Ein wenig Leben

Ein wenig leben Titel: Ein wenig Leben
Originaltitel: A Little Life
Autor: Hanya Yanagihara
Genre: Belletristik
Verlag: Hanser Verlag
Format: Hardcover, 960 Seiten
ISBN: 978-3446254718


Kauft doch wieder mal in der örtlichen Buchhandlung ein!

Der Klappentext verspricht den Leser, eine Geschichte über eine lebenslange Freundschaft zwischen vier Männern, die sich am College kennengelernt haben. JB, Willem, Malcolm und Jude verbringen ihr Leben in New York, streben große Träume an, sei es Schauspieler, Künstler oder etwas „solidere“ Berufe wie zB. Architekt und Anwalt.
Es klingt banal und doch hat man dann das Cover vor sich: Ein Mann, dessen Mimik Schmerz ausstrahlt, die im Kontrast zu der lockern Vermutung des Inhaltes steht. Wie passt es zusammen, wie fügen sich die Puzzleteile zusammen?

Ehrlich gesagt, hätte ich nicht einige Rezensionen zu diesem Buch gelesen, ich hätte es so nicht gekauft. Vier Freunde in New York, es erinnert an Sex an the City und man weiß, dass war jetzt nicht so die tiefgründige Kost. Das Buch ist jedoch der genaue Gegensatz.
Auf den ersten 400 Seiten lernen wir eigentlich nur die vier Freunde kennen. Die Zeit, wo sie noch in abgewohnten Appartements hausen oder bei den Eltern, wie sie auf ihre Träume hinarbeiten. Es ist unspektakulär – ist es das alltägliche Leben und dies ist eben nicht immer aufregend und doch haben mich die Worte in den Bann gezogen. Man kann Charaktere zu Tode beschreiben, man kann es aber auch wie die Autorin machen: langsam und beharrlich ein Bild malen, in dem der Leser immer wieder neue Details entdeckt, die die Personen im Kopf so realistisch machen, dass man das Gefühl hat, der fünfte Freund in der Runde zu sein.

Und doch gibt es einen, dessen Bild gräulich bleibt, keine Konturen hat. Jude. Man bekommt kleine Happen hingeworfen, kann das Puzzle aber nicht zusammenfügen und schnell wurde mir klar, seine Geschichte wird noch kommen, ihn werden wir noch besser kennen lernen, so viel besser, dass es unser Herz brechen wird. So ist es auch, die zweite Hälfte des Buches gehört Jude. Und als die ersten Takte seines Lebens angeschlagen wurden, die Offenbarung, dass seine Arme mit Narben übersäht sind, hielt ich inne. Wird der Roman abrutschen, wird es ein Buch, wie viele davor, die Selbstverletzung mit so viel Klischees ausfüllen, dass es einen nur traurig den Kopf schütteln lässt? Die Grundlage gibt eine andere Hoffnung, da ist Jude, traumatisiert in der Kindheit, der durch die Selbstverletzung wirklich seinen innerlichen Schmerz bekämpfen möchte und nicht wie viel zu oft bei dem Thema in Büchern, nach Aufmerksamkeit strebt. Er möchte es sogar für sich behalten, baut sich ein Lügenkonstrukt auf, in dem er einzieht, was sein Leben wird. Gegenüber der Welt, gegenüber seinen Freunden. Normalerweise wird dieses Thema in Büchern so rasch abgehandelt: die Person geht in Therapie, offenbart seine dunkelsten Geheimnisse, öffnet sich seinen Freunden, findet die Erleuchtung und lebt glücklich und zufrieden bis an sein Lebensende. Und ich hatte Angst, ja, ich hatte Angst das es für Jude auch so „einfach“ wird, weil es dann so unrealistisch geworden wäre, dass ich das Buch gehasst hätte, aber die Geschichte zeigt, es ist nicht einfach und ich bin der Autorin unglaublich dankbar, dass sie Judes Weg so geschrieben hat, wie sie in geschrieben hat. Voller Hass, Schmerz, Verzweiflung. Natürlich wünscht man sich ein Happy End, aber die Welt beinhaltet nicht für jeden eines und auch wenn Glück sich in sein Leben schleicht, bleibt er ihm skeptisch gegenüber, viel zu sehr hat er gelernt, dass die heile Welt ein ziemlich zerbrechlicher Ort ist.

Auf über 900 Seiten lässt sich natürlich auch Kritik finden, aber im Fall von „Ein wenig Leben“ ist es Kritik auf so hohem Niveau, dass es die Brillanz des Buches niemals überdecken könnte. Schade fand ich tatsächlich, dass Malcolm und JB irgendwann verschwunden waren. Sie waren noch Statisten in der Geschichte, aber man erfährt nichts mehr über sie, besonders Malcolm geht unter, obwohl gerade sein Vaterkonflikt viel Potenzial geliefert hätte. Und sicherlich bin ich ein wenig wehmütig, sein unfertiges Bild vor mir zu haben, seine Geschichte nicht so „wichtig und erzählungswürdig“ gefunden zu haben, wie die von Jude, weil sie eben vermutlich nicht so „spektakulär“ wäre.
Das Buch mag an manchen Stellen zu konstruiert zu sein, stellenweise übertrieben, schwer nachzuvollziehen, sogar unrealistisch, aber es ist in den richtigen Momenten ehrlich und schonungslos. Dieses Buch hat in meinen Augen jeden Hype verdient.

Ebenfalls empfehlenswerte Rezensionen zu dem Buch:
Sophie (Literatourismus), Fabian (Herr Booknerd), Mara (Buzzaldrins) und bei der Klappentexterin gibt es einen sehr interessanten Buchhändlerinnentalk .



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