Ein Versuch, die Krise des deutschen Profiboxens einzuordnen

Von Betker

In der achten und neunten Klasse hatte ich einen Sozial- und Wirtschaftskundelehrer, der nicht müde wurde zu erklären: „In der Freien Marktwirtschaft wird über Angebot und Nachfrage bestimmt, ob etwas produziert wird, wie viel produziert wird und zu welchem Preis es verkauft wird.“ Nun ist Profiboxen, mal ganz unsentimental betrachtet, ein Produkt wie jedes andere auch und als solches muss es erstmal am Markt bestehen. Daher kann man auch die entsprechenden Kriterien hier zur Anwendung bringen.

Die Ware Profiboxen ist nun in Deutschland in einer tiefen Krise. Seine Qualität kann man als mäßig bezeichnen. Die Nachfrage ist gering und der Preis auch. Das war „in der guten alten Zeit“ auch mal ganz anders. Ab 1990 boxte Henry Maske für Wilfried Sauerland, der dadurch etwas schuf, das man „Boxen Made in Germany“ nennen könnte. Sauerland hatte mit Maske, Axel Schulz, Markus Beyer und Sven Ottke ein deutsches Produkt, deutsche Helden, für den deutschen Absatzmarkt. Es wurde die Marke von 18 Millionen bei den Einschaltquoten geknackt und man erreichte zwischenzeitlich einen Marktanteil von über 73 Prozent.

Im Zuge der hohen Nachfrage wurden auch andere Veranstalter groß, wie Universum Box-Promotion. Universum konzentrierte sich auf osteuropäische Boxer, denen man allerdings z. T., zwecks besserer Vermarktbarkeit, deutsche Namen gab. Die großen TV Sender wie RTL, das Erste und ZDF übertrugen Profiboxen. Und hierzulande wurden mit den Klitschko-Brüdern Boxer, die das Schwergewicht lange Zeit prägten, aufgebaut. Das Boxen Made in Germany war zu einem gewinnträchtigen Premiumprodukt geworden.

Dann kam es zu einer klassischen Überproduktionskrise. D.h. der Widerspruch zwischen den Produktionsgewinnen der Veranstalter und dem gesellschaftlichen Charakter der Produktion wurde offensichtlich. Die Veranstalter bauten immer mehr Boxer auf, die sie als vermeintliche Jahrhundertboxer, Nachfolger von X, Nachfolger von Y  usw. bewarben. Zwar stieg die Anzahl der Boxer bei den großen Veranstaltern mit TV-Verträgen, aber die Qualität sank. Dies blieb sowohl beim Publikum als auch bei den TV-Sendern nicht unbemerkt. Einer nach dem anderen verabschiedeten sich alle großen Sender vom Boxen. Der Markt bereinigte sich. Universum verschwand ganz. Sauerland Promotion verfolgte eine andere Strategie. Unprofitable Standorte wurden geschlossen und Angestellte wurden, um Kosten zu senken, entlassen. Man konzentrierte sich auf profitablere Absatzmärkte. Stichworte: Skandinavien und World Boxing Super Series.

Der deutsche Absatzmarkt scheint im Augenblick für Sauerland kaum noch von besonderem Interesse zu sein. Die Einschaltquoten kann man nur noch mäßig nennen und das Interesse des Publikums vor Ort ist schlecht. Vermutlich will man auch gar nicht mehr Zuschauer in den Hallen haben. Selbst bei einer Vervierfachung der Zuschauerzahl würde man auf kein Interesse stoßen.

Die verbliebenen Konkurrenten von Sauerland haben mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. Boxen ist zu einer Randsportart verkommen und kaum noch zu vermarkten. Selbst SES, das einen Vertrag mit dem MDR hat und damit der größte Konkurrent ist, hat wohl keinen Boxer in ihren Reihen, der mehrere Millionen Zuschauer vor die Fernsehgeräte locken könnte.

Das Grundproblem des Profiboxens in Deutschland kann man so beschreiben, dass das Angebot offensichtlich nicht so aussieht, dass es eine große Nachfrage nach sich zöge. Dabei ist es durchaus nicht so, dass es in Deutschland nicht genug gute Boxer oder neue Konzepte gäbe. Das Problem scheint  eher zu sein, dass die etablierten Veranstalter keinen Input von außen annehmen können. Würden sie das nämlich tun, so verhielten sie sich zwar professionell, müssten sich dann aber solche Fragen stellen wie: Wieso habe wir diesen Boxer übersehen? Wieso haben wir nicht diesen Trainer unter Vertrag? Wieso hatten wir nicht die Idee?

Wir dürfen gespannt sein, ob das Produkt Profiboxen überhaupt noch eine Zukunft in Deutschland hat.

© Uwe Betker