Eine Kommunikationsstrategie für die LINKE

Von Stefan Sasse
In den NachDenkSeiten schreibt Jens Berger unter der Überschrift "Zu neuen Ufern" über die Zukunftsaussichten der LINKEn. Nüchtern analysiert er dabei die aktuelle Situation und die Entwicklung seit dem Ende der Großen Koalition und kommt zum Ergebnis, dass die Partei derzeit schwach dasteht. Medial kaum wahrgenommen, ohne Sperrminorität im Bundesrat und in einen Führungsstreit um die Parteispitze verwickelt sind ihre Chancen aktuell nicht berauschend. Das unrühmliche, aber selbst verschuldete Ende Oskar Lafontaines hat sich da auch keinesfalls hilfreich ausgewirkt. Die Ursache erkennt Berger hauptsächlich in einer Art Medienblockade, einem Totschweigen inhaltlicher Positionen der LINKEn. Tatsächlich werden die Forderungen der Partei in den Medien kaum diskutiert, und Axel Troost und Michael Schlecht generieren in einer SpiegelOnline-Suche trotz allen Sachverstands kaum Treffer. Was Jens Berger hier allerdings meines Erachtens nach übersieht ist, dass die Medien generell nicht über Inhalte berichten. Wann gab es denn zuletzt eine Beschäftigung mit inhaltlichen Positionen von Hinterbänklern anderer Parteien? Karl Lauterbach zum Beispiel arbeitet seit mehreren Legislaturperioden an der Dauerbaustelle Gesundheitssystem, ohne dass man seine Thesen großartig diskutieren würde, und der Mann mit der beachtlichen Modetoleranz bei Halsschmuck ist mit einigen Talkshow-Auftritten sogar noch halbwegs prominent. Welche inhaltlichen Positionen von CDU- oder Grünen-Abgeordneten wurden denn ernsthaft diskutiert, wenn sie nicht irgendwie gleichzeitig skandalträchtig waren? 


Sich hinzustellen und zu beklagen, dass niemand über die grandiosen Ideen berichtet, ist deswegen wenig hilfreich. Es ist ein ebenso wahrer wie nutzloser Sachverhalt. Das Problem der LINKEn ist es, ihre durchaus richtigen und hörenswerten Ansätze in der Wirtschaftspolitik - für die mehr Bedarf denn je besteht, wo der Fiskalpakt aller Wahrscheinlichkeit nach fast ungeschrammt durchs Parlament segeln wird - hörbar zu machen. In den Jahren seit der Bundestagswahl 2009 hat sie darin grandios versagt. Die Debatte um Klaus Ernsts Porsche und Sahra Wagenknechts Hummer ist nicht nur für die Medien selbst symptomatisch, sondern auch für die LINKE selbst. Klar ist das typisch für den Medienbetrieb, diese Geschichten hochzubauschen. Es ist aber mit die Schuld der LINKEn, dass das so gut funktioniert. Warum hat immer noch niemand, der irgendwelche Entscheidungen in der Öffentlichkeitsarbeit dieser Partei trifft erkannt, dass die Verbindung von "links" und "arm" der Partei mehr schadet als alles andere? Solange die Partei als eine Klientelpartei der Habenichtse wahrgenommen wird, kann sie niemals zu einer Alternative werden und ist politisch genauso kaltgestellt wie eine FDP, die nur als Klientelpartei der Reichen wahrgenommen wird. Der FDP gelingt es immer wieder, zugegeben mit großzügiger medialer Schützenhilfe, sich selbst als eigentlicher Rächer der Entrechteten darzustellen. Warum stehen Linke wie Ernst und Wagenknecht immer da wie ertappte Kinder mit der Hand in der Keksdose, wenn sie nicht in Sack und Asche gehen? 


Das ist nur eine Facette des Dauer-PR-Fiaskos, das die Partei DIE LINKE ist. Es ist absolut richtig, dass Berger fordert, ihre Positionen müssten mehr in den Vordergrund gerückt und diskutiert werden. Nur ist die Wahrheit eben auch, dass Genosse Trend dabei ein großer Helfer ist. Während der Endphase der neoliberalen Reformeritis war die Bedeutung der LINKEn unübersehbar. Sie war die Opposition, nicht Grüne oder FDP. An ihr und ihren Forderungen kam bei aller Ablehnung niemand vorbei. Doch der Wind hat sich gedreht, und zu den aktuellen Themen fragt niemand mehr die LINKE. Sie ist nicht mehr sexy. Ich habe nie verstanden, warum die Partei nicht eine Doppelspitze Bartsch/Wagenknecht attraktiv findet. Es gibt Flügel in dieser Partei, und in einer Demokratie, einer Parteidemokratie zumal, muss ein Ausgleich zwischen diesen Flügeln gefunden werden. Die "Reformer", als deren Exponent Bartsch derzeit dasteht, existieren, ganz egal,  was man von ihnen halten mag, ganz genauso, wie auch der linke Flügel existiert. Warum also nimmt man nicht die Vertreter dieser Flügel, die eine gewisse Außenwirkung haben? Wagenknecht verfügt über eine brillante Analysefähigkeit, kann reden und sieht gut aus. Sie ist gewissermaßen das mysteriös-attraktive Gesicht der Kapitalismuskritik. Und den alten Langweiler Bartsch kann man immer rausholen, wenn man auf Seriös machen und Ängste zerstreuen muss. Wenn er doch, wie alle immer wieder betonen, der Lieblings-Linke der Medien ist, warum zur Hölle bindet man ihn dann nicht in Führungspositionen ein und nutzt das zum eigenen Vorteil? 


Alle Qualitäten auf inhaltlich-fachlichem Gebiet nützen der LINKEn überhaupt nichts, wenn sie nicht gehört wird. Dabei ständig auf die bösen Medien und ihre Blockade zu verweisen nützt überhaupt nichts. Eine Partei, die in der Ecke sitzt, schmollt und "Ich spiele euer doofes Spiel nicht mit" greint braucht sich nicht zu wundern, wenn am Ende niemand mit ihr spielt. Zu diesem Spiel - der parlamentarischen Demokratie - gehören aber auch die Medien, und die wollen bedient werden. Das kann man doof finden, das kann man kritisieren und sollte es auch, aber eines kann man nicht: es einfach wegdiskutieren. Es wird Zeit für die LINKE, endlich einigen Wahrheiten ins Auge zu sehen. Der Umgang mit den Medien gehört dazu. Sie mögen einen nicht, aber sie müssen trotzdem gefüttert werden. Politiker anderer Parteien, die von den Medien ebenfalls gehasst wurden - man nehme nur Helmut Kohl - haben das verstanden. Dazu kommt, dass die Totalopposition gegen Hartz-IV keinen Sinn macht. Die LINKE muss einige Schlussstriche ziehen und endlich Sprachregelungen finden, um zu neuen Ufern aufbrechen zu können. Dazu gehört, Hartz-IV zu reformieren anstatt es abschaffen zu wollen - sachlich und unaufgeregt, ohne die heilige Empörung als Kämpfer der Entrechteten. Dazu gehört endlich ein klares und eindeutiges Bekenntnis zur DDR, einen Satz, den man wortgleich immer und immer wiederholt, bis auch der letzte Journalist so zu Tode gelangweilt wurde, dass er nie wieder einen Linken zur Mauer fragt. Dazu gehört, dass man endlich aufhört, ständig nur Recht haben zu wollen und Recht durchsetzt. Wenn die LINKE das nicht gebacken bekommt und lieber mit "Mimimimimi" in ihrer Ecke schmollen bleibt, dann geht sie zu Recht unter. Und das wäre schade, denn an artikulierter und fundierter Opposition gegen die Austeritätspolitik mangelt es schwerwiegend. Nur bisher ist es nicht die LINKE, die diesem Mangel abzuhelfen versteht.


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