Die Internet-Plattform “Romania de la zero”, was man mit “Rumänien von Null an” übersetzen kann, wurde von jungen rumänischen Journalisten Anfang dieses Jahres gegründet. Diese flüchteten aus dem rumänischen Presse-Establishment, wo sie beschäftigt, aber von deren Art der Berichterstattung sie enttäuscht waren. Dabei sind es Leute mit Talenten wie zum Beispiel Andrei Craciun, der zum jungen Journalisten des Jahres 2010 für den Bereich Kultur gekürt worden war.
Von alternativen Journalisten kann man also das Abweichen von eingetretenen Pfaden erwarten. Das haben Vlad Stoicescu und Andrei Craciun diesmal in der Form eines Wahlberichts aus der Perspektive der letzten Lepra-Station Rumäniens getan. Der Bericht hat den Titel “Das Krankenhaus von Tichileşti, zu Hause bei den letzten Leprakranken Rumäniens. Dort wo niemand wählen geht”. Die Leprastation liegt auf dem Weg zwischen den beiden Donau-Städten Galatz und Tulcea. Sie hat noch 19 Bewohner. Keiner ist mehr akut an Lepra erkrankt. Es ist jetzt eher ein Altersheim für ehemalige Leprakranke. Sie werden von Doktor Vasiliu betreut, der die Journalisten vorab gewarnt, dass sie, falls sie etwas Sensationelles suchen, lieber zu Hause bleiben sollten.
Warum die Reporter sich nun ausgerechnet die Leprastation ausgesucht haben? Ich lasse sie das selbst erklären: “Der 9. Dezember 2012. Ein großer Tag: Der Tag der Parlamentswahlen! Jedes Mal wird angekündigt, dass das Schicksal Rumäniens auf dem Spiel steht, dass wir an einer entscheidenden Kreuzung angekommen sind, dass nichts mehr was kommen wird dem entsprechen wird, was früher war und dass jetzt sofort die Zukunft beginnt. Wir wollen einen Wechsel, also beginnen wir mit dem Menschen aus dem Spiegel. Wir sind Nischenreporter: Deshalb gehen wir in das Krankenhaus von Tichilesti, der letzten Leprastation Rumäniens. Ja. es ist richtig, dass wir die Leprakranken denjenigen in den Anzügen vorgezogen haben. Wir sind Hypochonder, mit einem schwachen Immunsystem und eingebildeten Krankheiten. Die Blätter einer renommierten Tageszeitung würden nicht ausreichen um all die wirklichen und fiktiven Krankheiten aufzuzählen, so gehen wir auf diesen Weg wie wenn es unser letzter wäre. Wir haben Angst, liebe Leser, wir sehen uns bereits verstümmelt mit weißem Schaum auf dem Mund, mit unseren Gedärmen in einem noch schlimmeren zustand, aber wir lassen uns nicht aufhalten. Dies ist die Geschichte einer Reise in den Kopf derjenigen, die die menschliche Natur mit mit den grundlegenden Gefühlen ausgestattet hat: Liebe und Glauben, auch angesichts von Isolation und Verlassenheit, Bescheidenheit und Mitgefühl, aber weit darüberhinaus mit einer unermesslichen Gabe der Menschen auch gegenüber der ihnen zuteil werdenden Interessenlosigkeit zu überleben.”
Niemand wählt in Tichileşti, der Ort ist nicht einmal auf einer Landkarte verzeichnet. Die Bewohner sitzen vor einem Flachbildschirm, der ihnen vor 20 Jahren von den “Heiligen der letzten Tage” geschenkt wurde und wollen den Film “Allein zu Hause” sehen. Auf der Station leben zwei Religionsgemeinschaften einträchtig zusammen, die der Orthodoxen und die Baptisten. Die Reporter begrüßen mit Händedruck und wegen ihrer Unkenntnis der Krankheit mit bangen Gefühlen einen Leprakranken, der keiner mehr ist. Grigore Grigorov beruhigt sie mit den Worten: “Was ihr an mir seht ist getrocknete Lepra, die nicht ansteckend ist, sie knappert nur an mir.” Die Reporter sind beruhigt. Grigore ist mit 48 Jahren der Jüngste der ehemaligen Leprakranken. Die meisten sind älter. Streiten tun sich die Bewohner nur gelegentlich, ob im Fernseher nun Fußball oder Telenovela gesehen werden soll. Dabei verlaufen die Fronten zwischen dem weiblichen und männlichen Geschlecht. Ihr Krankenhaus verfügt aber auch über eine gute Bibliothek mit renommierten Autoren. Irgend ein Onkel aus Tulcea hat sie ihnen einmal geschenkt.
Wer ihnen sonst noch hilft, fragen die Reporter. Es wird ihnen ein Liste von Nationalitäten aufgezählt: Holländer, Belgier, auch Japaner! Sogar der Leiter der EU-Delegation in Bukarest, Jonathan Scheele, war einmal da und hat die Achtung der Bewohner gewonnen, weil er den Wein aus dem Glas eines ehemaligen Leprakranken getrunken hat.
Die jungen Reporter haben am Tag der Wahlen versucht, ein Stück in Vergessenheit geratenes Rumänien ans Tageslicht zu ziehen. Kaum ein Rumäne verschwendet Gedanken über die Krankheit Lepra und diejenigen, die sie gehabt haben. Das Vorurteil und die Unwissenheit verführen dazu, diese Leute immer noch als “Aussätzige” anzusehen, so wie es auch mit vielen Menschen gemacht wird, die nicht zu gesellschaftsfähigen Kreisen in Rumänien gehören. Die Menschen zu besuchen und sie und ihr Schicksal bekannt zu machen ist in der Tat ein Ansatz, den man in den Mainstream-Medien Rumäniens selten findet. Der Plattform “Romania de la Zero” kann man nur wünschen, dass sie den eingeschlagenen Weg fortsetzt und damit Erfolg hat.
Informationsquelle
Duminica Morbului: ultima colonie de leprosi din Romania – Romania de la Zero
Von alternativen Journalisten kann man also das Abweichen von eingetretenen Pfaden erwarten. Das haben Vlad Stoicescu und Andrei Craciun diesmal in der Form eines Wahlberichts aus der Perspektive der letzten Lepra-Station Rumäniens getan. Der Bericht hat den Titel “Das Krankenhaus von Tichileşti, zu Hause bei den letzten Leprakranken Rumäniens. Dort wo niemand wählen geht”. Die Leprastation liegt auf dem Weg zwischen den beiden Donau-Städten Galatz und Tulcea. Sie hat noch 19 Bewohner. Keiner ist mehr akut an Lepra erkrankt. Es ist jetzt eher ein Altersheim für ehemalige Leprakranke. Sie werden von Doktor Vasiliu betreut, der die Journalisten vorab gewarnt, dass sie, falls sie etwas Sensationelles suchen, lieber zu Hause bleiben sollten.
Warum die Reporter sich nun ausgerechnet die Leprastation ausgesucht haben? Ich lasse sie das selbst erklären: “Der 9. Dezember 2012. Ein großer Tag: Der Tag der Parlamentswahlen! Jedes Mal wird angekündigt, dass das Schicksal Rumäniens auf dem Spiel steht, dass wir an einer entscheidenden Kreuzung angekommen sind, dass nichts mehr was kommen wird dem entsprechen wird, was früher war und dass jetzt sofort die Zukunft beginnt. Wir wollen einen Wechsel, also beginnen wir mit dem Menschen aus dem Spiegel. Wir sind Nischenreporter: Deshalb gehen wir in das Krankenhaus von Tichilesti, der letzten Leprastation Rumäniens. Ja. es ist richtig, dass wir die Leprakranken denjenigen in den Anzügen vorgezogen haben. Wir sind Hypochonder, mit einem schwachen Immunsystem und eingebildeten Krankheiten. Die Blätter einer renommierten Tageszeitung würden nicht ausreichen um all die wirklichen und fiktiven Krankheiten aufzuzählen, so gehen wir auf diesen Weg wie wenn es unser letzter wäre. Wir haben Angst, liebe Leser, wir sehen uns bereits verstümmelt mit weißem Schaum auf dem Mund, mit unseren Gedärmen in einem noch schlimmeren zustand, aber wir lassen uns nicht aufhalten. Dies ist die Geschichte einer Reise in den Kopf derjenigen, die die menschliche Natur mit mit den grundlegenden Gefühlen ausgestattet hat: Liebe und Glauben, auch angesichts von Isolation und Verlassenheit, Bescheidenheit und Mitgefühl, aber weit darüberhinaus mit einer unermesslichen Gabe der Menschen auch gegenüber der ihnen zuteil werdenden Interessenlosigkeit zu überleben.”
Niemand wählt in Tichileşti, der Ort ist nicht einmal auf einer Landkarte verzeichnet. Die Bewohner sitzen vor einem Flachbildschirm, der ihnen vor 20 Jahren von den “Heiligen der letzten Tage” geschenkt wurde und wollen den Film “Allein zu Hause” sehen. Auf der Station leben zwei Religionsgemeinschaften einträchtig zusammen, die der Orthodoxen und die Baptisten. Die Reporter begrüßen mit Händedruck und wegen ihrer Unkenntnis der Krankheit mit bangen Gefühlen einen Leprakranken, der keiner mehr ist. Grigore Grigorov beruhigt sie mit den Worten: “Was ihr an mir seht ist getrocknete Lepra, die nicht ansteckend ist, sie knappert nur an mir.” Die Reporter sind beruhigt. Grigore ist mit 48 Jahren der Jüngste der ehemaligen Leprakranken. Die meisten sind älter. Streiten tun sich die Bewohner nur gelegentlich, ob im Fernseher nun Fußball oder Telenovela gesehen werden soll. Dabei verlaufen die Fronten zwischen dem weiblichen und männlichen Geschlecht. Ihr Krankenhaus verfügt aber auch über eine gute Bibliothek mit renommierten Autoren. Irgend ein Onkel aus Tulcea hat sie ihnen einmal geschenkt.
Wer ihnen sonst noch hilft, fragen die Reporter. Es wird ihnen ein Liste von Nationalitäten aufgezählt: Holländer, Belgier, auch Japaner! Sogar der Leiter der EU-Delegation in Bukarest, Jonathan Scheele, war einmal da und hat die Achtung der Bewohner gewonnen, weil er den Wein aus dem Glas eines ehemaligen Leprakranken getrunken hat.
Die jungen Reporter haben am Tag der Wahlen versucht, ein Stück in Vergessenheit geratenes Rumänien ans Tageslicht zu ziehen. Kaum ein Rumäne verschwendet Gedanken über die Krankheit Lepra und diejenigen, die sie gehabt haben. Das Vorurteil und die Unwissenheit verführen dazu, diese Leute immer noch als “Aussätzige” anzusehen, so wie es auch mit vielen Menschen gemacht wird, die nicht zu gesellschaftsfähigen Kreisen in Rumänien gehören. Die Menschen zu besuchen und sie und ihr Schicksal bekannt zu machen ist in der Tat ein Ansatz, den man in den Mainstream-Medien Rumäniens selten findet. Der Plattform “Romania de la Zero” kann man nur wünschen, dass sie den eingeschlagenen Weg fortsetzt und damit Erfolg hat.
Informationsquelle
Duminica Morbului: ultima colonie de leprosi din Romania – Romania de la Zero