Von Stefan Sasse
Wulff wird derzeit wahlweise als "einer der schlechtesten" oder "der schlechteste" Bundespräsident eingestuft, den Deutschland je hatte. Das ist nicht besonders fair, denn schlecht war nur sein Abgang. Die Dinge, wegen denen er nun angeklagt wird, hat er als Ministerpräsident getan, nicht als Bundespräsident. Als solcher ist seine Bilanz eigentlich ziemlich gut, bis die Krise begann. Rufen wir uns kurz in Erinnerung, was vergangene Bundespräsidenten geleistet haben. Wenn man mehr als nur eine wichtige Rede in Erinnerung hat, ist das schon echt ungewöhnlich. Zu Köhler und Rau fällt mir spontan nichts ein. Von Herzog bleibt die "Ruck"-Rede in Erinnerung, eines der Gründungsdokumente der Agenda-Politik, von Weizsäcker die Aussage, der 8. Mai sei ein "Tag der Befreiung", von Carstens nichts, von Scheel "Hoch auf dem Gelben Wagen", von Heinemann "ein Stück Machtwechsel", von Lübke zahllose Ausrutscher auf Auslandsreisen und von Theodor Heuss die Würde des Amtes als solche. Von Wulff bleibt in Erinnerung gesagt zu haben, dass "der Islam zu Deutschland" gehört. Er hat dieser besonders für einen Unions-Politiker nicht selbstverständlichen Aussage auch Taten folgen lassen; die große Gedenkfeier für die Opfer der Neonazi-Morde ist hauptsächlich sein Verdienst.
Hatte Christian Wulff das Zeug zu einem großen Bundespräsidenten? Vermutlich nicht. Aber er war beileibe keine Katastrophe. Ohne seine Affären wäre er definitiv als ein besserer Präsident als Köhler in die Geschichte eingegangen. So werden sie alles überschatten. Das ist seine Tragik, aber letztlich ist er daran selbst Schuld. Wir sollten uns aber nicht den Blick auf seine Leistungen davon verstellen lassen. Es wird beständig darauf hingewiesen, dass der Bundespräsident nur die Macht des Wortes zur Verfügung hat, und man muss sich auch im Klaren darüber sein, dass das Lavieren in einem weitestgehend machtlosen Umfeld nicht gerade leicht ist. Köhler ist daran zerbrochen, aber Wulff war davon nicht übermäßig aus der Bahn geworfen. Es erfordert viel Fingerspitzengefühl, die wenigen Wirkmöglichkeiten des Amtes auszunutzen, ohne sie zu überreizen. Das ist Wulff gelungen. Blamiert hat er sich und das Land auch nirgends, und ich habe bereits an anderer Stelle geschrieben, dass er eigentlich eine ganz gute Repräsentation eines durchschnittlichen Deutschen abgibt, in allen Stärken und Schwächen. Man muss ihm ebenfalls anrechnen, dass er sich nicht parteiisch verhalten hat; in den tagesaktuellen Auseinandersetzungen seiner kurzen Amtszeit war er nicht zu vernehmen. Keine Rufe nach Reformen oder mehr Aktionen der Regierungen, wie sie Herzog und Köhler ausgezeichnet haben.
Seine für mich größte Leistung aber liegt tatsächlich in dem offiziellen Eingeständnis, dass der Islam zu Deutschland gehöre, und in dem Versuch, entsprechende Symbole zu schaffen. Es handelt sich bei diesem Thema tatsächlich um ein aktuelles, unsere Gegenwart bestimmendes Thema, im Gegensatz zu der Freiheits- und Ruck-Rhetorik seiner Vorgänger und seines Nachfolgers. Wulff hatte sich ein Thema gegeben, das auch und gerade für seine eigene Partei unbequem ist, und ging darin voran. Man sollte das nicht zu gering schätzen. Die Akzeptanz und Integration von Muslimen - echte Integration, keine leeren Forderungen nach Assimilation - ist ein Thema, das unsere Gesellschaft permanent beschäftigt. Ein ruhiger, würdiger Gegenpol zu schrillen Diskussionskarussellen wie dem von Sarrazin entfesselten war genau das, was man brauchte. Von Gauck steht hier, leider, nicht viel zu erwarten. Wir sollten daher, bei aller berechtigten Kritik an Wulffs Verfehlungen, auch seine Leistungen in Erinnerung behalten.
Bild von Martina Nolte, CC-BY-SA 3.0
Wulff wird derzeit wahlweise als "einer der schlechtesten" oder "der schlechteste" Bundespräsident eingestuft, den Deutschland je hatte. Das ist nicht besonders fair, denn schlecht war nur sein Abgang. Die Dinge, wegen denen er nun angeklagt wird, hat er als Ministerpräsident getan, nicht als Bundespräsident. Als solcher ist seine Bilanz eigentlich ziemlich gut, bis die Krise begann. Rufen wir uns kurz in Erinnerung, was vergangene Bundespräsidenten geleistet haben. Wenn man mehr als nur eine wichtige Rede in Erinnerung hat, ist das schon echt ungewöhnlich. Zu Köhler und Rau fällt mir spontan nichts ein. Von Herzog bleibt die "Ruck"-Rede in Erinnerung, eines der Gründungsdokumente der Agenda-Politik, von Weizsäcker die Aussage, der 8. Mai sei ein "Tag der Befreiung", von Carstens nichts, von Scheel "Hoch auf dem Gelben Wagen", von Heinemann "ein Stück Machtwechsel", von Lübke zahllose Ausrutscher auf Auslandsreisen und von Theodor Heuss die Würde des Amtes als solche. Von Wulff bleibt in Erinnerung gesagt zu haben, dass "der Islam zu Deutschland" gehört. Er hat dieser besonders für einen Unions-Politiker nicht selbstverständlichen Aussage auch Taten folgen lassen; die große Gedenkfeier für die Opfer der Neonazi-Morde ist hauptsächlich sein Verdienst.
Hatte Christian Wulff das Zeug zu einem großen Bundespräsidenten? Vermutlich nicht. Aber er war beileibe keine Katastrophe. Ohne seine Affären wäre er definitiv als ein besserer Präsident als Köhler in die Geschichte eingegangen. So werden sie alles überschatten. Das ist seine Tragik, aber letztlich ist er daran selbst Schuld. Wir sollten uns aber nicht den Blick auf seine Leistungen davon verstellen lassen. Es wird beständig darauf hingewiesen, dass der Bundespräsident nur die Macht des Wortes zur Verfügung hat, und man muss sich auch im Klaren darüber sein, dass das Lavieren in einem weitestgehend machtlosen Umfeld nicht gerade leicht ist. Köhler ist daran zerbrochen, aber Wulff war davon nicht übermäßig aus der Bahn geworfen. Es erfordert viel Fingerspitzengefühl, die wenigen Wirkmöglichkeiten des Amtes auszunutzen, ohne sie zu überreizen. Das ist Wulff gelungen. Blamiert hat er sich und das Land auch nirgends, und ich habe bereits an anderer Stelle geschrieben, dass er eigentlich eine ganz gute Repräsentation eines durchschnittlichen Deutschen abgibt, in allen Stärken und Schwächen. Man muss ihm ebenfalls anrechnen, dass er sich nicht parteiisch verhalten hat; in den tagesaktuellen Auseinandersetzungen seiner kurzen Amtszeit war er nicht zu vernehmen. Keine Rufe nach Reformen oder mehr Aktionen der Regierungen, wie sie Herzog und Köhler ausgezeichnet haben.
Seine für mich größte Leistung aber liegt tatsächlich in dem offiziellen Eingeständnis, dass der Islam zu Deutschland gehöre, und in dem Versuch, entsprechende Symbole zu schaffen. Es handelt sich bei diesem Thema tatsächlich um ein aktuelles, unsere Gegenwart bestimmendes Thema, im Gegensatz zu der Freiheits- und Ruck-Rhetorik seiner Vorgänger und seines Nachfolgers. Wulff hatte sich ein Thema gegeben, das auch und gerade für seine eigene Partei unbequem ist, und ging darin voran. Man sollte das nicht zu gering schätzen. Die Akzeptanz und Integration von Muslimen - echte Integration, keine leeren Forderungen nach Assimilation - ist ein Thema, das unsere Gesellschaft permanent beschäftigt. Ein ruhiger, würdiger Gegenpol zu schrillen Diskussionskarussellen wie dem von Sarrazin entfesselten war genau das, was man brauchte. Von Gauck steht hier, leider, nicht viel zu erwarten. Wir sollten daher, bei aller berechtigten Kritik an Wulffs Verfehlungen, auch seine Leistungen in Erinnerung behalten.
Bild von Martina Nolte, CC-BY-SA 3.0