Ein unpolitisches Amt

Der Bundespräsident ist ein unpolitisches Amt. Unpolitisch im Sinne von: nicht inhaltlich gestaltend an der Gesetzgebung und damit der Tagespolitik beteiligt. Seine politischste Aufgabe ist wahrscheinlich noch die Ernennung von Richtern und Beamten, doch auch hier kann er sich nicht ideologisch austoben – meist ist er dabei an Vorschläge der Bundesregierung, von Ministern etc gebunden (oder hat die Befugnis an die Minister delegiert). Mit anderen Worten: Er kann sich ruhigen Gewissens auf die Auswahl der Bestqualifizierten beschränken, die Parteibuchkontrolle findet jedenfalls andernorts statt.

Auch die sonstigen Aufgaben – etwa die Beurkundung des verfassungsmäßigen Zustandekommens von Gesetzen, Repräsentation der Republik im Ausland, die Verleihung von Titeln – legen nicht unbedingt nahe, dass es sich hier um ein Staatsorgan handeln könnte, das unbedingt direkt vom Volk gewählt werden müsste. Das liegt daran, dass die wichtigste verfassungsrechtliche Funktion des Bundespräsidenten eine ganz andere ist: Er bestellt den Bundeskanzler sowie die sonstigen Mitglieder der Bundesregierung und entlässt sie auch wieder. Er kann den Nationalrat auflösen (auf Vorschlag der Bundesregierung). Mit anderen Worten ist der Bundespräsident derjenige, der in wohl nicht allzu ferner Zukunft Kärntner Zustände im Bund unterbinden sollte. Ein Organ mit derart weitreichenden Befugnissen muss dem Volk direkt verantwortlich sein, von ihm direkt gewählt und abgesetzt werden können.

Der Bundespräsident ist somit nichts anderes als die verfassungsmäßige Notbremse, falls die Bundesregierung den konsequenten Verfassungsbruch auf die Tagesordnung setzt. In Sachen Gesetzgebung hat er – gerade wegen dieser für eine Einzelperson beachtlichen Machtfülle – keine Kompetenzen und kann daher nicht anders, als alle heiligen Zeiten ein paar verfassungsrechtlich korrekte Allgemeinplätze in die Mikrofone der Journalisten zu raunen. Ein Bundespräsident, der seine politischen Überzeugungen bei jeder Gelegenheit zum Besten gibt und sich mit Verve in die politische Debatte einbringt, hat sein Amt nicht verstanden und würde nur Verwirrung stiften: sofort würden sich die Gegner seines Standpunktes auf seine Unzuständigkeit berufen, womit die Debatte inhaltlich gestorben wäre – das Schema ist bekannt.

BundespräsidentschaftskandidatInnen können daher nicht am Programm oder den Grundhaltungen der Partei, der sie angehören mögen, gemessen werden. Die einzig relevanten Werte heißen: Verfassungstreue und Verlässlichkeit. Im Grunde müssen wir am 25. April nur eine Frage nach bestem Wissen und Gewissen beantworten: Wird diese Person im Falle, dass die demokratischen Institutionen versagen, auch unter größtem politischen Druck unerschütterlich die Verfassung und ihre Baugesetze achten und ihre Einhaltung sicherstellen? Auch wenn die große sozialistische Diktatur droht, der Anschluss 2.0 oder ein Gottesstaat?

Es handelt sich somit um eine Wette auf die voraussichtliche Verfassungstreue einer bestimmten Person in Vergleich zu ihren MitbewerberInnen in politisch schwierigen Zeiten, eine Persönlichkeitswahl reinsten Wassers. Was zählt, ist das Weltbild der KandidatInnen, soweit man das in einer Gesamtschau der bisherigen Positionen irgendwie herausdestillieren kann. Ich finde es daher auch wenig sinnvoll zu beklagen, dass diese oder jene Partei keinen “eigenen” Kandidaten aufgestellt hat. Die KandidatInnen sind entweder charakterlich in Ordnung und pflegen ein lupenreines Verhältnis zur Verfassung – oder nicht. Sich darüber zu ärgern, dass niemand unter den KandidatInnen verfassungsmäßig wirklich eine weiße Weste hat und daher ungültig zu wählen ist legitim. Dabei darf man aber nicht übersehen, dass es bei demokratischen Wahlen immer nur um das relativ geringste Übel gehen kann: Wann hätte je ein Kandidat, eine Kandidatin in jeder Hinsicht die hohen Ansprüche in Perfektion verkörpert? Aus Trotz dagegen, dass die Welt nicht so perfekt ist, wie man sie gerne hätte gleich überhaupt niemanden zu wählen, heißt das Kind mit dem Bade ausschütten – das nützt nur den relativ ungeeigneteren MitbewerberInnen. Dass niemand unter den KandidatInnen ideal ist, heißt noch lange nicht, dass nicht manche wesentlich besser sind als andere.

Wir wählen diesen Sonntag niemanden in ein politisches Amt, sondern den obersten Verwaltungsbeamten der Republik. Daher sollten wir uns nicht für politische Programme interessieren, sondern für die beste Qualifikation – einen einwandfreien Lebenslauf, idealerweise mit genügend Praxiserfahrung.

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© farblos 2010 | Permalink | 7 Kommentare


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