Celia und Tom sind seit 5 Jahren verheiratet, aber inzwischen beruflich derart eingespannt, dass sie sich kaum noch sehen. Toms Fantasie beginnt daher fieberhaft zu arbeiten, als ...
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Missmutig dachte Tom, dass er die ganze letzte Stunde für nichts gearbeitet hatte, weil er übermüdet war und sich nicht auf die Arbeit, die er sich mit nach Hause genommen hatte, konzentrieren konnte. Celia schlief sicher schon. Sie kam jeden Abend genau so spät von der Arbeit wie er selbst. Wenn sie sich nicht gerade auf einer ihrer Inspektionsreisen befand. Wann hatten sie sich zum letzten Mal richtig miteinander unterhalten? Geschweige denn, über das Baby gesprochen, das doch zu ihren Lebensplänen gehörte, als sie vor fünf Jahren aus Liebe heirateten? Seit er die gutbezahlte Stelle als Informatiker bei einer privaten Telefongesellschaft angetreten und Celia erfolgreich ihr eigenes Reisebüro eröffnet hatte, blieb ihnen kaum noch Zeit füreinander. Er wollte nur noch schnell in seinen elektronischen Briefkasten schauen, und dann ab ins Bett. Einen Moment später war er hellwach: "Lieber Herr Bergmann", lauteten die explosiven Zeilen, "wenn Sie wie ich Lust auf einen verzauberten Abend zu zweit haben, finden Sie sich doch bitte morgen um 18 Uhr in der Bar des Parkhotels ein." Unterzeichnet war mit: "Eine Frau, der Sie schon öfter begegnet sind."
Toms erster Gedanke war, dass sich jemand einen schlechten Scherz erlaubte. Andererseits: warum sollte eine Frau sich nicht in ihn verlieben? Schliesslich sah er nicht schlecht aus. Natürlich würde er nicht zum Rendezvous gehen, das würde er Celia nicht antun, aber er hätte doch gern gewusst, wen er derart beeindruckt hatte. Sollte es sich um die hübsche neue Mieterin aus dem dritten Stock handeln? Er hatte ihr neulich geholfen, einen schweren Karton, in dem sich Bücher befanden, von ihrem Auto nach oben zu tragen, ohne nennenswert aus der Puste zu kommen. Der bewundernde Blick, den sie ihm zugeworfen hatte, als sie sich überschwänglich bedankte, war sehr angenehm in seinem Gedächtnis haften geblieben. Oder war es seine frisch geschiedene Kollegin Martina, die auf ihre aparte Art ebenfalls nicht schlecht aussah? Schuldbewusst wollte er sich Celias Bild ins Gedächtnis zurückrufen. Es war erstaunlich verschwommen. Kein Wunder, sie sahen sich ja kaum noch.
Einen Abend mit dieser geheimnisvollen Frau zu verbringen kam nicht in Frage, überlegte er, aber vielleicht könnte er wenigstens heimlich von der Halle aus einen Blick in die Bar werfen? Celia würde nichts davon erfahren, um 18 Uhr arbeitete sie gewöhnlich noch, wie er auch. Wie wär's, wenn er Celia dann am Samstag in ein schönes Restaurant ausführen, ihr von der E-Mail erzählen und ihr verraten würde, wer seine Verehrerin war? Sie würden gemeinsam darüber lachen. Wer weiss, vielleicht würde Celia ihn danach mit anderen Augen ansehen? Ihn überhaupt mal wieder ansehen? Er erwärmte sich zusehends für diese Idee.
Sein Herz klopfte überraschend stark, als er auf seine Bettseite schlüpfte. Celia bewegte sich ein wenig und murmelte schläfrig: "Hab ich dir gesagt, dass ich morgen für ein paar Tage nach Marokko fliege? Ich fahre direkt von der Arbeit zum Flughafen."
Er war empört. Nein, sie hatte es ihm nicht gesagt. So weit war es also gekommen, dass sie ihn wie ein vulgäres Möbelstück behandelte! Aber dann merkte er, wie sich der kleine Teufel in ihm die Hände rieb: Wer könnte ihm jetzt schon verübeln, wenn er zu seinem Stelldichein ging?
Zum ersten Mal seit langer Zeit kam er pünktlich nach Hause. Es hatte genügt, konzentriert und gut organisiert zu arbeiten, stellte er fest. Den ganzen Tag hatte er darüber hinaus das Gefühl gehabt, zu lächeln. Birgit, die Pool-Sekretärin, hatte ihn sogar geneckt: "Hey, Tom, du siehst so verliebt aus."
Wenn sie wüsste! Ob es sich bei der Mailschreiberin womöglich um Birgit handelte? Es würde ihm nicht missfallen, dass sie ihn ihrem Freund, einem angeberhaften Muskelprotz, vorzog.
Zu Hause duschte er, rasierte sich frisch und sprühte sich mit Aftershave-Lotion ein. Ein Geschenk von Celia, fiel ihm dabei mit schlechtem Gewissen ein, bis er wieder daran dachte, wie nebensächlich sie ihm gestern Nacht mitgeteilt hatte, dass sie heute nach Marokko flog. Er sprühte noch einmal nach. Dann kleidete er sich sorgfältig an und warf einen kritischen Blick in den Spiegel: Ja, er konnte sich sehen lassen. Durchaus.
Er fuhr den Wagen auf den Parkplatz des Hotels, schwang sich die Stufen hinauf und durchquerte die Halle bis zur Bar. An einem Tisch unterhielten sich zwei Herren in vorgerücktem Alter miteinander. Auf einem der Barhocker sass eine Frau, die ihm halb den langen, biegsamen Rücken zuwandte. Sie trug ein aufregendes, hochgeschlitztes Kleid, und als sie jetzt mit beiden Händen ihr dichtes, kastanienbraunes Haar aus dem Nacken hob, konnte er - wie die beiden alten Herren - einen geschmeidigen Hals und wunderbar geformte Schultern bewundern. Es war eine Geste voll Anmut und Erotik, und schlagartig wurde ihm bewusst, dass dies die Frau seines Lebens war.
"Celia", sagte er rauh, während Trümmer und Chaos in ihm herrschten, "was machst du denn hier?" Warum war sie nicht in Marokko? Kam sie etwa mit derselben unlauteren Absicht hierher wie er? Um einen heimlichen Verehrer zu treffen? Aber wer war er, um ihr Vorwürfe zu machen? Er ächzte gequält.
Celia klopfte neben sich auf den Hocker und lächelte ihm zu: "Willst du dich nicht setzen? Du siehst wunderbar aus, Liebster, wenn auch ein bisschen gebeutelt. Du hast also meine Mail erhalten?"
Es verschlug ihm die Sprache.
Zärtlich strich sie über seine Hand: "Du brauchst dir keine Lügen auszudenken, wir sind beide Schuld an der Situation. Wir haben uns auffressen lassen von unserer Arbeit. Es wurde höchste Zeit, etwas dagegen zu unternehmen, findest du nicht? Ich freue mich, dass mir die Überraschung gelungen ist."
Sie hatte also alles eingefädelt! Er war grenzenlos erleichtert und zugleich zutiefst beschämt: "Celia, was denkst du jetzt von mir?"
Ihre blauen Augen blitzten vergnügt: "Vermutlich all das, was du gerade auch über mich gedacht hast. Ziemlich aufrüttelnd, was? Aber gerade das hatten wir wohl bitter nötig. Weisst du, mir ist klar geworden, wie sehr ich dich liebe und brauche, als ich die schmachtenden Blicke bemerkte, mit denen unsere neue Hausbewohnerin dich neuerdings bedenkt. Sie haben mich unsaft geweckt."
Tom spürte das dringende Bedürfnis nach einem doppelten Whisky. "Was trinkst du?" fragte er Celia.
"Einen Orangensaft, bitte."
Sie lachte, als sie seinen erstaunten Blick bemerkte. Dann sagte sie ganz sanft: "Wir werden ein Baby haben, Liebster."
"Aber du ..."
"Ich hatte seit einiger Zeit die Pille abgesetzt, weil wir nur noch so selten ... ach, du weisst schon. Aber vor etwa zwei Monaten, erinnerst du dich?, waren wir zufällig beide zu Hause und in verliebter Stimmung. In dem Augenblick war mir völlig entfallen, dass ich nicht mehr verhütete."
Absicht oder Zerstreutheit, sie wusste es selbst nicht zu sagen, sie wusste nur, dass sie sich unendlich glücklich fühlte, als der Arzt ihr vor zwei Tagen eröffnete, dass sie schwanger war. Jetzt sah sie dieselbe Freude in Toms Augen aufleuchten.
"Ich liebe dich, Celia", sagte er mit Inbrunst.
"Ich dich auch, Tom. Bald werden wir eine richtige Familie sein. Apropos, ich werde jemanden einstellen, der mich im Reisebüro entlastet ..."
"Und ich werde mich auch besser organisieren."
"Ja, so wie heute", kicherte sie. "Du warst auf die Minute pünktlich um 18 Uhr da!"
"Wie wär's, wenn ich dich jetzt zu einem exquisiten Abendessen einlade? Falls hier ein Tisch frei ist ..."
"Ich habe ihn schon reserviert. Sind wir nicht ein tolles Team?" Celias Kuss war so süss und verheissungsvoll, dass deutlich zwei neidische Seufzer vom Opa-Tisch her zu hören waren.
ENDE