Ein vergessenes Strandbad in Pommern und die Suche nach der Rügenwalder Teewurst

Von Martinaunddayo

Auf der Pommernreise mit meinen Eltern ging es natürlich auch (endlich) an die Ostsee – fort von “düsterm Waldrevier” und hin zu “hellem Meerestrande” wie es in der ersten Strophe des Pommernliedes heißt. Und wirklich: Die Strände in der polnischen Wojewodschaft Pommern sind ein echter Traum. Strahlend weißer Sand und – zumindest in den Tagen unserer Reise – wundervoll blaue Ostsee …

Seebad Ustka

Nur wenig mehr als 200 Kilometer von den berühmten Ostseebädern auf Usedom entfernt, liegt Ustka, das ehemalige Stolpmünde. Das von deutschen Touristen fast vergessene Seebad steht seinen berühmten Kollegen jedoch in (fast) nichts nach: sehr breite Strände (sehr sauber und sehr gepflegt), eine wunderbare Strandpromenade mit all den Nippes-Ständen, die an jeder Strandpromenade dieser Welt zu finden sind und einem über Jahrhunderte komplett erhaltenen Stadtkern, der in den letzten Jahren nach und nach saniert wurde.

Ustka (Stolpmünde) liegt an der Mündung der Słupia in die Ostsee und wurde im 14. Jahrhundert als Hafen für die Stadt Stolp (Słupsk), die knapp 20 Kilometer entfernt ist, errichtet. Das Seebad ist neben Swinemünde, Kolberg und Sopot das vierte anerkannte Ostseeheilbad an der polnischen Küste. Es gibt hier Solequellen und Moorvorkommen, die im Kurhaus verabreicht werden, so dass sich in Ustka in den letzten Jahren ein Kurtourismus entwickelt hat.

Wir spazieren an diesem sonnigen Nachmittag fast die gesamte Strandpromenade ab. Sowohl am Strand als auch auf der Promenade wimmelt es nur so von Pärchen, spielenden Kindern, essenden Familien und sich sonnenden Frauen und Männern … an zahlreichen Buden, Lädchen, Geschäften werden Eis, Fast Food, Spielzeug und (gruselige) Andenken verkauft. Wir sind auf der Suche nach Essen! Und das ist gar nicht so einfach, denn einfach so eine Wurst auf die Faust – das will die liebe Familie nicht. Natürlich kommen wir auch an dem ein oder anderen Restaurant vorbei. Doch allesamt haben weder Servicepersonal, das Englisch oder Deutsch spricht, noch sind die Menükarten in einer uns verständlichen Sprache geschrieben … Es geht also munter weiter geradeaus immer auf der Strandpromenade in Richtung Hafen. Dabei kommen wir am wunderschön restaurierten Leuchtturm vorbei, der 1871 errichtet wurde und 21,5 Meter hoch ist.

Der Leuchtturm von Stolpmünde

Am Hafen angekommen, läuft gerade ein “Piratenschiff” ein, dass seine abenteuerlustigen Gäste im Sommer in regelmäßigen Abständen auf die Ostsee rausfährt. Von hier aus kann man auch eine Fähre nehmen und die dänische Insel Bornholm besuchen.

Touristenattraktion ist das Priatenschiff

Aber wir haben alle immer noch Hunger! So wirklich experimentierfreudig ist meine Familie nicht! Kurz bevor wir alle im Streit von der Hafenmole ins Wasser stürzen, entscheiden wir uns, in das nächste Selbsbedienungs-Eiscafé zu gehen. Hier haben wir einen schönen Blick auf den Hafen und stillen unseren Hunger mit großen Waffeln, Kirschen und Sahne …  dann verabschieden wir uns von der Strandpromenade und wollen über die Altstadt zurück zum Auto gehen.

Altstadt von Stolpmünde

Die Altstadt des Städtchen wird auch das Kapitänsviertel genannt. Neben zahlreichen Geschäften gibt hier stattliche Villen und historische Fachwerkhäuser zu bewundern – größtenteils liebevoll renoviert. Erst wenn man das Stadtzentrum verlässt (weil man beispielsweise den Parkplatz suchen muss …), blitzt das sozialistische Erbe durch … so manch ein Hotel  oder Wohnhaus kann den Plattenbau nicht verleugnen und je weiter wir uns von der Strandpromenade entfernen, umso weniger liebevoll sind die Häuser renoviert …

An unserem letzten Tag in Pommern machen wir uns auf die Suche nach der Teewurst! Um genau zu sein: nach der Rügenwalder Teewurst, die sich mir schon als Kind in mein Langzeitgedächtnis eingebrannt hat. Denn damals wurden meine Schulbrote oft mit der streichfähigen Mettwurst versehen … allerdings muss ich zugeben, dass ich Teewurst heute überhaupt nicht mehr mag … … wir fahren also nach Rügenwalde, das schon Ende des 19. Jahrhunderts für seine Wurstspezialitäten bekannt war und heute Darłowo heißt.

Rathausplatz Darłowo

Wer nun erwartet, dass in dieser Stadt oder in der Umgebung irgendwo die bekannte rote Mühle steht, die das Firmenloge einer deutschen Fleischerei ziert, dem muss ich hier eine herbe Enttäuschung bereiten. Die Mühle gibt es nicht, gab es nicht und hat es niemals gegeben! Wie ich am Frühstückstisch des Hotels ein- oder zweimal mitbekommen habe, gibt es aber tatsächlich Menschen, die nach Rügenwalde fahren, um die rote Mühle zu suchen … Wir haben in Darłowo einen tollen Parkplatz gefunden (den man auch leicht wiederfindet) und stehen nach ein paar Schritten mit auf dem Rathausplatz.

Das Rathaus im Barockstil

Die Häuser, die sich im großen Rund drängen, sind fast alle renoviert … es gibt allerdings die ein oder andere Ausnahme …

Zwischendrin gibt es auch immer wieder solche Gebäude

Wem hier wann das Geld zum Renovieren ausgegangen ist? Wer weiß. Vielleicht wurde dieses Haus auch einfach vergessen …

das Steintor

Das Steintor war früher ein mit stattlichen Giebelaufbauten versehenes Stadttor, das 1732 erneuert wurde. Vom Steintor geht es auf die Hauptgeschäftsstraße, in der die Auslagen der Läden immer noch einen Hauch ihrer angestaubten sozialistischen Vergangenheit tragen. Wenige hundert Meter weiter kommt man zum Gebäude der ehemaligen Fleischerei von Carl Müller …

… das Geburtshaus der Rügenwalder Teewurst …

Das ist sozusagen das Stammhaus, wo die Karriere der Rügenwalder Teewurst (und all ihrer anderen (Wurst-)Brüder und -Schwestern) begann. Kurz schießt mir ein böser Gedanke durch den Kopf: Ob dieses Haus wohl gerade deswegen nicht renoviert wird, weil der Name “Rügenwalder” im deutschsprachigen Raum so einen Erfolg hat? Immerhin ziert ein schickes Gedenkschild die alte Hausfassade!

Die rote Mühle wurde übrigens erfunden, um sich von anderen Metzgern im Ort zu unterscheiden. Wie Millionen anderer Menschen, flieht auch die Metzgersfamilie 1945 aus Pommern und findet im Ammerland eine neue Heimat (Quelle: www.ruegenwalder.de). Wir jedenfalls bummeln mehr als 60 Jahre später weiter durch das Städtchen, in dem wir – im Vergleich zu den anderen Orten – auch recht viele deutsche Touristen sehen.

Marienkirche

Hinter dem Rathaus liegt die Marienkirche, eine spätgotische Basilika aus dem 14. Jahrhundert.

In der ehemals protestantischen Kirche gibt es auch eine “Fürstengruft”, die neben dem Sarkophag des Königs Erich I. (1382-1459) auch den der letzten pommerschen Herzogin Elisabeth beherbergt, die von 1580 bis 1653 lebte.

Abgesehen davon, dass die Marienkirche die erste (und für uns auch einzige) Kirche auf unserer Reise ist, die nicht abgeschlossen war, umgibt sie ein wunderschön angelegter Gedenkgarten (ich schreibe Gedenkgarten, weil ich nicht glaube, dass es der ehemalige Friedhof ist).

Zum Gedenken an alle verstorbenen Rügenwalder Bürger

Bevor wir uns wieder in Richtung Berlin aufmachen, gibt es noch einen kleinen Abstecher an den Strand von Rügenwalde – Rügenwaldermünde, das heutige Darłówko. Rügenwaldermünde war einst der älteste Seebadeort Preußens (1814) und berühmt für seine Strände. Als Stadteil von Rügenwalde ist er rund 2,5 Kilometer vom Zentrum entfernt. Wir parken in der Nähe des hübsch renovierten Hotels Apollo, das direkt am Strand liegt.

Hotel Apollo

Ebenso wie Stolpmünde drängen sich hier viele Menschen in der kleinen Geschäftsstraße, die auf die Hafenmole führt. Es ist ja erst Mitte Juni – in der Hauptsaison wird es hier vermutlich genauso voll sein, wie in Mallorca oder an den Strandpromenaden auf Rügen.

Der Leuchtturm von Darłówko

In Darłówko mündet die Wieprza (Wipper) in die Ostsee und teil den Ort in zwei Teile. Bei Teile sind durch eine Zugbrücke verbunden, die in regelmäßigen Abständen Fischer- und Motoboote in die Ostsee entläßt. Auch hier treibt ein Piratenschiff mit den Touristen sein Unwesen … das scheint der Renner des Sommers in den polnischen Urlaubsorten zu sein.

Auch hier laden lange Strände mit feinem weißen Sand zum Verweilen ein … schade, dass wir heute dafür keine Zeit haben.

Sonne, Sand und Meer

Noch ein kleiner Spaziergang über die Zugbrücke und dann entdecken wir rechts am Hafenkanal ein kleines, nettes Café – ganz in Rosarot gehalten. Erstaunlicherweise steht auf einer Tafel in deutscher Sprache, dass es hier Kaffee und Kuchen gibt. Das lassen wir uns nicht zweimal sagen und und sitzen schwupps auf der Terrasse. Hier haben wir den wirklich allerleckersten, selbstgebackenen Kuchen gegessen, den man sich vorstellen kann!!

Alte Zeiten – neue Zeiten

Wie überall auf unserer Reise liegen auch hier Vergangenheit und Gegenwart ganz nah beieinander. Der gelbe Plattenbau hat seine besten Tage vermutlich bereits vor Jahrzehnten gesehen. Das neu renovierte Gebäude, das durch einen etwas “angenagten”, überdachten Gang mit dem alten Gemäuer verbunden ist, ertrahlt dagegen im schönsten Weiß!

Wir jedenfalls müssen uns jetzt leider von Pommern verabschieden und machen uns wieder auf den Weg in Richtung Heimat.

Weitere Informationen:

Pommern ist ein wunderschönes, weites Land mit sehr, sehr viel Natur und nicht ganz so vielen Menschen (sieht man mal von den Seebädern ab … ). Im Prinzig ist alles natürlich auch sehr gut touristisch erschlossen, allerdings zählen anderssprachige Touristen in diesem Teil Polens wohl nicht zur Kernzielgruppe, denn es ist – wie ich ja auch schon in meinen beiden anderen Posts beschrieben habe, sehr schwer, in einer anderen Sprache zu kommunizieren – auch in den Touristenschwerpunkten. Von Frankfurt am Main aus gesehen, sind es knapp 1.000 Kilometer – für einen Kurztripp leider zu weit entfernt. Man kann natürlich auch nach Danzig fliegen und sich dort ein Auto mieten, um die Wojewodschaft Pommern zu entdecken.

Wir haben auf unserer Reise viele Menschen gesehen, die mit Hund unterwegs waren. In Polen herrscht allerdings Leinenpflicht.

Auf der offiziellen Seite des Fremdenverkehrsamts von Polen kann man sich informieren unter www.polen.travel/de.

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