Eine Geldspritze für ein totes Pferd

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In den Siebzigern träumten wir von einer goldenen Zukunft. Steigende Produktivität werde Wohlstand für alle bringen, dachten wir. Die Automatisierung kürzere Arbeitszeiten und mehr Freizeit. Im Jahr 2000 würden Roboter für uns arbeiten, fantasierten wir.

Doch der Traum hat sich nicht erfüllt. Mehr Stress im Job denn je. Massen hausen in Wohnsilos wie in einer Kaninchenzucht und zappen sich nach Stunden im Stau oder überfüllten Zügen durch unzählige Kanäle auf der Flucht vor einer omnipräsenter Werbung. Die Lebensqualität erschöpft sich im Kauf neuer elektronischer Gadgets.

Aber die Fabriken sind hoch effizient geworden. Roboter backen, verpacken, löten und nageln mehr zusammen als wir verbrauchen können. Da stimmt doch was nicht! Wer hat eigentlich vom Fortschritt der letzten Jahrzehnte profitiert?

Zuerst einmal wir alle. Alle Jahre das neuste Handy, Kleider getragen, aber nicht mehr ausgetragen, Fleisch wann wir wollen, Autos zum Stau(n)en, mehr Quadratmeter zuhause im Kaninchenstall, Urlaub in Malle.

Besser? Kaum, aber wir konsumieren heute schneller! Schnell ist das moderne Besser.

Trotzdem darbt die Wirtschaft. Denn wir sind gesättigt. Noch schneller, noch mehr, verdauen wir nicht. Nur die Armen hätten noch Bedarf, doch leider kein Geld. Deshalb werden überflüssige Arbeitskräfte von den Fabriken ausgespuckt, die restlichen werden ausgepresst. Im Süden Europas irrlichtert hoffnungslos die Arbeitslosigkeit.

Gleichzeitig sind die Staaten bis zur Pleitegrenze oder darüber verschuldet. Denn wir haben nicht nur Gadgets, sondern auch Infrastruktur „konsumiert“ und die Ausgespuckten müssen versorgt werden. Auch Militär will man mehr, jetzt wo der Bär erwacht ist. Staatschefs wie Hollande ringen verzweifelt die Hände nach Rezepten und hoffen auf Wunder.

Etwas ist schiefgegangen im Kapitalismus. Weltweit. Zwei Jahrzehnte nach dem Fall des Kommunismus.

Doch nicht für alle. Und hier kommen wir zur Kategorie der wahren Profiteure des Fortschritts. Es handelt sich dabei um eine kleine Gruppe Spieler am grossen Tisch des weltweiten Monopolys. Superreiche, Oligarchen. Wie beim Monopoly im vertrauten Kreis des Wohnsilos, hat am Ende des Spiels einer alles und die anderen nichts mehr. Streit, Revanche, Zeit für eine neue Partie.

Könnten die Beherrscher des Monopolys ihren Reichtum verkonsumieren, wäre alles halb so schlimm und der Systemkollaps würde sich weiter verzögern. Aber auch sie können nicht mehr essen, nicht mit tausend Luxuswagen gleichzeitig fahren und mit hundert Helikoptern gleichzeitig fliegen. Und mehr als eine Rolex am Handgelenk ist nicht mehr drollig sondern prollig.

So werden die Beherrscher des Monopolys von einer grossen Sorge getrieben: Wohin mit dem überschüssigen Zaster? Möglichst gewinnbringend, versteht sich. Man will ja nicht ärmer werden.

Zurzeit bleiben da nur zwei Möglichkeiten: Ins Aktien-Casino und in Häuser und Boden. Neue Fabriken sind kaum begehrt. Die Konsumenten sind satt – siehe oben. Gold schläft im Schatten des Papiers.

Um aus dieser Situation zu entkommen, gibt es für die Welt nur eine Möglichkeit: Tabula Rasa, Reset, ein neues Spiel. Üblicherweise wurde in der Vergangenheit sowas mit einem Krieg erledigt, wie die Geschichtsbücher berichten.

Der Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, zieht alle Hebel und Register, um das Unvermeidliche zu vermeiden. Günstigere Kredite, billiges Geld, sollen dem toten Pferd auf die Beine helfen. Denn auch die Beherrscher des Monopolys fürchten den Krieg als Vater aller Lösungen – es könnte der letzte sein auf diesem Planeten.

Die Börsen haben auf Draghis Ankündigung mit steigenden Kursen reagiert. Denn schliesslich wird das Geld im Casino landen und kaum in neue Fabriken investiert werden, die Produkte ausspucken, die keiner kaufen kann oder will.

Aber vielleicht wird dadurch das Ende des Spiels etwas hinausgezögert.

Vielleicht platzt mal nächstens die eine oder andere Blase und verschafft wieder etwas Luft. Inzwischen werden die Fabriken noch einen Zacken effizienter und spucken noch schneller, noch günstigere Produkte aus und das Fernsehen schaltet auf Dauerwerbung. Deflation nennt man das. Dem Zuschauer beim Monopoly entlockt sie ein Lächeln. Wer nichts hat, kann nichts verlieren.

Traumperlentaucher



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