Heute entscheidet die CSU, ob es morgen die EU noch gibt, ob man einen gemeinsamen Grundwertekatalog hat, oder ob alles weiter auseinanderdriftet. Natürlich macht sich diese Entscheidung an der Migration fest. Ein leser dieses Blogs, den ich gern als meinen Lieblingsnazi bezeichne, hat mir ein interessantes Video empfohlen. Das bringt mich dazu, einmal zusammengefasst meine Meinung zur Migrationsfrage zu äußern. Es könnte immerhin sein, dass ich missverstanden worden bin, und mir ist daran gelegen, die Debatte zu versachlichen.
Der ehemalige DDR-Agent Rainer Rupp, dem es möglicherweise zu verdanken ist, dass es 1983 nicht zum dritten Weltkrieg kam, setzt sich in einem Youtube-Video vehement gegen die Migration ein. “No Border, no Nation”, sagt Rupp, sei ein Schlachtruf der Linken, mit dem sie allein die Interessen des Großkapitals befeuerten, denn die wollten mit einer Armee eingereister Migranten in Europa Lohndrückerei betreiben und ihre Profite maximieren. Das stecke wirklich hinter dem, was die Kanzlerin einst “Willkommenskultur” genannt habe. Offene Grenzen seien heute kein Ausdruck des Humanismus mehr, sondern der feuchte Traum der Banksters und der Großkapitalisten, sagt Rupp. Es wäre einen eigenen Artikel wert, sich mit Rupp, seiner Lebensgeschichte und den Wendungen, die er genommen hat, auseinanderzusetzen. Das will ich heute in diesem Beitrag nicht tun, denn mir geht es um die Aussage an sich.
Die Debatte um die Zuwanderung und die Aufnahme von Flüchtlingen wird heutzutage immer vermischt. Dabei handelt es sich meiner Meinung nach um zwei unterschiedliche Debatten. Wenn der Gesundheitsminister billige Arbeitskräfte aus Albanien ins Land holen will, um sie hier für einen Hungerlohn in der Pflege einzusetzen, dann ist das genau das, was Rainer Rupp beschreibt, Ausbeutung und Profitmaximierung. Wenn man aber flüchtlinge aus Kriegsgebieten, die im Mittelmeer zu ertrinken drohen, aus dem Wasser fischt und an Land bringt, so ist das human. Deutsche Schifbrüchige würden sich über eine solche rettung ebenfalls freuen. Wir müssen also zunächst einmal entscheiden, worüber wir eigentlich reden wollen.
Gesteuerte Migration hat es immer gegeben. Friedrich der Große hat die Hugenotten ins Land gelassen, und sie haben Preußen kulturelle Vielfalt und wirtschaftlichen Aufschwung beschert. Er erkannte auch den wirtschaftlichen Vorteil. Migration nützt immer auch der wirtschaft des Ziellandes, solange sie die Infrastruktur nicht zerstört, solange sie also gesteuert ist. Zwar profitieren dabei auch, und heute mehr als früher, die Großkapitalisten, aber eben auch die Kunst und Kultur des Ziellandes. Doch Migration ist kein Gut an sich. Ich bin nicht für Migration, sondern ich bin für Freizügigkeit. Das ist ein Unterschied. Freizügigkeit ist die Erlaubnis, sich niederzulassen, wo man möchte, ohne sich oder der Umwelt, in die man sich begibt, Schaden zuzufügen. Freizügigkeit funktioniert am besten, wenn das soziale und wirtschaftliche Gefälle zwischen Herkunft und Ziel nicht übermäßig groß ist. Dass von Migration die Großkapitalisten profitieren, könnte man eben nur dadurch eindämmen, dass man diese Großkapitalisten an die Leine legt, sie mehr reguliert, und das ist eine Forderung, die ich jederzeit unterstützen würde. Rainer Rupp, dessen Agentendeckname übrigens topas war, der vielleicht einigen von Ihnen noch bekannt ist, spricht in seinem Beitrag gegen die Migration nicht einmal von Umvolkung, von der Vernichtung der Deutschen, von der Islamisierung des Abendlandes. Er wendet sich gegen Migration, weil damit die arbeitende deutsche Bevölkerung seiner Meinung nach von den Kapitalisten erpresst und unterdrückt werden soll. Jens spahn und seine Pläne scheinen ihm da recht zu geben.
Ich denke, dass jedes Land solche Regelungen für Migration aufstellen muss, wie sie der eigenen Wirtschaftskraft und der Belastbarkeit des eigenen Sozialsystems angemessen sind. Deutschland erlebt eine recht große Zuwanderung, doch viele davon kommen als Flüchtlinge, und sind daher ein anderes Thema, auf das ich gleich eingehen werde. Unser Land kann durchaus einige Migranten aufnehmen, weil sie derzeit das sozialsystem sogar stützen könnten, allerdings müssten sie denselben Lohn wie Deutsche bekommen und dort eingesetzt werden, wo derzeit in Deutschland Arbeitskräftemangel herrscht. Dann zahlen sie in die Sozialsysteme ein und bezahlen damit auch die deutschen Rentner. Gleichzeitig müsste mehr für die Bildung getan werden, das Geld wäre da, denn die schwarze 0 ist ein unsinniger Fetisch, und man muss investieren, wenn man Erfolge sehen will. Wenn Migranten für denselben Lohn wie Deutsche arbeiten, können sie nicht als Erpressung eingesetzt werden. Ich bin also insoweit für Migration, als es sinnvoll und zu beiderseitigem Vorteil ist.
Die rechten Demagogen vermischen dies aber immer mit dem Thema der flüchtlingsströme. Die sind nur indirekt vom Großkapital gesteuert, auch wenn unsere Rüstungsfirmen, die Kriegstreiber und militärischen Falken daran ebenfalls schuld tragen. Es handelt sich um Menschen, einfache, normale Menschen, die vor dem Wahnsinn des krieges fliehen, um ihr nacktes Leben zu retten. Sie haben ein Recht auf Leben, sie müssen gerettet werden. Hier geht es noch lange nicht um Arbeit, um Sozialsysteme, sondern um pure Menschlichkeit. Und hier wäre Solidarität zwischen den Ländern gefordert, die genügend Reichtum besitzen. Die europäische Dublin-3-Verordnung sorgt dafür, dass Länder, die am Rande der EU liegen, mit dem Problem alleingelassen werden. Sie, die ärmer sind als die Länder in der Mitte, sollen die Flüchtlinge aufnehmen, die Länder in der Mitte, vor allem Deutschland, sind da fein raus. Denn die entsprechende Verordnung besagt im wesentlichen, dass Flüchtlinge dort verbleiben müssen, wo sie erstmals europäischen Boden betreten haben. Also in Spanien, Griechenland, italien. Dabei wäre die anzahl der flüchtlinge durchaus zu ernähren und einzugliedern, wenn man sie statt auf drei auf 28 Länder verteilen würde, jedes nach seinen Möglichkeiten. Diese Menschen zu retten ist ein Gebot der Humanität.
Vor ein paar Tagen fragte mich der schon genannte Leser dieses Blogs, ob ich auch noch damit leben könnte, wenn die Flüchtlinge zum Beispiel zu hunderten in meinem geliebten Urlaubsort Heelderpeel in den Niederlanden auftauchen würden. Natürlich hat er keine ahnung. 1991 ist genau das geschehen, 400 Flüchtlinge aus Palästina und dem Libanon wurden im Winter dort untergebracht, wir haben uns mit einer palästinensischen Familie angefreundet, auch wenn wir uns fast nur mit Händen und Füßen unterhalten konnten. Diese Menschen waren dankbar für ihre Aufnahme, fegten im Winter die Wege, räumten Müll weg, den feiernde und gröhlende Rowdies aus Biodeutschen und Bioniederländern zurückgelassen hatten, bekochten meine Mutter, als es ihr nicht gut ging. Nach einigen Wochen wurden sie in ein Lager gesperrt, weil der Golfkrieg begann und sich die PLO auf die seite Sadams stellte, sie wurden in Kollektivhaftung genommen, nur weil sie aus diesem Gebiet stammten. – lange Rede kurzer Sinn: Ja, ich bin für die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen, und ja, durchaus auch in meiner Nähe. Wie ein zivilisierter Mensch überhaupt anderer Meinung sein kann als der, dass man diese Menschen zunächst einmal einfach retten muss, weiß ich nicht. Natürlich bedarf es einer großen anstrengung, und es bedarf dazu einfach der zwischenstaatlichen Solidarität. Dann sind es pro Land viel weniger aufzunehmende, und dann macht es den Einheimischen hoffentlich weniger Angst. Was viele Menschen nicht begreifen ist die Tatsache, dass zumindest seit 2 Jahren die Zahl der Flüchtlinge in Deutschland ständig sinkt. Wirtschaftlicher und sozialer Kollaps steht ebensowenig bevor wie eine Umvolkung. Die Griechen und die Römer existieren heute noch, auch wenn man letztere heute Italiener nennt. Und sie existieren noch, obwohl sie mehrfach von riesigen Massenbewegungen überrant wurden. Germanen und römer waren in der antike ebenso weit voneinander entfernt wie Afrikaner, Araber und Europäer heute. Die Angst, die heute bewusst vor den Flüchtlingen geschürt wird, die verzweifelt über das Mittelmeer kommen, wird für eigene politische Zwecke kleiner Gruppen instrumentalisiert, und diesmal ist es nicht das Großkapital.
Und dann gibt es noch die dritte Gruppe von Flüchtlingen, die beiweitem kleinste. Es sind die, die aus politischen Gründen Asyl beantragen. Sicher: Viele der Kriegsflüchtlinge versuchen es auch mit einem Asylantrag, aber sie erhalten eigentlich nur ein begrenztes Bleiberecht, solange der Kriegszustand in ihrer Heimat andauert. Die politisch Verfolgten genießen in Deutschland Asyl. Es ist eine Lehre daraus, dass einige Länder, nicht alle, deutschen Flüchtlingen im zweiten Weltkrieg ebenfalls Asyl gewährt haben. Ich halte das Asylrecht für ein hohes Gut, das wir verteidigen müssen. Die Zahl der Asylberechtigten ist so gering, dass sie bei der Debatte um Migration gar nicht ins Gewicht fällt. Sie wird aber immer ins Feld geführt, die Begriffe werden vermischt, um eine diffuse Angst zu schüren. Ich bin jedenfalls für die uneingeschränkte Beibehaltung des Asylrechts. Übrigens schließt das Asylrecht ein, dass politisch Verfolgte aus einem anderen Land sich nicht hier politisch betätigen, also nicht von hier aus irgendwelche Aktionen in ihrem Heimatland oder anderen Ländern durchführen.
68,5 Millionen Flüchtlinge gibt es derzeit weltweit. Die Hälfte davon sind flüchtlinge im eigenen Land, weitere 20 Millionen sind flüchtlinge in Nachbarländern, die teilweise aus Mitteln des UNHCR versorgt werden. Bleiben immer noch 10 bis 15 Millionen weltweit, die irgendwo Unterschlupf finden müssen. Davon kommen wohl rund 4 Millionen nach Europa derzeit, oder versuchen es zumindest. Europa hat über 500 Millionen Einwohner. Mit einer anstrengung, wie sie 2015 Deutschland unternommen hat, in allen EU-Ländern, wäre das Problem zu lösen, und die flüchtlinge machten weniger als 1 % der Gesamtbevölkerung aus.
Ich appelliere an alle Menschen mit Vernunft, sich gegenseitig nicht das ernste Bemühen um Wahrhaftigkeit abzusprechen, andere Meinungen tolerant zu behandeln, solange die Kommunikation respektvoll und friedlich vonstatten geht, und gemeinsam nach Lösungen für die schwierigen Probleme unserer Zeit zu suchen. Mit Beleidigungen, zynischen Bemerkungen, Hetze, oder gar mit Morddrohungen kommen wir nicht weiter.