Die ganze Oberstufe lang wollte ich irgendwie mal raus, Reisen machen, was anderes sehen, andere Menschen treffen, mich auf einer anderen Sprache als Deutsch unterhalten, irgendwelche Herausforderungen. Und ein Jahr im Ausland ist wirklich gut. Man trifft Menschen aus anderen Ecken der Welt (und muss sich manchmal überwinden, einfach irgendwen anzusprechen, irgendwo hinzugehen), lernt Straßen einer neuen Stadt kennen und findet dort Lieblingsplätze. Als Au-pair ist es auch schön, gutes Geld zu verdienen. Es ist so cool, kulturelle Kleinigkeiten und Bräuche mitzuerleben und eine oder mehrere andere Sprachen zu sprechen, und das jeden Tag. ABER.
Deutsch als Muttersprache ist ziemlich cool. Manchmal will man ”Rabauke” sagen oder ”Ich glaub, es hackt” oder ”kackendreist” oder ”Die hängt da wie ein Schluck Wasser in der Kurve” oder ”Da geht die Luzi” oder ”Dann ist aber Halli-Galli!”. Und im Deutschen kann man sich so schön ausdrücken und wir kennen all die kleinen Fein- und Gemeinheiten der deutschen Sprache, die ein Nicht-Muttersprachler nie so lernen kann. Und Alltagssprache. Und wir können Dialekte sprechen. Nicht nur regional, auch sozial. Und auf Deutsch kann man einfach so losschmipfen ohne groß nachzudenken.
Vor deinen Freunden kannst du so sein wie du bist und jedes noch so peinliche Erlebnis erzählen. Und sie wohn(t)en – zumindest in der Schulzeit – alle um die Ecke. Wenn man es in seinem eigenen Zimmer nicht mehr ausgehalten hat, allein, dann hat man eben angerufen. Oder ist einfach vorbeigefahren. Und sogar das eben anrufen ist von woanders schwer. Skype kann ein richtiges Telefonat nicht ersetzen. Es gab einfach Leute für bestimmte Gelegenheiten, mit dem einen macht man dies, der andere ist der/die Richtige für was anderes. Spontanes fehlt. Einfach zu Mc Donalds oder Ikea fahren. Und all die Ecken der Heimatstadt und deren Ruf kennen. Ich glaube, alle Ahlener haben ein Bild vor Augen, wenn man Peine oder Gamba oder Sam’s sagt. Und jeder kennt nen 1-Euro-Laden für ein günstiges Kostüm. Und wie gut sind Bauernparties, auf denen alle anzutreffen sind. Und der Gourmetmarkt, das Stadtfest (auf dem es letztes Jahr so unglaublich warm war) und der Tanz in den Mai, Karneval, der 23ste.
Die deutsche Jugend. Eigentlich haben wir da schon ganz schön Glück. Hier sind die Klubs oft erst ab 20-23 Jahren und der Alkohol sowieso erst ab 20. Und zuhaus – die ganzen Parties und Münster nebenan - es war doch immer was los! In Schweden schließen selbst in Großstädten die Klubs um Punkt 3 mit Rausschmeißmusik. In Amerika ist das Autofahren früher, dafür das Partymachen später erlaubt. Ich finde, wir haben es schon ganz gut getroffen. Und wer will, kann auch die ganze Nacht feiern.
Zuhause darf man an alles drangehen. Hier soll man sich zwar auch fühlen wie Zuhause, aber es ist doch nochmal was anderes, ob man daheim an alle Schränke geht oder woanders. Und wenn man das Auto (fast) immer nehmen darf, ein eigenes Fahrrad hat, das man liebt, und es die eigene Tasse ist, die einem runterfällt.
So ganz frei und unabhängig ist man nicht. Vor allem als Au-pair grad – wenn man morgens noch schlafen will, kann man nicht liegen bleiben die ersten beiden frei machen, denn die Familie wartet auf dich und das Baby kann keine 5 Minuten alleine bleiben. Und Ferien sind auch nicht mehr.
Wir haben gute Filme. Wir haben gute Schauspieler! Wirklich, es gibt schöne Serien und witzige Filme und ich bin stolz, dass es ”unsere” Schauspieler sind. Und Tv Total. In Schweden läuft Türkisch für Anfänger mit Untertiteln, aber hier ist es doch irgendwie nicht witzig wenn eine der Figuren wegen seiner Art als ”Kai Pflaume” bezeichnet wird, aber ihr könnt euch grad bestimmt vorstellen, wie derjenige dann ist.
Und um auch mal was Schlechtes zu schreiben (Mia!) – Der Schnee und die Dunkelheit und der lange Winter nervt. Man kommt sich manchmal vor, als wenn man verblödet, weil man außer den Sprachen und Kochen und Bügeln nichts lernt. Und manchmal hätte ich Bock, mich um 3 Uhr hinzulegen und We are family zu gucken.
Und ich glaube, hier geht es nicht nur um das Au-pair-sein und das Im-Ausland-sein, sondern teilweise darum, dass es auch nicht mehr so ist oder sein wird, weil die Schulzeit nun vorbei ist.
Es ist schön, wenn man weiß, was Heimat, Familie und Freundeskreis bedeuten, aber ich glaube, dass ich heute in einem Jahr, wenn ich bestimmt in einer Klausurenphase stecke, auch darüber schreiben könnte, wie schön es doch im Ausland war und sein könnte und wie sehr ich Schweden liebe.
So ist das. The grass is always greener on the other side of the fence. Hier passte Englisch grad mal besser. Oder wie war das mit den Kirschen in Nachbars Garten.