Von Stefan Sasse
Man stelle sich für einen Moment vor, Margot Honecker würde im Neuen Deutschland eine Serie zu der Aufarbeitung von Verbrechen aus der DDR-Zeit redaktionell begleiten. Lassen wir die Vorstellung kurz sinken. Ist jedem klar, wie groß der Neuigkeitswert wäre? Und wie absurd das Ergebnis? Gut, denn so etwas ähnliches plant RTL II. Stephanie zu Guttenberg, den Verteidigungsaußenwirtschaftsstrahleministers Guttenbergs treues Eheweib, die sich derzeit mit größter Penetranz in den Medienzirkus drängelt, wurde "von RTL II als Moderatorin für ein wohl aufsehenserregendes Format gewonnen" (O-Ton DWDL). Das aufsehens- und übelkeiterregende Format trägt den Namen "Tatort Internet - Schützt endlich eure Kinder!" RTL II und Guttenberg geben gleich mit vertrauenserweckendem Lächeln Entwarnung: keine Doku-Soap nach üblichem RTL-II-Muster werde es sein, sondern eine seriöse Show mit einem "gesellschaftspolitischen Anliegen". Rührt sich schon was im Magen?
Orientieren soll sich die Serie am Vorbild "To catch a Predator", einem - wie könnte es bei der Ideenlosigkeit der Deutschen anders sein - amerikanischen Format, das von 2004 bis 2007 bei NBC lief. Bei dieser Show erstellen die "Investigatoren" Social-Network-Profile von angeblichen Minderjährigen und besuchen Chatrooms, in denen sie versuchen, Erwachsene in Konversationen über sexuelle Themen zu locken und diese dazu zu bringen, den Minderjährigen direkt zu besuchen, der erklärt, alleine an einem bestimmten Ort zu sein und die sexuelle Unterhaltung direkt fortführen zu wollen. Am Ort wartet dann allerdings der Moderator, der den auftauchenden mit Chatprotokollen und Fragen traktiert und sich erst nach den Fragen als Moderator zu erkennen gibt (die ganze Szene wird mit versteckten Kameras aufgenommen). Am Ende bekommt der vermeintliche "sex offender" eine Chance für ein Abschlussstatement, ehe er weggeschickt wird.
Das zumindest ist das Prinzip der amerikanischen Show; denkt man an Guttenbergs letzthin veröffentliches Buch und den Untertitel der Sendung sowie die gesamte Kinderporno-Debatte der letzten zwei Jahre dürfte klar sein, dass zwischen den beiden Formaten kaum substantielle Unterschiede bestehen. Das Problem liegt dabei klar auf der Hand: obwohl die Sendung "To catch a Predator" erklärt, in den Chats nicht aufzustacheln sondern eher einen Mittelweg einzuschlagen, schafft sie Sendung Tatbestände selbst. Im Endeffekt werden Menschen gezielt zu inkriminierenden Aussagen gelockt, denn machen wir uns nichts vor: es ist eine Fernsehsendung im Gossenkanal, die Quote erreichen will, und dazu braucht es Erfolge und sensationelle Fälle. Von der versprochenen Sensibilität im Chatroom dürfte also kaum etwas übrig bleiben.
Man kann nun argumentieren (und vermutlich wird RTL II das auch tun), dass auf diese Art und Weise Verbrechen wenn schon nicht aufgedeckt so doch zumindest verhindert werden. Tatsächlich können auf diese Art und Weise potentielle Pädophile sicherlich abgeschreckt werden; der Effekt dürfte durchaus heilsam sein. Nur: das ganze passiert vor einem Millionenpublikum im Boulevard-TV, das entsprechend der RTL-II-Linie mit Sicherheit effektheischend und moralisierend sein wird, besonders, wenn man die bekannten Einstellungen der Moderatorin zugrunde legt. Das bedeutet, dass wer auch immer aus welchen Motiven auch immer - diese lassen sich ja nicht überprüfen - dann auftaucht beziehungsweise in en Fokus der Sendung gerät (wir wissen ja noch nicht wie genau das ablaufen soll) vor laufenden Kameras als Pädophiler gebrandmarkt wird. Damit ergeht es jemandem, der sich keines Verbrechens schuldig gemacht hat wie jemandem, der nach verbüßter Strafe irgendwo wohnen will und entsprechend von der Bevölkerung geschnitten, gehasst und ausgestoßen wird, wie es ja schon häufiger vorkam und in den USA durch die Methoden des neumodischen Prangers ja sogar institutionalisiert ist. Und machen wir uns nichts vor: das Abschlussstatement wird daran nichts ändern, denn die Moderatorin hat ja immer das letzte Wort, und eine auch nur halbwegs objektive Urteilung ist bei diesem emotional beladenen Thema eh unmöglich. Letztlich wird die Show also ein gigantischer Pranger sein, vor den Leute gezerrt werden, die formal keines Verbrechens schuldig sind und deren Intentionen zumindest mit einem Unsicherheitsfaktor behaftet bleiben werden. Das ist kein Format, das dazu angetan ist, in irgendeiner Art und Weise berechtigte gesellschaftspolitische Anliegen zu befördern; es ist ein Format, das mit jedem Sendetermin Leben zerstören wird - und ansonsten der schnellen Entrüstung der Zuschauer ein dankbares Ventil bietet. Aber wenn wir ehrlich sind, war bei diesem Sender mit dieser Moderatorenwahl auch nichts anderes zu erwarten. Und wer jetzt sagt, dass ich mich auch der Vorverurteilung hingebe, weil die Sendung schließlich noch nie über den Äther flimmerte hat natürlich Recht. Trotzdem: Wehret den Anfängen!
Via Fefe