Von Michaela Preiner
„Geheime Gesellschaft“ (Foto: Schauspielhaus Grau/Lupi Spuma)
6.
Juni 2018
Die Reininghausgründe sind politisch hoch umstritten. Cool, dass sich das Schauspielhaus dieser Location annimmt, um dort ein Projekt vorzustellen, dass gesellschaftlichen Sprengstoff in sich birgt.
„Geheime Gesellschaft! Graz und die Menschenrechte Teil III“ nennt sich ein „Stadt- und Rechercheprojekt“ von Clemens Bechtel, das sich schon nach wenigen Minuten als veritables Schauspiel entpuppt.
Das Publikum wird zu Beginn hinter der alten Brauerei mit Kopfhörern ausgestattet und erlebt in freier Natur eine surreale Szenerie. In ihr beginnen mehrere Menschen ohne Vorwarnung Blut zu spucken und verschwinden danach wieder aus dem Blickfeld. Später wird sich herausstellen, dass sie alle von einem speziellen, staatsfeindlichen Virus befallen wurden. Einem Virus, das derzeit in Europa grassiert und mit dem Begriff der identitären Bewegung beschrieben werden kann. Dabei geht es um die kategorische Ablehnung unserer Rechtsstaaten und die Berufung auf ein „Naturrecht“.
Nach der kurzen Eingangsszene mit dystopischer Sounduntermalung (Jan Christoph Godde) geht es in eine der alten Hallen, während in den Kopfhörern eine Verschwörungstheorie nach der anderen zu hören ist. Im Raum angekommen (Bühne Carlotta Bonura), spielt das Ensemble die Geschichte eines Ehepaares und eines jungen Mannes nach, die sich der neuen, geheimen Gesellschaft verpflichtet fühlen. Dass Sarah Sophia Meyer dafür in die Rolle eines Avatars schlüpft, „Monika aus dem Hause Unger“, der sich später als Präsidentin des Neuen Staatenbundes zu erkennen gibt, rückt das Geschehen ein wenig ab von den aktuellen Ereignissen. Diese kennen die meisten von uns nur aus Medienberichten. In dieser Produktion jedoch bekommen diese Menschen, die Recht und Unrecht neu kategorisieren, eine Stimme und werden – im wahrsten Sinne des Wortes – greifbar.
Dabei schwanken die Sympathien des Publikums für jene, die sich ihr eigenes Recht durch Selbstermächtigung erstreiten wollen und dem Vertreter der arrivierten Demokratien (Mathias Lodd), ständig. Frederik Jan Hofmann präsentiert sich als brüllender „Souverän“, dem es gemeinsam mit seiner Frau (Konstanze Weber) trotz aller rhetorischer Winkelzüge nicht gelingt, die bevorstehende Delogierung abzuwenden. Raphael Muff hingegen verschanzt sich auf eigenem Grund und Boden und lässt sich, vollgepumpt mit die Freiheit besingenden Heimatliedern, auf eine Konfrontation mit der Polizei ein.
„Geheime Gesellschaft“ (Foto: Schauspielhaus Grau/Lupi Spuma)
„Geheime Gesellschaft“ (Foto: Schauspielhaus Grau/Lupi Spuma)
Der Regierungsumsturz und der angekündigte Prozess gegen 12 Angeklagte des derzeitigen „Regimes“ finden aufgrund mangelnder strategischer Vorbereitung und blauäugiger Sicht auf die derzeitigen Machtverhältnisse nicht statt. Silvana Veit ist der Prototyp einer naiven Mitläuferin, die alles Negative völlig ausblendet und an das Gute der Bewegung glaubt.
In der Inszenierung schwingt jede Menge Vergangenes mit, bis hin zu jenen Argumenten, mit welchen die Nazis ihr Personal zu Beginn ihrer Machtherrschaft rekrutierten. Ganz am Anfang beim Aufbau einer neuen Bewegung mitzumachen, endlich jemand sein und es der arrivierten Klasse heimzahlen. Die Argumentation von damals ist exakt die gleiche, wie sie heute von demokratiegefährdenen Gruppen verwendet wird. Das Stück aber lässt auch breiten Raum, über bestehende Machtstrukturen nachzudenken und diese zu hinterfragen.
Durch eine gelungene Regie-Idee formiert sich das Publikum am Schluss unversehens mit dem Hüter von Recht und Ordnung als Phalanx gegen die Virusträger, wobei eine Fortsetzung auch mit Gewalt im Raum stehen bleibt.
„Geheime Gesellschaft“ (Fotos: Schauspielhaus Grau/Lupi Spuma)
Eine sehr kluge und spannende Inszenierung, in der sich Realität und Fiktion auf gekonnte Weise die Waage halten.
Weitere Termine auf der Homepage des Schauspielhauses Graz.
Sie machen uns eine Freude, wenn Sie den Artikel mit Ihren Bekannten, Freundinnen und Freunden teilen.