Am Sonntag habe ich beim Ohrfunk in meiner Sendung Candlelight meinen teilweisen Rückzug aus dem Radio ab dem 1. April angekündigt, und das ist kein Aprilscherz.
Die Entscheidung stand schon lange im Raum, ich habe mich in den letzten Jahren zunehmend ausgebrannt gefühlt. Das ging so weit, dass es mir kaum noch gelingt, den Telefonhörer für die Anbahnung eines Interviews in die Hand zu nehmen, ich fühle mich leer und aufgerieben. Das ist nicht das erste mal in meinem Leben, dass mich mindestens ein Anflug von Depression überkommt, aber es ist das erste mal, dass ich meine Aktivitäten kontrolliert, langsam und zuverlässig herunterfahre. So schwer es mir fällt, so bleibe ich doch bis zum 1. April im normalen Radiobetrieb, damit sich mein Sender darauf einstellen und Vorbereitungen treffen kann. Das ist besser als früher, wo ich leider mehrmals von einem Tag auf den anderen die Brocken hingeworfen habe.
Nun ist es nicht so, dass ich mich voll und ganz aus dem Ohrfunk verabschiede. Ich bin weiterhin technisch für die Homepage, unsere Mailinglisten und die Automation zuständig, ich werde meiner Liebsten weiterhin helfen, ihre Sendungen Klangfarben, Hörzeit und Candlelight zu produzieren und zu senden. Aber ich ziehe mich zumindest vorübergehend vollkommen aus dem Infobereich zurück und sende keine Partys. Ich lege alles ab, was eigenständige, verantwortliche Recherche unter Zeitdruck bedeuten könnte. Das werde ich in nächster Zeit nicht leisten können. Meine Aktivitäten in den sozialen Netzwerken habe ich bereits seit längerem reduziert.
Natürlich bin ich traurig darüber, dass ich ausgerechnet die von mir sehr geschätzte journalistische Arbeit nicht mehr schaffe, aber ich muss den Realitäten ins Auge sehen. Wenn ich für einen Beitrag, für den ich normalerweise eine Stunde brauche, inzwischen drei Stunden benötige, stimmt etwas nicht. Gründe für meine Überforderung gibt es einige in meinem privaten Umfeld, und natürlich gehe ich hier nicht auf alle ein, aber es gibt auch Gründe, über die ich durchaus sprechen kann.
Zum einen stelle ich fest, dass ich nichts mehr zu sagen weiß. Seit Monaten klingen meine Kommentare einander ähnlich, rufe ich nur noch zur Mitmenschlichkeit auf und ernte Spott. Fassungslos stehe ich vor den Trümmern der Dinge, die ich in meiner politischen Jugend als unumstößliche Gegebenheiten kennen und schätzen lernte: Demokratie, Lehren aus dem Nationalsozialismus, Sozialstaat, internationale Zurückhaltung. Ich fühle mich von einer Flut überrollt, der sich stärkere Menschen als ich selbst es bin entgegenstellen müssen, zumindest, wenn sie Erfolg haben wollen. Für den Ohrfunk und auch teilweise für dieses Blog habe ich Kommentare geschrieben, die Zeugnis ablegen von der zunehmenden Sprachlosigkeit, die mich ergriffen hat, Selbst mir wohlgesonnene Stammleser meinen hin und wieder: “Du schreibst ja andauernd dasselbe.” Das könnte stimmen, denn die Lust am Innovativen, am Spannenden liegt derzeit ziemlich brach bei mir.
Zum Anderen hört im Netz ohnehin kaum noch jemand zu, und vieles von dem, was ich zu hören kriege, schalte ich erst gar nicht frei. Dabei habe ich früher gern von unterschiedlichen Meinungen gelernt und profitiert. Aber die Leute, denen ich begegne, die haben keinen Spaß an einer sachlichen Debatte mit unterschiedlichen Argumenten, sondern sie argumentieren nur noch mit ihrem Bauch und ihrem Hass, nur mit der Emotion und dem Wunsch, sich auszukotzen. Da kann man nichts mehr lernen, da kann man auch nicht argumentativ die Klingen kreuzen. Dieser Hass macht mich mürbe, ich gebe es zu, es geht mir an die Nieren. Wenn ich Reaktionen auf meine radio- und Blogarbeit von Außenstehenden erhalte, also von Menschen, die nicht sowieso mich bereits kennen und das, was ich sage, meistens positiv finden, dann sind es meistens Hetz- und Hasskommentare.
Also werde ich ab dem 1. April nur noch schreiben, wenn ich wirklich etwas neues zu sagen habe, was man mir nicht schon fast Wort für Wort in den Mund legen kann. Ich muss dann keine Beiträge für Ohrfunk mehr schreiben und mir ein Thema suchen, ich schreibe, wann und was und auch so lange ich will.
Natürlich sind dies nicht die Hauptgründe für den Rückzug, aber die, die mit meinem öffentlichen Auftreten zusammenhängen, und die zumindest auch einen Einfluss auf die Entscheidung hatten. Überforderungen und depressive Stimmungen sind ansonsten auch nicht einfach zu erklären oder zu verstehen.
Ich hoffe, es wird auch nach dem teilweisen Rückzug meinerseits Menschen geben, die hin und wieder hier vorbei schauen und sich über einen Beitrag auf diesem Blog freuen.