Eine entwaffnende und befreiende Ehrlichkeit

Eine entwaffnende und befreiende EhrlichkeitIn der NZZ am Sonntag erschien heute ein Interview mit Josef Schovanec, der vorgestellt wird als “34, Autist, Doktor der Philosophie und Absolvent der Siences Po Paris, jener französischen Elitehochschule, aus der regelmässig Staatspräsidenten hervorgehen.”

Zwei seiner Antworten haben’s mir angetan. Erstens zur Frage: Wenn Sie die Welt der anderen, der sogenannten normalen Menschen anschauen: Was kommt Ihnen da komisch vor? – Josef Schovanec: “So ziemlich alles. (Fängt doch schon mal gut an… Achtung jetzt aber, was er besonders herausgreift!) Sehr viele Menschen streben nach Macht und Geld, das finde ich überaus komisch. (Ich habe diese Tragik noch nie unter dem Stichwort “komisch” betrachtet…) Ich bin Leuten begegnet, die während 17 Stunden eines Tages nur daran denken, wie sie einmal zum Chef oder hochrangigen Politiker werden können. (Vielleicht eine Folge davon, wo er eben studiert hat…?) Solche Menschen zu beobachten ist für mich so spannend, wie in einen Zoo zu gehen. (Würde mich noch interessieren: Mit welchen Tieren vergleicht er solche Menschen?) Oder ein anderes Beispiel: Seit einem Jahr mache ich kleine Beiträge für eine Sendung im französischen Radio. Meine Kollegen warten dann jeweils total gespannt auf die Hörerzahlen. Welche Rolle spielt das? Die Wahrheit braucht doch keine Anhänger, sie bleibt bestehen, auch wenn nur eine einzige Person sie kennt. (Wie bitte?! – Sowas sollte sich auch die weltweite Kirche zu Herzen nehmen: Denn die Besucherzahlen einer Gemeinde belegen nicht die Wahrheit ihrer Theologie!)”

Zweitens die Frage: Sie haben Politikwissenschaft an einer der renommiertesten Eliteschulen Frankreichs studiert und sind Doktor der Philosophie. Glauben Sie, dass diese Bildungserfolge etwas mit Autismus zu tun haben? – Josef Schovanec: “Ich finde diese Frage schwierig und kann sie nicht wirklich beantworten. Es gibt anscheinend eine Schwelle des Normalseins, aber wo liegt diese genau? Bis zu welchem Punkt is man besonders begabt, und ab wo gilt man als verrückt? Ich bemühe mich, normal auszusehen, mich normal zu verhalten, aber trotzdem klappt es nicht immer. (Eine entwaffnend schöne Ehrlichkeit. Und dann eine Aussage, die den Sprachwissenschaftler in mir erstaunt und erfreut:) Deshalb lerne ich so gerne Fremdsprachen: Spreche ich eine Fremdsprache und mache dabei Fehler, gilt das als normal, weil es ja eine Fremdsprache ist. (Also, wer zu genial ist für diese Welt, lerne ein paar Fremdsprachen, dann kann er/sie sich auf das Niveau von uns Normalsterblichen begeben. Mir gefällt diese Sorge: Nicht, wie kann ich mich möglichst weit oben platzieren und mich vom Rest der Welt absetzen, sondern wie kann ich mich mit ihr solidarisieren? – Das ist übrigens ein durchaus weihnächtliches Thema: Gott (also das Genie schlechthin) hat sich mit dieser Welt solidarisiert und hat ihre Sprache gesprochen.)

Foto: BALTEL/SIPA von hier



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