Spätestens im letzten Drittel der Schwangerschaft reagieren Ungeborene auf Töne oder aus der Umwelt. Das belegen auch Hirnscans.
Aus: Gehirn&Geist;, Dezember 2011
Mit Hilfe speziell angepasster Geräte der funktionellen Bildgebung können Forscher heute die neuronale Aktivität von Föten im Mutterleib präzise beobachten. Solche Messungen belegen, dass Ungeborene spätestens im letzten Drittel der Schwangerschaft externe Reize verarbeiten, wie das Magazin Gehirn&Geist; in seiner aktuellen Ausgabe (12/2011) berichtet.
Laut Tübinger Hirnforschern um Hubert Preißl nehmen ungeborene Kinder früher als lange Zeit vermutet verschiedene Reize aus der Umwelt wahr – nämlich schon in der 28. Schwangerschaftswoche. Die sensorischen Hirnrindenareale der Föten reagieren offenbar nicht nur allgemein auf Geräusche außerhalb des Bauchs, sie unterscheiden auch verschiedene Töne voneinander, wie die Aktivitätsmuster im MEG belegen. Mehr noch: Das Kind lernt bereits im Mutterleib, Reize auszublenden. Experten sprechen hierbei von Habituation (Gewöhnung). Das ist wichtig, denn während das gleichförmige Dröhnen des Staubsaugers keine für das Baby relevante Informationen enthält, ist dies bei den Stimmen der Eltern sehr wohl der Fall.
Wie die Amerikanerin Carolin Sheridan bei 25 Föten im Alter von 29 bis 37 Wochen (nach Befruchtung) erkannte, reagierten die Kleinen auf wiederholte Lichtblitze an der Bauchdecke. Bei knapp jedem dritten Kind nahm die Hirnaktivität nach dem ersten Blitz ab. Bei Neugeborenen klappte die Habituation noch besser, und bei allen untersuchten Babys ging die Reaktionsstärke vom ersten Lichtsignal an kontinuierlich zurück. Die Grundlagen für wichtige Lernprozesse des Babys werden demnach schon bereits im Uterus gelegt.
Studien belegen außerdem: Stress oder Suchtmittelmissbrauch während der Schwangerschaft bremsen die Entwicklung der neuronalen Verarbeitung bereits im Mutterleib. Jüngst führte Isabelle Kiefer-Schmidt von der Universitätsfrauenklinik in Tübingen eine Studie mit Föten durch, die auf Grund einer Fehlfunktion der Plazenta unterversorgt waren. Die Forscherin stellte fest, dass die betroffenen Kinder gesunden nicht nur in der körperlichen Entwicklung hinterherhinkten. Auch die neuronalen Antworten auf akustische Reize waren bei ihnen verzögert. Offenbar wird also auch das Gehirn von solchen Mängeln in Mitleidenschaft gezogen.