdgipfel in Rio de
Janeiro plündert der Mensch noch immer die Natur.
Rio+20 muss die Grundlagen für einen Friedensvertrag
mit der Natur legen. Geschieht dies nicht, machen sich
die Regierungsvertreter mitschuldig an Leid und Tod von
Millionen von Menschen durch Klimawandel und
Naturzerstörung und missachten das Lebensrecht
künftiger Generationen.

2. Ehrlich Bilanz ziehen und radikale Wende starten

Friedensvertrag mit der Natur bedeutet eine radikale Abkehr
von der Vernichtung der natürlichen Lebensgrundlagen.
Dafür muss in Rio endlich eine ehrliche Bilanz
gezogen werden. Seit 1992 haben Übernutzung, Belastung
und Zerstörung der natürlichen Umwelt ungebremst zugenommen.
Keine der drei Rio-Konventionen hat ihre Ziele
bisher erreicht. Die Zerstörung der natürlichen Grundlagen
von Wirtschaft und Gesellschaft ist eine der denkbar
größten Katastrophen der Menschheit. Sie muss daher mit
weit größerer Entschlossenheit bekämpft werden als die
Finanz- und Wirtschaftskrisen der letzten Jahre. Solange
die Staaten die Ursachen ihres Scheiterns nicht offen analysieren
und radikal neue Wege einschlagen, kann kein
Gipfeltreffen eine Wende bringen.

3. Strikte Grenzen für Naturverbrauch setzen

Wirtschaft und Gesellschaft müssen dazu verpflichtet
werden, die Belastungsgrenzen der Klima- und Ökosysteme
strikt und ausnahmslos einzuhalten. Ohne absolute
Grenzen für Natur- und Ressourcenverbrauch wird der bis
2050 erwartete Anstieg der Weltbevölkerung auf über 9
Milliarden Menschen zum ökologischen Kollaps führen.
Die „Ziele für nachhaltige Entwicklung“, die in Rio+20
verhandelt werden, müssen deshalb solche Grenzen
konkret und verbindlich formulieren – z.B. den Stopp der
weltweiten Entwaldung bis 2020, das Ende des Anstiegs
der globalen CO2-Emissionen im Jahr 2015, den Stopp
der Überfischung und der Anwendung zerstörerischer
Fangmethoden bis 2020 oder den sofortigen Stopp der
Ausweitung landwirtschaftlicher Flächen auf Kosten
von ökologisch wertvollen Gebieten (z.B. Urwälder) bei
gleichzeitiger Reduktion des Futtermittelanbaus.

4. Wirtschaft ohne Grenzen ist nicht „grün“

In Rio wird ein „grünes“ Wirtschaftsmodell (Green Economy)
diskutiert. Eine „Green Economy“, die allein auf
Effizienzsteigerung und umweltfreundlichere Energien
setzt, wird den ökologischen Kollaps nur verzögern, aber
nicht verhindern. Nicht alles, was sich grün nennt, ist auch
grün: die Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und
Ressourcenverbrauch ist nur begrenzt möglich, und durch
Produktionsverlagerung werden Emissionen ins Ausland
verschoben. Effizienzgewinne führen häufig zu Mehrverbrauch,
und regenerative Energien müssen fossile und
nukleare Energien ersetzen, nicht nur ergänzen. Deshalb
ist eine „Green Economy“ ohne absolute Obergrenzen für
Energie- und Ressourcenverbrauch und deren Emissionen
keine Lösung. Eine Wirtschaft ist nur dann grün, wenn
sie die allgegenwärtige Verschwendung von Energie und
Rohstoffen stoppt und einen realen Rückgang des Naturverbrauchs
erreicht.

5. Nachhaltige Entwicklung ist kein technisches Problem

Saubere Technologien und „Green Economy“ sind nur ein
Teil der Lösung. Soziale Benachteiligung und fehlende
Teilhabe, Ungerechtigkeit und die Missachtung grundlegender
Rechte, Armut und Unterversorgung, Hunger
und Kriege verhindern Nachhaltigkeit. „Green Economy“
muss Menschenrechte und Demokratie mit verwirklichen
und ein entscheidender Beitrag zur Konfliktverhinderung
werden.

6. Unser Wachstumsmodell ist falsch

Eine „Green Economy“ muss mehr sein als dasselbe in
Grün. Das bisher praktizierte Modell von Wirtschaftswachstum
hat Wohlstand für eine kleine Minderheit auf
Kosten der Mehrheit der Menschen geschaffen, die Natur
ausgebeutet und die Schere zwischen Arm und Reich
vergrößert. Zu einem radikalen Neuanfang gehört der
Abschied vom bisherigen Wachstumsmodell und seinem
Irrglauben, dass in einer begrenzten Welt unbegrenztes
Wachstum möglich sei.

7. Wachstum neu bewerten

Die Staaten müssen zwischen gutem und schlechtem
Wachstum differenzieren. Das Bruttosozialprodukt als
alleiniger Indikator muss ersetzt werden durch einen Indikator,
der soziale, ökologische und humanitäre Faktoren
gleichwertig neben dem materiellen Niveau berücksichtigt.
In Rio sollte die Entwicklung eines solchen Indikators
beschlossen werden.

8. Macht der Konzerne brechen

Wachstum, das Gesellschaft und Natur schadet,
muss verhindert werden. Es ist eine Perversion von
Wirtschaftswachstum, dass einzelne Konzerne heute über
größere Budgets verfügen als manche Industrieländer. Die
Entmündigung der Politik durch unkontrolliert agierende
Konzerne muss beendet werden. In Rio müssen sich die
Staaten deshalb auf die Entwicklung von strengen Regeln
für Unternehmen einigen, damit diese demokratischer
Kontrolle und Regulierung unterstellt werden. Eine
Möglichkeit wäre, die Größe von Unternehmen gesetzlich
zu begrenzen und fest zu legen, dass ihr Gewinn einen
bestimmten Prozentsatz des investierten Kapitals
nicht übersteigt. Gewinn erwirtschaften ist legitim,
Gewinnmaximierung um jeden Preis und Profite auf
Kosten der Allgemeinheit aber nicht. Unternehmen
müssen zudem für ökologische und soziale Schäden
ihres Handelns konsequent und weltweit haftbar gemacht
werden, und die durch sie praktizierte Abwälzung
von Umweltkosten auf die Allgemeinheit muss durch
eine ökologisch orientierte Steuer- und Preispolitik
unterbunden werden. Ebenso muss der Raubbau an
den natürlichen Ressourcen und die Missachtung von
Menschenrechten durch multinationale Konzerne beendet
werden.

9. Finanzbranche strikt regulieren

Um nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen, müssen
die Finanzmärkte streng reguliert werden. Missbrauch
von Finanzgeschäften und Spekulationen auf Kosten der
Allgemeinheit und der wirtschaftlichen Stabilität (z.B. die
Spekulation mit Nahrungsmitteln) müssen durch Gesetze,
Steuern und Abgaben unterbunden werden. Die Finanzbranche
muss die Kosten der durch sie verursachten
Schäden tragen.

10. Umweltschädliche Subventionen radikal abbauen

Alle Beschlüsse zu nachhaltiger Entwicklung sind zum
Scheitern verurteilt, solange nicht-nachhaltiges Handeln
durch falsche Besteuerung und schädliche Subventionen
staatlich belohnt wird. Allein in Deutschland belaufen
sich die umweltschädlichen Subventionen auf rund 50
Milliarden Euro pro Jahr. Die weltweiten Agrarsubventionen
betragen rund 350 Milliarden US-Dollar, und 2011
wurden weltweit rund 600 Milliarden Dollar Subventionen
für klimaschädliche fossile Brennstoffe gezahlt, aber
nur 70 Milliarden für Erneuerbare Energien. Als ersten
Schritt zum Abbau umweltschädlicher Subventionen sollte
in Rio das Ende der Subventionen für fossile Energieträger
bis spätestens 2015 beschlossen werden.

11. Unfairen Welthandel reformieren

Nachhaltige Entwicklung ist nicht möglich, solange die
bestehenden Ungerechtigkeiten und die ökologische wie
soziale Blindheit des gegenwärtigen Welthandelssystems
nicht korrigiert werden. Das bisher vorherrschende
Konzept des Freihandels muss durch Handelsregeln
ersetzt werden, die den Handel mit sozial fairen und
ökologisch nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen
begünstigen. Es muss möglich sein, umweltschädliche
Produkte und Produkte aus sozial nicht verantwortbarer
Herstellung handelspolitisch zu sanktionieren. Handelsregeln
müssen konsequent Menschen- und Arbeitsrechte
sowie multilateralen Umweltabkommen respektieren.
Alle Länder, insbesondere Entwicklungsländer, müssen
die Möglichkeit erhalten, ihre Märkte vor einer für sie
schädlichen Liberalisierung zu schützen.

12. Lebensstil der Verschwendung beenden

Die Industriestaaten, die historisch den größten Ressourcen-
und Naturverbrauch hatten, müssen eine auf Genügsamkeit
statt auf immer mehr Wachstum ausgerichtete
Wirtschaftsstrategie entwickeln. 1,4 Milliarden Menschen
– nur ein Fünftel der Weltbevölkerung – verbrauchen 80
Prozent der Ressourcen. Angesichts der planetarischen
Belastungsgrenzen müssen diese „Global Rich“, die längst
auch in Ländern wie China, Brasilien, Russland, Indien
und Südafrika beheimatet sind, ihren Ressourcenverbrauch
am stärksten reduzieren, z.B. bei Fleischkonsum
und fossilen Energien. Lebensstil und Konsummuster
dieser Minderheit setzen Normen und müssen deshalb so
gestaltet sein, dass breite Bevölkerungsteile in Entwicklungsländern
die Möglichkeit zu nachhaltiger Entwicklung
haben. Die Beendigung dieses verschwenderischen
Lebensstils auf Kosten der Natur und ärmerer Länder
muss durch Gesetze und politische Vorgaben, aber auch
durch Bildung und öffentliche Diskussionen um alternative
Lebensstile erreicht werden. Langfristig müssen
alle Länder ihren Pro-Kopf-Verbrauch an Ressourcen
begrenzen. Zuvor muss jedoch sichergestellt werden, dass
die zwanzig Prozent der Menschheit am unteren Ende
der Einkommensskala Grundbedürfnisse wie Ernährung,
Zugang zu sauberem Wasser und Energie, Wohnraum,
Gesundheit und Bildung befriedigen können.

Quelle:

http://www.greenpeace.de/fileadmin/gpd/user_upload/themen/wirtschaft_und_umwelt/120611ThesenblattRio.pdf